Dennis Schröder wird gerettet: Gewarntes Deutschland trifft auf plötzlich erwachten Riesen
Nach schwachem Start zu früher Stunde präsentieren sich die deutschen Basketballer wie eine echte Spitzenmannschaft und erreichen mühelos das olympische Halbfinale. Dort geht es erneut gegen Gastgeber Frankreich, das Mitfavorit Kanada ausschaltet.
Es war nicht die Anfangsphase der deutschen Basketballer am Dienstagvormittag in Paris. "So früh am zu spielen ist echt hart", sagte Anführer Dennis Schröder nach dem glanzlosen, aber am Ende nie gefährdeten 76:63-Sieg gegen Griechenland. "Wir lagen mit zwölf hinten, aber das Spiel ist lang. Wir haben uns gesagt: 40 Minuten." Trotz frühem 12-Punkte-Rückstand und einem zunächst dominanten Superstar Giannis Antetokounmpo bissen sich die Weltmeister zurück ins Spiel, glichen zur Halbzeit aus und offenbarten mit zunehmender Spieldauer jene Extraklasse, die sie zur größten Gefahr für die "Gold-Mission" der US-Boys bei Olympia macht.
Das Erreichen des ersten olympischen Halbfinals in der Geschichte des deutschen Basketballs hat für das Team von Bundestrainer Gordon Herbert dann auch gleich zwei Chancen ermöglicht, eine dritte Medaille beim dritten internationalen Turnier in drei Jahren abzuräumen. Das war einst die ambitionierte und zunächst belächelte Ambition des kanadischen Übungsleiters gewesen, die jetzt kurz vor ihrer glorreichen Vollendung steht.
Im Stile einer absoluten Top-Mannschaft
Auch ohne ihren Kapitän in Top-Form schaffte es die deutsche Mannschaft, ihre Tiefe, Ausgeglichenheit und Variabilität auszuspielen "Ich hatte es die ganze Partie über schwer", sagte Schröder, der auf 13 Punkte und acht Assists kam. "Aber das Team hat uns getragen. Franz (Anmerk. d. Red.: NBA-Profi Franz Wagner) war super. Und alle, die von der Bank kamen, waren stark. Shoutout an all meine Mitspieler, die von der Bank Energie gebracht und so heute den Sieg ermöglicht haben."
Schon früh stellte Herbert seine Defensive um, verbarrikadierte die Zone und zog damit nicht nur Antetokounmpo (acht frühe Punkte, 22 insgesamt) den Zahn, sondern zwang die aus der Distanz schwachen Griechen mehr und mehr zu Sprungwürfen, die vermehrt daneben gingen. Gleichzeitig sorgte er mit der Einwechslung von Johannes Thiemann (10 Punkte), Isaac Bonga (9), Moritz Wagner (8) und Nick Weiler-Babb (5) für die Wende im Spiel.
"Als der Coach hier anfing, hat er von uns allen verlangt, dass wir die Rollen akzeptieren, die er für uns hat", erklärte Matchwinner Thiemann nach der Partie. "Dass wir das Team zusammengehalten haben, ist riesig für uns. Wir kennen unsere Rolle, kennen uns in- und auswendig, und spielen zusammen. Jeder weiß, dass Dennis und Franz die Top-Spieler sind, und jeder akzeptiert das. Aber wenn du aufgerufen wirst, kann hier jeder seinen Teil beitragen, und das ist der Schlüssel für uns."
"Die erste Fünf gibt den Ton an, aber unser Job von der Bank ist es, Energie zu bringen, die Drecksarbeit zu machen und die 50/50 Bälle zu gewinnen", sagt Weiler-Babb, dessen aggressive Verteidigungsarbeit im Halbfeld half, die ohnehin recht eindimensionale griechische Attacke fast vollständig zu ersticken und Deutschland nach der Pause auf die Siegerstraße zu bringen. Topscorer Franz Wagner übernahm mit insgesamt 18 Punkten und sieben seiner acht erfolgreichen Treffer aus dem Zonenbereich.
Wieder Frankreich, aber andere Vorzeichen
Der Cheftrainer zeigte sich zufrieden: "Eine unserer großen Stärken ist, dass wir zwölf Spieler haben, die ich einsetzen kann. Die anderen haben heute abgeliefert. Unsere zweite Garde kam rein und hat einen super Job gemacht. Unsere Intensität und unsere Energie wurden sofort besser. Sie haben den Ton angegeben und wir haben nach der Pause viel besser gespielt."
Im ersten Halbfinale am kommenden Donnerstag (ab 17.30 Uhr) geht es für Deutschland erneut gegen Gastgeber Frankreich. Die "Equipe Tricolore" schaltete völlig überraschend die hochfavorisierten und bis dato ungeschlagenen Kanadier aus. Ein 82:73-Sieg vor heimischem Publikum veränderte nicht nur den kollektiven Blick auf das Team von Vincent Collet, sondern hat Erinnerungen wachgerufen an ehemalige Turniere. Auch da enttäuschten die Franzosen zunächst mit schwachen Vorrunden, ehe sie in den K.-o.-Phasen zu beinahe unschlagbaren Schwergewichten mutierten – so etwa bei der EuroBasket 2022, als sie es bis ins Finale schafften.
