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“Wie die Hölle”: Nordkoreanischer Ex-Diplomat schildert dramatische Flucht

August 05
04:26 2024

Politik

Ri ist der ranghöchste der in den vergangenen Jahren geflohenen Nordkoreaner.

Ri ist der ranghöchste der in den vergangenen Jahren geflohenen Nordkoreaner.

Seit den späten 1990er-Jahren fliehen Zehntausende aus Nordkorea in den Süden. Auch der Diplomat Ri Il Gyu geht das Wagnis ein. Von Kuba aus reist er mit seiner Familie in den demokratischen Teil der Halbinsel – trotz der Angst vor einer Inhaftierung in einem Straflager sollte sein Überlaufen auffliegen.

Als sich Ri Il Gyu, Nordkoreas zweithöchster Diplomat in Kuba, schließlich zur Flucht nach Südkorea entschlossen hatte, traf er alle Vorbereitungen allein. Ungefähr eine Woche später wies er seine Familie an, sich bereitzuhalten, Kuba in weniger als acht Stunden zu verlassen. Seine Frau habe ihm zuerst gesagt, dass er nicht "so einen schrecklichen Witz" machen solle. "Also habe ich ihr unsere Flugtickets gezeigt, und sie war sprachlos", schilderte Ri. "Ich habe meinen Kids gesagt, dass es keine Zukunft oder Hoffnung in Nordkorea gibt."

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Seine Familie folgte ihm im Morgengrauen des nächsten Tages zu einem Flughafen in Havanna, um von dort aus zunächst in ein Drittland und dann nach Südkorea zu reisen. Es war einer der aufsehenerregendsten und dramatischsten Fälle von Flucht eines Nordkoreaners in der jüngeren Vergangenheit.

Wie Ri erzählt, warteten er und seine Familie auf dem Flughafen in Havanna eine Stunde lang auf ihr Flugzeug – eine Zeit, die sich "wie die Hölle" anfühlte. Er sorgte sich, dass das Botschaftspersonal herausfinden könnte, dass er dabei war, das Land zu verlassen und schaute ungefähr 100 Mal auf seine Armbanduhr, bis er und seine Familie schließlich sicher an Bord waren. Wären sie erwischt worden, so Ri, hätten sie vor einer Zukunft gestanden, die schlimmer als der Tod gewesen wäre: Gefangenschaft in einem Lager, in dem Leute nach seiner Schilderung Insekten essen müssen, um zu überleben.

Flucht aus Kuba

Dass sich Ri, ein früherer politischer Berater in der nordkoreanischen Botschaft in Kuba, nach Südkorea abgesetzt hat, wurde erst im Juli publik gemacht. Und es hat wahrscheinlich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erzürnt, weil es andere Diplomaten ermutigen könnte, dem Beispiel zu folgen – was seine Kontrolle über die Eliten im Land schwächen würde, wie Beobachter sagen. Ri zufolge umfasst die nordkoreanische Botschaft in Kuba etwa 20 Diplomaten, was sie zur drittgrößten Vertretung Pjöngjangs im Ausland macht – nach den Missionen in China und Russland. Der 52-jährige Ri ist der ranghöchste Nordkoreaner, der nach Südkorea rübermachte, seit Tae Yong Ho, vormals Vizebotschafter in London, 2016 auf die andere Seite überlief.

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Die Kunde von Ris Flucht kommt zu einer Zeit, in der die Spannungen zwischen den beiden Koreas so hoch sind wie seit Jahren nicht mehr. Nordkorea hat Ballons voller Müll in Richtung Südkorea fliegen lassen und seine provokativen Raketentests fortgesetzt, Südkorea antwortete mit der Wiederaufnahme der Propaganda-Beschallung mit Botschaften und K-Popsongs im Grenzgebiet.

