Robert Habeck: So kontern SPD und FDP die Vorwürfe vom Wirtschaftsminister
Vizekanzler Robert Habeck wirft SPD und FDP vor, den Fortschritt zu verhindern. Die Koalitionspartner reagieren verärgert – und attackieren ihrerseits die Grünen.
Die öffentliche Kritik des grünen Vizekanzlers Robert Habeck an den Koalitionspartnern sorgt für Unmut bei SPD und FDP. »Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden ihn verhindern, entspricht nicht der Realität«, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem SPIEGEL.
»Ich kann nicht erkennen, dass die Grünen den Fortschritt beschleunigen, sie blockieren ihn an vielen Stellen – etwa beim Ausbau der Infrastruktur oder einem technologieoffenen Ansatz in der Klimaschutzpolitik.« Auch unzumutbare Belastungen etwa durch ein kurzfristiges Verbot von Heizungen seien kein Fortschritt, so Djir-Sarai. »Im Gegenteil: Fortschritt im Höchststeuerland Deutschland wären Entlastungen der Menschen, nicht immer mehr Belastungen.«
Habeck hatte am Dienstag deutliche Kritik an den Koalitionspartnern geübt. »Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt.« Deutschland könne rasch Probleme meistern, wenn es wolle, sagte Habeck und fügte hinzu: »Daran kann man im Moment zweifeln, dass alle wirklich wollen.«
Auch aus der SPD kommt Widerspruch auf diese Deutung. »Die Äußerungen von Robert Habeck waren sicherlich eher an die eigenen Leute im Umfeld der Klausurtagung der Grünen-Bundestagsfraktion gerichtet«, sagte Fraktionsvize Dirk Wiese dem SPIEGEL. »Hintergründig mag auch der Konflikt mit Annalena Baerbock um die nächste Spitzenkandidatur eine Rolle spielen.«
Am Sonntag treffen sich die Spitzen der Ampelparteien, um über die vielen Konflikte innerhalb des Bündnisses zu sprechen und Kompromisse zu finden. Habeck habe durchaus recht, sagte Wiese, der auch Chef des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion ist. Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten, dass der Koalitionsausschuss am Sonntag Ergebnisse liefere, etwa beim Thema Planungsbeschleunigung. »Etwas mehr Selbstkritik wäre allerdings auch richtig gewesen. Denn auch im Wirtschaftsministerium lief nicht alles rund in den vergangenen Monaten.«
Konkret zielte Wiese auf die Kommunikation des Verbots neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 ab. Dies verunsichere die Menschen. »Ich komme aus einem ländlichen Wahlkreis, in dem diese Politik der Grünen zu Recht auf Vorbehalte stößt. Wir müssen aus meiner Sicht sehr darauf achten, dass wir auch die Bürger mitnehmen, die sich 20.000 bis 30.000 Euro für eine neue Heizung nicht mal eben so leisten können.« Das würden die Grünen zu wenig berücksichtigen. »Da haben sie oftmals leider nur die Besserverdienenden in den großen Städten im Blick.«
Wiese äußerte sich auch kritisch zum Plan der Grünen, den Kohleausstieg im Osten auf 2030 vorzuziehen. »Ich weiß nicht, ob es so glücklich war, das zu einem Hauptthema zu machen, wenn man eine Klausur im Osten hat«, sagte Wiese. »Die Beschäftigten wollen auch mitgenommen werden und nicht immer wieder neue Hiobsbotschaften erhalten.«
Vorwürfe aus den Reihen der Grünen, die SPD stünde immer an der Seite der FDP, nannte Wiese nicht richtig: »Beim Thema Mietrecht etwa sind wir den Grünen viel näher. Wir versuchen immer, beide Partner in der Koalition mitzunehmen, um dann zu guten Ergebnissen zu kommen.«
Die gegenseitigen Vorwürfe machen deutlich, wie angespannt die Stimmung in der Ampel ist. SPD-Chef Lars Klingbeil hat einen Wunsch: »Der öffentliche Streit in der Koalition muss aufhören«, sagte er der »Rheinischen Post«.
Gelegenheit dafür hat die Ampel am Sonntagabend, beim Koalitionsausschuss im Kanzleramt.