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News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Freitag (23. September)

September 23
07:35 2022

»Sterben oder leben«: Mit deutlichen Worten hat sich der ukrainische Präsident an das russische Volk gewandt. Grüne und SPD fordern rasches Asyl für Kriegsverweigerer. Und: Scheinreferenden sollen starten. Das geschah in der Nacht.

Das sagt Kiew

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russische Bevölkerung zum Widerstand gegen die Teilmobilmachung im Land aufgerufen. 55.000 russische Soldaten seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar bereits gestorben, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. »Wollt ihr mehr davon? Nein? Dann protestiert dagegen. Kämpft dagegen. Lauf weg. Oder ergebt Euch«, so Selenskyj weiter.

Nun sei es »an der Zeit, zu entscheiden«, sagte der Präsident. Für Männer in Russland gehe es darum »zu sterben oder zu leben, zum Invaliden zu werden oder gesund zu bleiben«. Für Frauen gehe es darum, »ihre Männer, Söhne, Enkel für immer zu verlieren – oder sie vor dem Tod zu beschützen, vor dem Krieg, vor einer Person«, sagte Selenskyj unter Bezugnahme auf Kremlherrscher Wladimir Putin.

Viele der im größten Häftlingsaustausch seit Kriegsbeginn von Russland an die Ukraine zurückgegebenen Gefangenen weisen nach Angaben aus Kiew Folterspuren auf. »Viele von ihnen wurden brutal gefoltert«, sagte der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, ohne Einzelheiten zu Foltermethoden zu nennen.

Es gebe auch Gefangene, deren körperlicher Zustand »mehr oder weniger normal ist, abgesehen von chronischer Unterernährung durch die schlechten Haftbedingungen«, sagte er weiter. Laut dem ukrainischen Innenminister Denys Monastyrsky benötigen alle eingetauschten Ukrainer eine psychologische Behandlung.

Russland hat nach Einschätzung des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba keinerlei Interesse an Friedensgesprächen. »Die russische Führung sucht nur nach einer militärischen Lösung«, sagte Kuleba am Donnerstag in New York vor dem Uno-Sicherheitsrat. Russischen Diplomaten warf er ein »außergewöhnliches Maß an Lügen« vor.

Das sagt Moskau

Ebenfalls vor dem Uno-Sicherheitsrat beschuldigte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Ukraine, die Sicherheit Russlands zu bedrohen. Zudem würden die Rechte von russischen und russischsprachigen Menschen in der Ukraine mit Füßen getreten, behauptete er in New York. Russland werde dies nie akzeptieren. »Alles, was ich heute gesagt habe, bestätigt nur, dass die Entscheidung zur Ausführung der speziellen Militäroperation unvermeidlich war.«

In der einmal pro Halbjahr stattfindenden Einberufung hat Russland 120.000 Wehrpflichtige eingezogen. »Die zum Wehrdienst einberufenen Bürger werden nicht zur Teilnahme an der militärischen Spezialoperation in der Ukraine herangezogen«, versicherte der Chef der Mobilmachungsabteilung im Generalstab, Wladimir Zimljanski, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Seinen Angaben nach werden auch die Wehrpflichtigen, deren Dienstzeit nun endet, entlassen und an ihren Heimatort geschickt. In Russland dauert der reguläre Wehrdienst ein Jahr.

Die 120.000 neuen Rekruten seien weniger als im vorigen Herbst. »Aber diese Anzahl deckt den Bedarf der staatlichen Sicherheitsorgane völlig – trotz der Durchführung der militärischen Spezialoperation«, sagte Zimljanski. Die offiziellen Stellen in Moskau bemänteln den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine immer noch als »militärische Spezialoperation«.

Humanitäre Lage

Grüne und SPD plädieren für eine zügige Aufnahme von russischen Kriegsdienstverweigerern. »Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden«, sagt Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic (Grüne) der »Rheinischen Post«. SPD-Faktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die verschärften Strafen, die Menschen bei Entzug der Einberufung drohen würden, »halte ich bereits nach jetziger Rechtslage für ausreichend als Asylgrund.« (Mehr zur Angst vor der Mobilmachung in Russland finden Sie hier. )

Die offene Verfolgung der russischen Zivilgesellschaft durch den Staat spitzt sich laut einem Bericht für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu. Die Unterdrückung von Opposition, Medien und unabhängigen Organisationen habe nach Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine in den vergangenen Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht. So steht es in einer Analyse der deutschen Juristin Angelika Nußberger. »Die wichtigste Strategie der russischen Behörden baut auf Einschüchterung auf«, resümierte die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die an der Universität Köln forscht.

Nußberger wurde im Juli von 38 der 57 OSZE-Staaten beauftragt, einen Bericht über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Russland zu verfassen. Moskau kooperierte nicht und gestattete ihr keine Reise nach Russland. Nußbergers Untersuchung baute unter anderem auf Interviews mit Vertretern der Zivilgesellschaft sowie mit ehemaligen und aktiven russischen Beamten auf, die zu ihrem Schutz nicht genannt wurden.

Internationale Reaktionen

Außenministerin Annalena Baerbock hat die internationale Gemeinschaft aufgerufen, Bemühungen zur Strafverfolgung russischer Völkerrechtsverbrechen in der Ukraine zu unterstützen. »Es darf keine Straflosigkeit geben. Das ist unser Versprechen gegenüber den Opfern, insbesondere den am stärksten gefährdeten Opfern, Frauen, Mädchen, aber auch älteren Menschen«, sagte die Grünen-Politikerin in New York.

Baerbocks US-Kollege Antony Blinken sagte, der russische Präsident dürfe mit seinem Vorgehen nicht durchkommen. »Die internationale Ordnung, für deren Aufrechterhaltung wir uns hier versammeln haben, wird vor unseren Augen zerschreddert«, sagte Blinken bei einer Sitzung auf Ministerebene am Rande der Uno-Generaldebatte. »Wir können und werden nicht zulassen, dass Putin damit durchkommt.«

Es müsse klargestellt werden, »dass kein Land die Grenzen eines anderen Landes durch Gewalt verschieben kann«, sagte Blinken weiter. »Wenn wir dieses Prinzip, das der Kreml so eklatant verletzt, nicht verteidigen, dann schicken wir Aggressoren überall die Botschaft, dass sie es auch ignorieren können.« Blinken warf Putin auch vor, mit der Teilmobilmachung und den sogenannten Referenden in besetzten Gebieten der Ukraine für einen Anschluss an Russland weiter »Öl ins Feuer« zu gießen.

Was heute passiert

  • In den vier von Russland weitgehend besetzten ukrainischen Gebieten sind mehrere Millionen Einwohner zu Scheinreferenden über den Beitritt zu Russland aufgerufen. Die Abstimmung, die vom 23. bis 27. September laufen soll, wurde erst diese Woche angekündigt. Moskau will sich mit Hilfe des Ergebnisses die Gebiete einverleiben. Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft werden die Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland anerkennen.

  • Die 77. Generaldebatte der Uno-Vollversammlung wird fortgesetzt. Insgesamt haben sich mehr als 150 Staats- und Regierungschefs für das diplomatische Treffen in New York mit zahlreichen Nebenveranstaltungen bis zum 26. September angekündigt. Hauptthema bleibt der russische Angriffskrieg in der Ukraine sein.

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