"Das Kim-Jong-Un-Regime wird wahrscheinlich in sehr schlechter Stimmung sein, wenn sie mich öffentlich in Medieninterviews so sprechen hört", sagte Ri. "Sie denken vielleicht, dass es in ihrem Interesse liegt, eine Person wie mich zu eliminieren. Aber ich werde mir nicht so viele Sorgen darüber machen, denn die südkoreanische Regierung hat es zu einer Priorität gemacht, mich zu beschützen."

In Südkorea in Schutzprogramm

Ri befindet sich neun Monate nach seiner Ankunft in Südkorea unter einem Schutzprogramm der Regierung. Nordkorea wird eine lange Geschichte von Attentaten oder Mordversuchen an hochrangigen Überläufern nachgesagt. Kim könnte sich auch persönlich an Ri erinnern: Der Ex-Diplomat sagt, dass er ihn 2018 oft mit anderen Funktionären während Vorbereitungen auf den Empfang von kubanischen Spitzenvertretern getroffen und Kim ihm manchmal Fragen gestellt habe. Ri zufolge hat Kim bei jedem Treffen ständig geraucht und war kurzatmig "wie ein asthmatischer Patient".

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Ri hat nach eigenen Angabe lange über eine Flucht aus Nordkorea nachgedacht, er nennt das Land "eine Welt von Dunkelheit" und "eine Republik von Korruption". Sein Monatsgehalt betrug umgerechnet etwa 460 Euro. Daher sah er sich nach eigenem Bekunden gezwungen, kubanische Zigarren in seinem Diplomatengepäck nach China zu schmuggeln, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ri zufolge sind auch nordkoreanische Diplomaten in anderen Ländern in Schmuggel involviert, von Elfenbein über Nashorn-Hörner bis hin zu Whiskey und Autos.

Entscheidend für sein Überlaufen wirkte sich am Ende aus, dass das nordkoreanische Außenministerium es ihm nicht erlaubte, zur Behandlung eines Bandscheibenvorfalls nach Mexiko zu reisen. Er vermutet, dass die Ablehnung auf das Konto seines Chefs in Pjöngjang geht, nachdem er – Ri – zuvor dessen Forderung nach einem Schmiergeld zurückgewiesen hatte.

Zehntausende fliehen aus Nordkorea

Ris Flucht erfolgte, bevor Kuba im Februar diplomatische Beziehungen zu Südkorea aufnahm. Da es damals keine Botschaft Seouls in Havanna gab, konnte Ri nach eigenen Angaben nicht so viel Unterstützung von südkoreanischen Diplomaten erhalten wie nordkoreanische Überläufer anderswo. Südkoreanische Beamte waren schließlich in Ris Flucht eingebunden, aber er und auch die Regierung in Seoul wollten keine Einzelheiten nennen, um etwaige künftige Fluchtvorhaben anderer Nordkoreaner nicht zu gefährden.

Ri ist sich noch nicht sicher, was er in Südkorea tun wird, aber es hat ihn ermutigt, dass sich andere Nordkoreaner im Süden erfolgreich eingelebt haben. Tae, der ehemalige Vizebotschafter in London, wurde dort sogar ins Parlament gewählt, bevor er im Juli einen Job auf Vizeminister-Ebene erhielt. Ri sagt, dass er Taes Memoiren ungefähr zehnmal gelesen habe.

Seit den späten 1990ern haben sich etwa 34.000 Nordkoreaner in Südkorea angesiedelt, um Armut und politischer Unterdrückung zu entkommen. Der südkoreanischen Regierung zufolge sind 2023 rund zehn Nordkoreaner eingetroffen, die zur Elite gezählt wurden – die höchste Zahl seit Jahren. Er könne nicht garantieren, dass seine Flucht mehr nordkoreanische Diplomaten zu ähnlichen Schritten veranlassen werde, sagt Ri. "Aber ich denke, dass mein Überlaufen ihnen gewiss etwas Mut macht, es zu tun."

Quelle: ntv.de, Hyung-Jin Kim, AP

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