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Schulen in der Corona-Krise: Gipfel mit Angela Merkel liefert kaum Ergebnsise

September 22
00:56 2020
Kanzlerin Merkel und SPD-Chefin Saskia Esken im Kreis der Bildungsministerinnen und -minister Icon: vergrößern

Kanzlerin Merkel und SPD-Chefin Saskia Esken im Kreis der Bildungsministerinnen und -minister

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Jesco Denzel / dpa

Die Ankündigung ging mit einem Eingeständnis einher: Als der Schulalltag zu Beginn der Coronapandemie von heute auf morgen auf das Lernen zu Hause umgestellt werden musste, sei deutlich geworden, wie wichtig digitale Bildung sei – aber auch, was alles noch nicht funktioniere, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Videopodcast am Wochenende. "Daher müssen wir die Digitalisierung der Schulen mit Hochdruck weiter vorantreiben. Wir brauchen sie als eine unverzichtbare Ergänzung zum Präsenzunterricht."

Für diese Offensive lud Merkel Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken und die Kultusministerinnen und -minister der Länder für Montagabend ins Kanzlerinnenamt ein – das erste Treffen von diesem Kaliber, seit die Schulen im März so abrupt geschlossen wurden. Auf der Agenda standen neben der Digitalisierung auch die Hygienekonzepte an den Schulen.

Bildungsgewerkschaften, Eltern- und Ländervertreter sowie die Opposition erhofften sich von dem Treffen etwa Fortschritte bei den Themen Lehrerfortbildung, Dienstgeräte für Lehrkräfte, den Breitbandanschluss der Schulen und Lüftungsanlagen für die Klassenzimmer. Denn obwohl die Zuständigkeit bei den Ländern liegt, galt das Treffen als starkes Signal: "In diesen außergewöhnlichen Zeiten geht es darum, gemeinsam alles dafür zu tun, dass Kinder und Jugendliche nicht die Verlierer der Pandemie sind", hatte Merkel gesagt.

Die sieben Punkte: schon bekannt

Die Schulpolitik fiel wegen des föderalen Systems gerade in der Coronakrise von Land zu Land immer wieder verschieden aus – nun mussten sich die Gipfelteilnehmer daran messen lassen, ob sie mehr als Symbolpolitik und Absichtserklärungen liefern.

Doch den von Merkel beschworenen "Hochdruck" vermittelte der Gipfel nicht. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte nach dem Gespräch lediglich mit, es seien "Handlungsstränge identifiziert worden". Die sieben benannten Punkte allerdings sind alle schon bekannt. Darunter etwa der Ausbau des schnellen Internets für Schulen, die Ausstattung der Lehrkräfte mit Dienstlaptops oder die Co-Finanzierung der IT-Administratoren. Das da etwas passieren muss, ist allen Beteiligten längst klar.

KMK-Präsidentin Stefanie Hubig wiederum lobte nach dem Gipfel, die "Bereitschaft der Bundesregierung, noch in diesem Jahr die Beschaffung der Endgeräte für Lehrkräfte zu ermöglichen". Doch das Versprechen des Bunds, auch in die Ausstattung der Lehrkräfte zu investieren, war schon das Ergebnis eines Treffens in kleinerer Runde mit der Kanzlerin im August.

Zudem bleibt ein grundlegendes Problem: Geld allein hilft nicht, um die Versäumnisse der Digitalisierung aufzuholen. Der Bund hat über den Digitalpakt Schule bereits rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Doch die Umsetzung in den Bundesländern läuft extrem schleppend. Bis Mitte des Jahres wurden laut einer Kleinen Anfrage der FDP erst rund 15 Millionen Euro abgerufen. Hubig sagte gegenüber dem SPIEGEL nun zwar, es gehe jetzt "richtig los". Schließlich würden die Gelder nur bewilligt, wenn die Schulen entsprechende Konzepte und Anträge vorlegten. Und zu Beginn der Pandemie hätten viele erst einmal andere Sorgen gehabt. Doch Deutschland hat im internationalen Vergleich extrem viel aufzuholen.

Ähnlich schwierig war es zunächst mit den zusätzlichen 500 Millionen Euro, die der Bund den Schulen bereits im April für die "Sofortausstattung" mit Laptops für den Fernunterricht versprach. Bis die Geräte tatsächlich verfügbar sind, vergehen oft Monate. In Thüringen etwa wurde das Gros der Anträge erst Anfang September bewilligt, auch in Rheinland-Pfalz waren zu dem Zeitpunkt erst für weniger als die Hälfte des vorgesehenen Budgets die Formalitäten geklärt. Dazu kommen noch Lieferfristen, Einrichtung der Betriebssysteme, Lizenzfragen und Datenschutzbestimmungen. Für die Rückkehr zum Fernunterricht sind viele Schulen folglich nach wie vor nicht gerüstet.

Auch im Herbst gilt: Präsenzbetrieb geht vor

Grundsätzlich bleibt allerdings das Ziel: Präsenzbetrieb statt Fernunterricht. "Bund und Länder sind gemeinsam entschlossen, eine erneute flächendeckende Schließung der Schulen nach Möglichkeit zu verhindern", teilte Regierungssprecher Seibert am Montagabend weiter mit.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hatte deswegen vor dem Gipfel bereits an die Bevölkerung appelliert, sich an die Hygieneregeln zu halten. "Die Gesellschaft hat es durch ihr Verhalten insgesamt stark in der Hand, wie der Schulbetrieb in den nächsten Monaten laufen wird", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Lehrergewerkschaften sahen dabei aber auch die Politik in der Verantwortung, den Schulen für den Herbst geeignete Hygienekonzepte an die Hand zu geben. Insbesondere die Fragen, wie das Lüften im Herbst funktionieren soll und ob dabei Luftfilter eingesetzt werden, müssten bundesweit einheitlich geklärt werden, forderten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und der Bundeselternrat (BER). "Dabei dürfen die Kosten für den Einsatz der Geräte kein K.o.-Kriterium sein. Wenn Unternehmen mit Milliarden gerettet werden, sollten uns die Zukunft dieses Landes, die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern mindestens genauso viel wert sein", so die Vorsitzenden.

Hygieneplan: vertagt

Einige Bundesländer sprachen sich schon vor dem Gipfel gegen die Anlagen aus. "Wir brauchen handhabbare Lösungen für die Schulen", sagte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne. In Niedersachsen setze man auf die Regel: 20 Minuten Unterricht, 5 Minuten Stoßlüften, 20 Minuten Unterricht. Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann sagte im ARD-Mittagsmagazin: "Lüftungsgeräte allein in jedem Raum von Hunderttausenden von Klassenzimmern werden das Problem nicht lösen." Stattdessen sei zeitweises Stoßlüften noch immer die beste Variante, die man auch im Winter im Blick behalten müsse. Der Deutsche Lehrerverband hatte allerdings wiederholt bemängelt, dass sich in manchen Schulen gar nicht überall die Fenster weit öffnen ließen.

KMK-Präsidentin Hubig äußerte zwar auch im Namen ihrer Kollegen Verständnis für die Sorgen, wie der Schulbetrieb in der kühleren Jahreszeit aufrechterhalten werden könne. Die Entscheidung allerdings wurde vertagt: Um auf Grundlage wissenschaftlicher Expertise beraten zu können, laden die Kultusminister für Mittwoch zu einem Fachgespräch zum Thema Lüftungshygiene.

Die Ergebnisse sollten sie dann allerdings ohne Merkel verkünden. Der nächste Corona-Schulgipfel im Kanzlerinnenamt ist erst für Anfang 2021 geplant.

Icon: Der Spiegel

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