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Elektrische Motorroller: Das Verkehrsmittel der Stunde

June 03
01:17 2020
Leise, sauber, platzsparend: Elektrische Motorroller wären das Verkehrsmittel der Stunde, fristen bisher jedoch ein Nischendasein Icon: vergrößern

Leise, sauber, platzsparend: Elektrische Motorroller wären das Verkehrsmittel der Stunde, fristen bisher jedoch ein Nischendasein

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In der Coronakrise erlebt der Individualverkehr ein unerwartetes Comeback. Weil der ÖPNV als Ansteckungsherd gilt, benutzen die Menschen vor allem in Ballungsgebieten nun wieder verstärkt andere Verkehrsmittel. Das Fahrrad erlebt eine neue Blüte – und das Auto.

Sechs Prozent der Haushalte ohne Pkw denken laut einer DLR-Umfrage über die Anschaffung eines Autos nach – besonders junge Städter können sich inzwischen wieder für diese Form der Fortbewegung erwärmen. Für die staugeplagten Städte ist das ein Problem. Verkehrsraum ist bereits heute knapp, gleichzeitig fallen vielerorts immer mehr Parkplätze weg. Die Verkehrswende könnte durch diesen Trend einen massiven Rückschlag erleiden.

Elektrische Motorroller als idealer Autoersatz

Die seit Wochen von der Politik diskutierte, mögliche Kaufprämie für Neuwagen wäre deshalb ein verkehrspolitischer Rohrkrepierer. Dabei gibt es ein Transportmittel, das einerseits Individualverkehr ermöglicht und gleichzeitig die Verkehrswende nicht gefährdet: elektrische Motorroller.

Mindestabstände einzuhalten ist auf ihnen kein Problem, sie brauchen beim Fahren und Parken aber nur einen Bruchteil des Platzes und der Energie eines Autos. Im urbanen Raum sind sie deshalb ein ideales Pendlerfahrzeug. "Gemessen an Transportleistung und Größe, ist der Motorroller das absolute Optimum", sagt Mobilitätsforscher Andreas Knie. Auch der ADAC sieht die Roller deshalb als ideales Fahrzeug für Strecken in Großstädten und deren Umland, die für das Rad oder den E-Scooter zu weit wären.

Trotz steigender Nachfrage ein Nischenprodukt

So verwundert es nicht, dass die Nachfrage nach den Elektrofahrzeugen steigt. Bei Evectro, einem Händler für E-Roller verschiedener Marken, ist ein klarer Aufschwung erkennbar, erklärt Vertriebsleiter Swen Schilling. "Wir verkaufen seit Beginn der Coronakrise deutlich mehr E-Motorroller und haben zusätzlich spezielle Mietmodelle für Gastronomen und Hotels im Angebot, die extrem gut angenommen wurden." Auch die Hersteller Kumpan und Unu erklärten auf Nachfrage, derzeit eine verstärkte Nachfrage zu verzeichnen.

Trotz der vielen Vorteile steht der echte Durchbruch allerdings noch aus. "Die Verkaufszahlen elektrischer Motorroller steigen langsam, aber stetig um rund 20 Prozent pro Jahr – allerdings mit einem niedrigen Ausgangsniveau", sagt Mobilitätsforscher Knie.

Problem Nummer eins: Fehlende Ganzjahresfahrer und schlechtes Wetter

Das liegt auch am Wetter in Deutschland. Zwar lassen sich auch Motorroller mit Windschildern, speziellen Beindecken und wetterfester Kleidung theoretisch zum Ganzjahresmobil machen. In der Praxis sind Roller aber vor allem in Ländern mit milderen Wintern verbreitet, wie beispielsweise in Italien.

Dabei ist eine Nutzung im Winter auch hierzulande erreichbar – das zeigt ein Blick aufs Fahrrad: Dort hat sich die Anzahl der Ganzjahresnutzer im Winter 2018/19 Knie zufolge verdoppelt, dies müsse auch beim Roller gelingen. "Erst wenn der Roller auch diesen Schritt schafft, ist er ein etabliertes Verkehrsmittel", glaubt Knie.

Problem Nummer zwei: 45 km/h reichen nicht mal im Stadtverkehr aus

Abgesehen vom Wetter gibt es politische Hürden auf dem Weg zum Massenmobil. "Das größte Problem ist die Beschränkung der kleinsten Rollerklasse auf eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h", sagt Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands Elektromobilität (BEM).

Dadurch werden die kleinen, besonders günstigen Roller, die man auch mit dem Autoführerschein fahren darf, sogar in der Stadt zum Verkehrshindernis. "Damit die Roller massentauglich werden, müsse man diesen Wert auf 60 km/h erhöhen", so Sigl. "Diese Änderung wird vom Verkehrsministerium und der Autoindustrie aber mit allen Mitteln blockiert."

