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Diest wird eingestellt: Mit der Telefonauskunft der Telekom endet eine Ära

November 30
18:26 2024

Panorama

Das Fräulein vom Amt war jahrzehntelang ein gängiger Begriff.

Das Fräulein vom Amt war jahrzehntelang ein gängiger Begriff.

An diesem Wochenende stellt einer der einst wichtigsten Dienste der Telekom den Betrieb ein: die Telefonauskunft. Zuletzt rufen immer weniger Menschen die 11833 an. Damit gehen hundert Jahre Geschichte der Auskunft zu Ende.

In den 1960er Jahren muss es gewesen sein. Da kam ein Bilderbuch für Kinder heraus. Es ging um den kleinen Heiner, oder Hans, oder wie die kleinen Jungen in den 60er-Jahre-Bilderbüchern so hießen. Der hat Langeweile. Also ruft er bei der Telefonauskunft an und fragt die nette Dame am anderen Ende, was er denn machen könne. Die erklärt ihm, wie er sich ganz klein machen und durch die Telefonleitung krabbeln könne. Das tut der kleine Heiner. Und dann besucht er die Polizei, das Krankenhaus, das Museum, alles, was man in so einer Telefonleitung eben besuchen kann. Und ganz am Ende schaut er natürlich auch bei der netten Dame von der Telefonauskunft vorbei.

Gäbe es heute noch Telefonleitungen wie einst und wollte der kleine Heiner nächste Woche die Telefonauskunft besuchen, würde er sich sehr wundern. Denn er stände in einem leeren Raum. An diesem Wochenende stellt die Auskunft der Telekom den Dienst ein. Zu wenig Anrufer, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens lapidar. Dabei gehörte die 118, die ehemalige Telefonnummer der Auskunft, neben der Zeitansage einmal zu den wichtigsten Diensten der Deutschen Bundespost, dem Vorgänger der Telekom.

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Seit 1889 kann man in Deutschland telefonieren. Die Gespräche wurden zunächst noch per Hand vermittelt, zunächst ausschließlich von Männern. Doch bald beschäftigte die Deutsche Reichspost überwiegend unverheiratete Frauen. "Fräulein" wurden sie damals genannt, und das "Fräulein vom Amt" wurde schnell ein beliebter Begriff im Volksmund. Frauen wurden vor allem eingesetzt, weil sie höflicher zu den Kunden waren als Männer und weil man sie bei den oft schlechten Telefonverbindungen besser verstehen konnte. Außerdem konnten sie schlechter bezahlt werden. Schon 1897 beschäftigte die Reichspost 4000 Fräulein, zehn Jahre später hatte sich ihre Zahl auf 16.000 erhöht. Eine wichtige Aufgabe der Beamtinnen war das Vermitteln von Telefongesprächen, eine Arbeit, die nicht nur Konzentration und Fremdsprachenkenntnisse erforderte. Die Reichspost suchte vor allem "Frauen mit guten Umgangsformen".

Das änderte sich, als die ersten elektromechanischen Vermittlungsstellen ihren Dienst aufnahmen. Plötzlich mussten die Anrufer selber wählen – und wissen, welche Telefonnummer sie zu wählen hatten. 1908 ging in Hildesheim die erste Vermittlungsstelle an den Start, bei der die Anrufer selbst die Telefonnummer wählen konnten. Der Beginn der Telefonauskunft ließ nicht lange auf sich warten.

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Das Telekom-Museum in Bochum

In den Anfangsjahren der Auskunft gab es nicht nur ganz besondere Arbeitsplätze, sondern auch eine spezielle Kleidung für das "Fräulein vom Amt". Die Postbeamtinnen mussten eine züchtige Frisur tragen und ganz in schwarz gekleidet sein. Natürlich nicht wegen der Kunden, sondern vor allem wegen der Posttechniker. Das waren ausschließlich Männer, und die sollten nicht auf dumme Gedanken kommen.

Das erzählt Gerhard Strelow. Der 70-Jährige ist Vorsitzender des Vereins Telekom-Historik in Bochum. 1995 schufen dessen Mitglieder ein Telefonmuseum, stilecht in einer ehemaligen Vermittlungsstelle. Knapp zwanzig Jahre später reichte die Fläche nicht mehr aus, neue Räume mussten her. Inzwischen können Besucherinnen und Besucher auf 300 Quadratmetern eine beachtliche Sammlung bestaunen. "Bei kostenlosem Eintritt werden die Besucher bei uns auf eine Zeitreise durch 160 Jahre Entwicklung der Nachrichtenübermittlung geführt – nicht nur als staunende Betrachter lebloser Exponate, sondern auch als Anwender", sagt Gerhard Strelow ntv.de. "Sie werden aufgefordert, die Nähe zu den Exponaten zu suchen, Telefonverbindungen aufzubauen oder mit Fernschreibern Texte zu versenden."

Ein Telefon aus dem Jahr 1900 aus Holz.

Ein Telefon aus dem Jahr 1900 aus Holz.

(Foto: Telefonmuseum Bochum)

Angefangen hatte alles mit einem Mitarbeiter des Fernmeldeamtes in Bochum. Der hatte Ende der 1980er Jahre begonnen, "Fernmeldeschrott" zu sammeln, also alles, was die Post und danach die Telekom nicht mehr benötigte, aber dennoch erhaltenswert schien. Seine Sammlung lieferte den Grundstein für das Telefonmuseum in Bochum.