Nach der 85:71-Vorrundenpleite gegen Deutschland vergangenen Freitag lagen die Nerven blank. Evan Fournier hetzte gegen Collet und dessen Spielstil, der Trainer verbannte seinen Veteranen gegen Kanada prompt auf die Ersatzbank, ebenso wie Rudy Gobert, den vierfachen Abwehrspieler des Jahres in der NBA. "Ich wollte klein spielen und mit einer defensiven ersten Fünf beginnen", verteidigte der Coach seine Nominierung von Isaia Cordinier und Guershon Yabusele in die erste Fünf. Ein Geniestreich, wie sich herausstellen sollte, denn Yabusele (22 Punkte) und Cordinier (20) avancierten zu Matchwinnern für Frankreich.
Irrer Dreier sorgt für Tollhaus
Fournier machte den Sieg mit zwölf seiner 15 Zähler in den letzten vier Spielminuten klar, darunter ein irrer Dreier von der Mittellinie, der die Paris Bercy Arena in ein Tollhaus verwandelte. Genau wie Deutschland profitierten auch "Les Bleus" von ihren Rollenspielern. Superstar Wembanyama erzielte nur sieben Punkte, Gobert, Nic Batum und Nando DeColo blieben ohne einen einzigen Zähler. Gobert und Collet sorgten nach dem Spiel für ein weiteres Rätsel, als der Center der Presse erzählte, er hätte sich am Finger operieren lassen müssen – was sein Coach prompt dementierte. Ob und wie viel Gobert gegen Deutschland eingesetzt werden kann, ist fraglich.
Was jedoch feststeht, ist, dass die reanimierten Gastgeber im Rematch weitaus gefährlicher auftreten dürften als noch vor einer Woche. "Frankreich hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet", sagte Herbert am Dienstagabend. "Sie haben super geantwortet, haben Heimvorteil, und haben heute einen Traumstart erwischt. Das ist mit der großartigen Atmosphäre dann natürlich schwer für den Gegner. Wir treffen zum vierten Mal im letzten Monat aufeinander und kennen uns natürlich sehr gut. Ich erwarte ein viel engeres Spiel als beim letzten Mal."
USA müssen erneut gegen Serbien ran
Für das kompetitive Highlight des Tages sorgte die serbische Mannschaft von Svetislav Pešić, die das größte Comeback in der Olympia-Geschichte schaffte und Australien mit 95:90 nach Verlängerung besiegte. Ein zeitloser Patty Mills hatte die Serben mit 26 Punkten nicht nur zur Verzweiflung getrieben, sondern mit einem Wurf in letzter Sekunde auch die Overtime ermöglicht. Dort setzten sich die Serben durch – und gewannen als erstes Team ein K.-o.-Spiel, in dem eine Mannschaft zur Pause mit mindestens zwölf Punkten in Rückstand gelegen hat.
Der Turnaround für Serbien kam, als Coach Svetislav Pešić Mitte des zweiten Spielabschnitts eine Auszeit nahm und seinem Team bei 24 Punkten Rückstand einen Einlauf verpasste. Seine harten Worte zeigten Wirkung und weckten sein Team auf. Sechs Spieler punkteten zweistellig, angeführt von Superstar und NBA-MVP Nikola Jokić, der spät, aber zur rechten Zeit, die Zügel übernahm und sein Team mit 21 Punkten, 14 Rebounds und acht Assists zum Sieg powerte. Die Verlängerung trug fast ausschließlich die Signatur des "Joker".
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Der Rest ist schnell erzählt: Die USA spazierten im vierten und letzten Viertelfinale zu einem nie gefährdeten Blowout-Sieg gegen Brasilien, das in allen Belangen überfordert war. Coach Steve Kerr setzte auf seine erste Fünf aus LeBron James, Steph Curry, Devin Booker, Jrue Holiday und Joel Embiid. Die Starter erzielten 46 der 63 US-Punkte vor der Pause. Ein früher 14:2 Lauf und ein weiterer 15:0 Run zum Ende der ersten Hälfte waren bereits die Entscheidung im Spiel. Kevin Durant (elf Punkte für insgesamt 494) überholte Lisa Leslie und avancierte zum besten Scorer in der Geschichte des US-Basketballs, Männer und Frauen. Devin Booker war Topscorer mit 18 Zählern, Anthony Edwards erzielte 17 Punkte, LeBron James steuerte 12 Punkte und 9 Assists bei.
Die USA stehen jetzt bei einer 34:1 Bilanz seit 2004 und sind nur noch zwei Siege von ihrer fünften olympischen Goldmedaille in Folge entfernt. Es wird das dritte Aufeinandertreffen mit Serbien im vergangenen Monat. Sowohl das Testspiel in Abu Dhabi (105:79) als auch das Auftaktspiel in Gruppe C (110:84) konnten die Amerikaner klar für sich entscheiden.
Quelle: ntv.de