Sigl sagt, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer habe ihm bereits 2018 in einem Gespräch versichert, das Thema anzugehen. Passiert sei seitdem jedoch nichts. "Das Ministerium ist zu stark aufs Auto fokussiert. Erlaubt ist nur, was das Auto als Verkehrsmittel nicht gefährdet." Schnellere Motorroller, die keinen eigenen Führerschein erfordern, könnten bei vielen Menschen den Wunsch nach einem Pkw ablösen, glaubt Sigl.

Aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es dagegen auf Anfrage, dass Vorgaben der EU umgesetzt werden müssten, Abweichungen von europarechtlichen Vorschriften seien nicht möglich. Man habe jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit, da der für die Roller nötige Führerschein der Klasse AM bereits ab 15 Jahren erworben werden könne.

Dass die Roller aber auch mit 45 km/h Höchstgeschwindigkeit gefragt sind, zeigen die Sharing-Dienste, die es für diese Fahrzeuge inzwischen gibt. "In Hamburg oder Berlin kriegt man derzeit kaum einen freien Sharingroller", sagt Mobilitätsforscher Knie. "Das zeigt, dass das Modell funktioniert."

Problem Nummer drei: Hohe Einstiegspreise in die Elektro-Welt

Das wohl größte Problem der Fahrzeuge ist ihr Preis. Die E-Roller sind in der Anschaffung vergleichsweise teuer, solide Modelle mit Motoren von Bosch kosten ab 2500 Euro aufwärts, Premiummodelle wie die Vespa Elettrica oder die E-Schwalbe knapp dreimal so viel. Gerade für junge Menschen ist das viel Geld.

Dabei ist ein elektrischer Roller im Betrieb unschlagbar günstig, da die mechanische Komplexität im Vergleich zu einem Roller mit Verbrennungsmotor viel niedriger ist. Laut ADAC liegen die Wartungskosten entsprechend um bis zu zwei Drittel unter denen eines Benzin-Rollers.

Auch die laufenden Kosten sind gering. In einem ADAC-Test verschiedener Roller lag der Stromverbrauch zwischen 3,4 und 5,8 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Geht man von einem mittleren Verbrauch von 4,5 Kilowattstunden und dem durchschnittlichen Strompreis von 30,85 Cent pro Kilowattstunde für Haushalte aus, kosten 100 Kilometer Fahrt gerade einmal 1,40 Euro.

Ein gleichwertiger Verbrenner wie die Vespa Primavera 50 verbraucht auf 100 Kilometer dagegen 2,9 Liter Benzin, bei einem Spritpreis von 1,20 Euro pro Liter kosten 100 Kilometer somit 3,48 Euro – und damit mehr als das Doppelte.

Das größte Problem ist also der Anschaffungspreis. "Eine Förderung wäre deshalb absolut richtig", sagt BEM-Präsident Sigl und verweist auf einen Vorreiter: "In München unterstützt die Stadt den Kauf eines E-Motorrollers mit bis zu 1000 Euro. So eine Kaufprämie muss in allen deutschen Großstädten verpflichtend eingeführt werden."

München fördert den Rollerkauf

Die Förderung ist bisher jedoch offenbar ein Einzelfall. Der Deutsche Städtetag, die wichtigste kommunale Interessenvertretung, erklärte auf Anfrage, ihm seien derzeit keine ähnlichen Förderprogramme bekannt.

Dabei hat das Modell Münchens beinahe Vorbildcharakter. Denn wer dort sein Altfahrzeug verschrotten lässt oder das neue mit Ökostrom lädt, bekommt sogar noch weitere Zuschüsse.

Ein Beispiel: Wer einen E-Roller für 2500 Euro kauft, hat nach diesem Modell Anspruch auf bis zu 1000 Euro Prämie. Die Förderung darf jedoch 25 Prozent des Nettopreises – das wären hier 2100,84 Euro – nicht überschreiten. Man bekommt also 525,21 Euro Zuschuss. Wer den neuen Roller nun nachweislich mit Ökostrom lädt, bekommt einen weiteren Bonus von 200 Euro. Wird zusätzlich ein Verbrenner-Pkw abgewrackt, erhält man weitere 1000 Euro Bonus, bei einem Verbrenner-Roller 500 Euro. Aus einem Preis von 2500 Euro werden so im Optimalfall 774,79 Euro.

Von einer flächendeckenden Prämie zur Förderung des sinnvollsten Individualverkehrsmittels in der Coronakrise muss man vermutlich noch lange träumen. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte zur Möglichkeit bundesweiter Rollerkaufprämien keine Auskunft geben und verwies auf die laufenden Verhandlungen für ein Konjunkturprogramm.

Icon: Der Spiegel

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