"Wir haben im Moment sehr viel zu tun", so Strelow. Das Ende der Telekom-Auskunft sorgt dafür. Denn die 15 ehrenamtlichen Mitarbeiter haben einen alten Arbeitsplatz bei der Telefonauskunft hergerichtet, wie damals, als der kleine Heiner aus dem Bilderbuch die Auskunft besuchte.

Die moderne Auskunft

Dort arbeiteten die "Fräulein vom Amt" lange mit ganz gewöhnlichen Telefonbüchern, um die gewünschten Telefonnummern herauszusuchen, erzählt Strelow, der 41 Jahre lang als Techniker bei Bundespost und Telekom gearbeitet hat. "Mit Einführung der Städtefernwahl in den 1950er Jahren wurden in den Ortsauskunftsstellen auch Auskünfte aus den amtlichen Fernsprechbüchern der fernen Bereiche erteilt." Bis dahin mussten Ferngespräche in Ortschaften, die weiter weg lagen, noch vom "Fernamt" vermittelt werden. Seit 1950 hatte die Auskunft eine bundeseinheitliche Telefonnummer, die 118.

Ab 1958 verschwanden die Fernsprechbücher nach und nach. Sie wurden durch Mikrofilmkarten ersetzt. Auf eine Karte passten damals 136 Telefonbuchseiten, erzählt Gerhard Strelow. Für die Mitarbeiterinnen der Telefonauskunft war das eine enorme Erleichterung. Und trotzdem hatten sie alle Hände voll zu tun. 1960 nutzten durchschnittlich 575.000 Menschen den Service – pro Tag.

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In den 1980er Jahren wurde die Telefonauskunft auf EDV umgestellt, Bildschirmarbeitsplätze kamen. Später arbeiteten die Mitarbeiter der Auskunft mit PCs. Strelow: "Im Jahr 2001 habe ich mit Kollegen statt der Datensichtgeräte PCs an allen Auskunftsplätzen in Bochum eingerichtet." Und bei der Auskunft waren schon lange nicht mehr nur Frauen beschäftigt. Inzwischen arbeiteten auch Männer dort. Die schwarze Kleidung war auch schon lange abgeschafft.

Mitte der 1990er Jahre kamen mit der Liberalisierung des Telefonmarktes auch Mitbewerber der Telekom zum Zuge. Sie richteten eigene Auskunftsdienste ein. Um bekannt zu werden, schalteten sie auch Fernsehwerbung. "Da werden Sie geholfen", ließ sich zum Beispiel Verona Pooth vernehmen, und Daniela Katzenberger sang das Lied von der Auskunft "Mit zwei Nullen wie zwei Stullen." Auch die Telefonnummer der ältesten Auskunft hatte sich inzwischen geändert. 0 11 83 3 musste man inzwischen anrufen. Zu dieser Zeit gaben die ersten privaten Anbieter bundesweite Telefonbücher auf CD-ROM heraus. Um sie zu bedienen, brauchte man nur einen Computer. Mit dem Internet wurde "Das Örtliche", also das Telefonbuch, zur Konkurrenz für die verschiedenen Telefonauskünfte. Damit konnten sich die Nutzer nun die Telefonnummern selbst suchen.

Daniela Katzenberger in einer Werbung für eine Auskunft im Jahr 2011.

Daniela Katzenberger in einer Werbung für eine Auskunft im Jahr 2011.

(Foto: picture alliance / ZB)

Veraltet und trotzdem ein Verlust

Per Telefon versuchten vor allem Privatunternehmen, Kunden mit besonderen Angeboten zu ködern: Die Telekom und mehrere Mitbewerber boten an, die Kunden mit dem gewünschten Teilnehmer zu verbinden, andere Unternehmen boten spezielle Sonderpreise für sogenannte "Erwachsenendienste" an.

Die Auskunftsdienste der Telekom-Mitbewerber werden den Kunden auch weiter erhalten bleiben. Doch inzwischen übernehmen immer mehr Sprachassistenten wie Siri oder Alexa die Aufgaben des "Fräulein vom Amt". So werden nach der Telekom auch die Mitbewerber langsam aber sicher die Auskunftsdienste per Telefon abschalten. Das Internet übernimmt.

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Darum kritisiert zum Beispiel der Sozialverband VDK das Ende der Telekom-Auskunft. Viele ältere oder schwerbehinderte Menschen seien mit dem Internet überfordert, teilt der VDK mit. Zudem fehle oft das Geld für Computer, Smartphone oder Internetzugang. Deswegen hatte der VDK die Telekom zuletzt zum Erhalt ihrer Auskunft aufgefordert. Vergeblich. Schon heute wissen viele junge Menschen nicht, dass es so etwas wie die Telefonauskunft überhaupt gibt.

Um die Erinnerungen von einst wachzuhalten, gibt es Einrichtungen wie das Telefonmuseum in Bochum. Das könnte auch der kleine Heiner aus dem Bilderbuch heute besuchen. Auch, wenn aus dem kleinen Heiner inzwischen ein großer geworden ist, der nicht mehr durch die Telefonleitung passt.

Quelle: ntv.de

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