Weil bei Lanz zur VW-Krise: Stellenkürzungen ja, Werkschließungen nein
Politik

Sehr ernst gemeinte Erwartung: Niedersachsens Ministerpräsident gibt den VW-Chef.
Der Autobauer VW steckt in einer Krise. Um sie zu lösen, will der Konzern Jobs abbauen und Standorte schließen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz lässt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nur die Stellenstreichungen gelten.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat sich gegen Schließungen von einzelnen VW-Standorten ausgesprochen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz sagt der SPD-Politiker am Abend: "Ich habe die sehr klare und sehr ernst gemeinte Erwartung, dass es bessere Alternativen gibt als Werkschließungen. Dort, wo eine Industrie einmal abzieht, kommt sie nicht wieder." VW habe eine schwierige Phase. Aber wenn die deutsche Autoindustrie und in diesem Fall VW alles richtig mache, werde man wieder bessere Zeiten erleben und bestimmte Kapazitäten benötigen. Weil: "Ich habe nicht das Ziel, dass wir die deutsche Autoindustrie prinzipiell über die Grenzen schicken."

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Einen Arbeitsplatzabbau bei VW und in der gesamten Autoindustrie schließt Weil jedoch nicht aus. "Wir sehen gerade in der gesamten Industrie, dass Prozesse zur Kostensenkung ablaufen. Wir werden Arbeitsplätze verlieren. In welcher Höhe, kann ich Ihnen aber nicht sagen." Das müsse jetzt Thema bei den laufenden Tarifverhandlungen zwischen VW, Betriebsrat und der IG Metall sein. Weil: "Ich hoffe, gehe stark davon aus und erwarte, dass wir bis Weihnachten eine Lösung haben."
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Der VW-Konzern hatte am Mittwoch Quartalszahlen veröffentlicht, die die gesamte Branche schockiert haben. Danach brach der Gewinn nach Steuern um 64 Prozent ein. Wirtschaftsredakteurin Julia Löhr von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gibt der Politik an der Krise eine Mitschuld. "Die Politik hat lange Zeit weggeschaut und versäumt, radikale Schritte mitzutragen", sagt die Journalistin bei Markus Lanz.
Weil kritisiert in diesem Zusammenhang die Ampelkoalition. "Man sieht, dass mit dem abrupten Stopp der Verkaufsförderung von E-Autos im vergangenen Jahr und mit den Weihnachtsbeschlüssen der Bundesregierung, die daran angeschlossen waren, sofort eine Reaktion beim Absatz stattgefunden hat. Der hat sich seitdem auch nicht erholt." Nun sei es an der Bundesregierung, erneute Verkaufsanreize für E-Autos zu schaffen. Das könnten zum Beispiel Steuerermäßigungen sein, sagt Weil.
Kritik an der Ampelkoalition

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"Ich schaue sehr differenziert auf die Geschichte", sagt Stephan Weil. Damit meint er die Ereignisse vom Dienstag: Ein Treffen von Bundeskanzler Scholz mit der Großindustrie, einen "Gegengipfel" von Finanzminister Christian Lindner mit Vertretern des Mittelstandes, wobei Fachminister Robert Habeck zu beiden Treffen nicht eingeladen wird. Auch wenn sich Scholz am 15. November erneut mit Vertretern der Großindustrie trifft, ist Habeck nicht erwünscht. Doch selbst wenn: Habeck hätte keine Zeit. An diesem Tag beginnt der Parteitag der Grünen, bei dem Habeck zum Kanzlerkandidaten der Partei gekürt werden soll. Als er sich während eines Regierungsbesuchs in Indien am vergangenen Wochenende dazu äußert, macht er keinen fröhlichen Eindruck. Er brauche keine Gipfel, sagt er, er träfe sich ständig mit Vertretern der Wirtschaft. Habeck, der auch Vizekanzler ist, vermeidet schließlich ein gemeinsames Pressestatement mit seinem Chef. Als Scholz vor die Presse tritt, sitzt Habeck bereits in der U-Bahn, um zum nächsten Termin zu fahren.
Dass sich der Kanzler mit Wirtschaftsvertretern getroffen hat, könne er verstehen, sagt Weil. "Dass dann der Bundesfinanzminister einen Gegengipfel publikumswirksam als Konkurrenz aufbaut, ist aber schon ein ziemlich dicker Hund. Das wirft sicherlich auch Fragen des regierungsinternen Umgangs miteinander auf. Er macht das, um zu zeigen, wie bedeutsam er ist, nehme ich an. Aber so kann man in einer solchen Situation der deutschen Wirtschaft nicht vorgehen. Das ist ein Umgang, der unter aller Kanone ist."
Der nächste Gipfel ist schon anberaumt

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Ob die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält, will Weil nicht sagen. "In der Politik schließe ich nichts aus", antwortet er auf die entsprechende Frage von Markus Lanz. "Aber ich wünsche mir, dass die Bundesregierung wieder voll aktionsfähig und dieses öffentliche Schauspiel endlich beendet wird, dass man sich sehr konzentriert den Problemen zuwendet, von denen wir ja reichlich haben, und dass man dann auch durchhält."
Optimisten werden glauben, Weil trifft mit seinem Appell auf offene Ohren. Realisten müssen zur Kenntnis nehmen, dass Finanzminister Lindner ein weiteres Wirtschaftstreffen angekündigt hat. Ohne den Kanzler. Und ohne den zuständigen Minister.
Quelle: ntv.de