Galerie Bergson, neu in München: “Sind wir die Fremden? Oder ist die Welt fremd?”
Panorama
"There's a new kid in town", sangen die "Eagles" bereits vor Jahrzehnten. Jetzt sind in München gleich mehrere "new kids in town", alle anzufinden im nagelneuen Bergson Kunstkraftwerk. ntv.de hat sich dort umgesehen.
Schwellen abbauen, die Angst vor dem Unbekannten nehmen, das Elitäre raus – das hat Johann König mit seiner Galerie in Berlin bereits geschafft. In einer ehemaligen Kirche, St. Agnes, sind junge und alte, bekannte und bisher nicht bekannte Künstler beheimatet. Die Besucher kommen von überall her, mit oder ohne künstlerischen Hintergrund, denn in St. Agnes kann man auch im Galerie-Shop, ähnlich wie denen in Museen, bereits fündig werden.
"Eine Kirche hätten wir in München auch gern gehabt, hat aber nicht geklappt", erzählt Johann König ntv.de. Dafür etwas anderes: das Bergson Kunstkraftwerk. "Die Architektur ist spektakulär", findet König. "Und nach der Einweihung der Silos und des 25 Meter hohen Atriums erweitern wir unsere Galerie nun um zusätzliche 1600 Quadratmeter. Diese Größe ermöglicht mehrere Ausstellungen gleichzeitig. Das bedeutet, mehr Bühne für mehr Künstlerinnen und Künstler. Dadurch können wir noch mehr Kunst vermitteln und auch zum Kauf anbieten."
Schön und gut, aber braucht's das denn in München? Machen Sie sich ein eigenes Bild: Am 12. Juli eröffnet das Bergson Kunstkraftwerk seine Tore mit einer Gruppenausstellung. Unter dem Namen "König Bergson" und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der König Galerie stehen an die 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung. Zu sehen ist jetzt, wie die Kunstschaffenden sich im Rahmen der Gruppenausstellung "Metaphor to Metamorphosis" den Themen Identität und Transformation in ihren Werken nähern. "Die heutige Zeit ist von rapidem Wandel geprägt und wirft immer wieder die Frage nach Identität auf. Dieses Momentum, das wir in der jetzigen Gesellschaft beobachten, wollen wir mit dieser Ausstellung aufgreifen und die Metamorphosen durch die Augen der Künstlerinnen und Künstler betrachten," sagt König.
Leben 31.08.20 Zwischen Gott und Geschäftsmann Johann König über das, was ein Galerist ist
Neu und vertraut
In den ehemaligen Kohlesilos und im Atrium kann außerdem die Einzelausstellung "Every Moment is a New Moment" des Künstlers Jeppe Hein besichtigt werden. Kunstwerke, die zum Reflektieren und Innehalten anregen, verspiegelte Luftballons und weitere Werke erwarten die Besucherinnen und Besucher. Benedikt Müller, Director of Visual Arts & Academy im Bergson Kunstkraftwerk: "Allein der Titel der Ausstellung beschreibt das Gefühl, das wir jeden Tag beim Betreten des Bergson haben – alles fühlt sich vollkommen neu und zugleich vertraut an."
Im Jahr seines 100. Todestages ist auch diese Ausstellung von Franz Kafka inspiriert und setzt sich mit seinen Forschungen zu Identität und Transformation in einer sich ständig verändernden und bedrohlichen Welt auseinander. Gezeigt wird, auf welch unterschiedliche Arten und Weisen Identität gebildet werden kann. Identität wird als ein sich ständig wandelndes und instabiles Konstrukt vorgestellt, das von Kunstschaffenden seit jeher infrage gestellt wird. Kafkas Stil lässt sich schwer zuordnen, doch vielleicht ist es gerade diese Unberechenbarkeit und Unbegreiflichkeit, die sein Werk auch 100 Jahre nach seinem Tod so fesselnd macht.
Die Ausstellung sucht weder direkte Bezüge oder Interpretationen Kafkas, noch wird eine kunsthistorische Analyse angestrebt. Stattdessen ist die Ausstellung inspiriert von der Aura Kafkas Werks, dem Gefühl der unermüdlichen Suche, des Versuchs, die Welt zu verstehen, und einem Prozess, der oft mit einer gewissen Distanzierung und Entfremdung einhergeht.
Leben 15.09.19 Der Rattenfänger von Berlin Galerist Johann König mag's wild und anders
Gespenster, Liebesbrief, Mondmann
Auf vier Etagen werden Werke von fast 100 Künstlerinnen und Künstlern präsentiert. Die Ausstellung ist in vier thematische Bereiche nach Stockwerken gegliedert: In der ersten Ausstellungsebene geht es häufig um die Identität im Kontext nationaler und kulturhistorischer Grenzen. Die Werke von – unter anderen – Esra Gülmen und Bjarne Melgaard lenken die Aufmerksamkeit auf die geschlechtliche und sexuelle Identität. Während sich Gülmen aufgrund der politischen Situation in ihrer Heimat Türkei mit der Zensur auseinandersetzt, spiegeln Melgaards Werke seine persönlichen Erfahrungen wider. Hier wird versucht, die dargestellten Menschen zu begreifen und die anderen sowie sich selbst besser zu verstehen. Einige direktere Bezüge zu Kafka und seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Identität finden sich in den Arbeiten von FLATZ, David Černý und Volker März wieder.
Leben 16.12.20 Zwischen Hand und Hirn Karl Horst Hödicke, der schnellste Maler
In der zweiten Ebene werden Werke präsentiert, die durch ein bestimmtes Zeit- und Geschichtsgefühl miteinander verbunden sind. Die Arbeiten setzen sich mit dem Zeitkonzept und der Vergangenheitsbewältigung auseinander. Das Thema des historischen Traumas wird beispielsweise mit Werken von Karl Horst Hödicke, Anselm Kiefer und einem neuen Diptychon von Rainer Fetting fortgesetzt, das Gespenster bei der (Berliner) Mauer darstellt. Ein weiteres Beispiel für einen Künstler, der sich mit Schicksalen aus vergangenen Zeiten beschäftigt, ist Gian Maria Tosatti: Seine Installation beinhaltet einen echten Liebesbrief einer Frau aus dem frühen 20. Jahrhundert, die aufgrund ihrer Homosexualität in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde.
Panorama 18.03.24 To the Moon and Back Der einsame Astronaut in München
Geschlecht und Körper sind zentrale Themen der dritten Ausstellungsebene, während Metamorphose und Transformation des Materials die vierte Ausstellungsebene bestimmen: Hier werden historisch bedeutende Positionen von Isa Genzken, Lili Reynaud-Dewar oder Judith Hopf präsentiert. Die Ausstellung endet mit dem poetischen Bild des anonymen Astronauten von Nicole Giesa. In den vergangenen Jahren hat sie eine fotografische Serie entwickelt, die sich mit Entfremdung, Isolation und Einsamkeit beschäftigt. Ihr Astronaut scheint uns zu fragen: "Sind wir die Fremden, oder ist die Welt fremd?"
Diese Frage kann man sich ab dem 12. Juli in Münchens neuem "Place-to-be" für Kunst, Kultur, Kulinarik und Events beantworten. Nach Dependancen oder Pop-Arts in Mexiko-City, Wien, Tokio, Monaco oder Seoul zeigt die Galerie König nun in München, was in Berlin begonnen hat.
"Metaphor To Metamorphosis" ist bis zum 17. November am Bergson Kunstkraftwerk 2, (ehemals Rupert-Bodner-Str. 3-5), in 81245 München zu sehen.
Quelle: ntv.de