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Corona-App: Die dunkle Seite der Wunderwaffe

April 24
19:27 2020

Deutschland und Europa hoffen im Kampf gegen die Pandemie auf eine Handy-App. Doch Kritiker warnen vor einer "Architektur der Unterdrückung".

Von Patrick Beuth, Laura Höflinger, Martin Knobbe, Alexandra Rojkov, Marcel Rosenbach und Jörg Schindler

Die Nachricht ging in Form eines offenen Briefes um die Welt. Es war am Montag, als sich rund 300 internationale Wissenschaftler in besorgtem Tonfall zu Wort meldeten.

Es sei unbestritten, dass im Kampf gegen die Corona-Pandemie neue Instrumente ausprobiert werden müssten. Und wahrscheinlich seien massenhaft eingesetzte Smartphone-Apps zum Aufspüren von Infizierten hilfreich, damit der globale Hausarrest endlich aufgehoben werden könne, schrieben die Absender.

Was in zahllosen Tech-Laboren aber gerade entworfen werde, sei womöglich keine Lösung, sondern ein Problem: Im schlimmsten Fall gebe es in Kürze Systeme, "die die beispiellose Überwachung der gesamten Gesellschaft ermöglichen".

Weil zu den Unterzeichnern des Briefes etliche kluge Köpfe gehören, die an einer europaweiten Corona-App mittüfteln, wird sich die technologische Bekämpfung der Pandemie nun verzögern. Der Traum von der technischen Lösung, die Menschenleben rettet und zugleich private Daten schützt, ist an diesem Montag vorerst geplatzt. Als Retter in der Not bieten sich ausgerechnet zwei Tech-Giganten an: Google und Apple.

Der Aufschrei der Wissenschaftler hat sein Gutes: Endlich beginnt eine Debatte darüber, wie viel Freiheit die Gesundheit des Einzelnen kosten darf. Sie wird auch im Datenschutzmusterland Deutschland mit Verve geführt, wo sich merkwürdige Allianzen bilden. Glühende Bürgerrechtler reden plötzlich Eingriffen in die Privatsphäre das Wort; Technologiejünger warnen vor Big Brother.

Mittendrin irrlichtert eine Bundesregierung, die eine funktionstüchtige und sichere App ursprünglich für die Tage nach Ostern in Aussicht gestellt hat und jetzt selbst unsicher ist, welchen Weg sie gehen will. Kanzleramt, Gesundheitsministerium und das Innenministerium samt seiner Sicherheitsbehörden haben sich über diverse Fragen zerstritten. Am Mittwoch schaltete sich Kanzlerin Angela Merkel ein und bat alle Beteiligten zu einem Gespräch.

Die Regierung ist damit drauf und dran, die wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren einer digitalen Lösung zu verspielen: das Vertrauen ihrer Bürger.

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