“War komplett panisch”: Opfer von “Schwedens Fritzl” spricht über Zeit in Horror-Bunker
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Luftaufnahmen zeigen die Farm von Martin T. mit dem schallisolierten Bunker auf der linken Seite.
Im Herbst 2015 entführt der schwedische Arzt Martin T. eine junge Frau, um sie in einem abgelegenen Bunker als Sexsklavin festzuhalten. In einer neuen Dokumentation spricht das Opfer nun über die qualvolle Zeit in den Händen von "Schwedens Josef Fritzl".
Unter Drogen gesetzt, entführt und in einem Verlies im Wald eingesperrt: Was nach Szenen aus einem Horrorfilm klingt, wurde vor neun Jahren für Isabel Eriksson schreckliche Realität. Nun spricht die Schwedin erneut über ihre Erlebnisse.

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An einem Freitag im September 2015 traf sich Eriksson – ein Pseudonym, das sie mittlerweile zum Schutz ihrer wahren Identität verwendet – mit Martin T. in ihrer Stockholmer Wohnung. Eriksson jobbte damals als Escortdame; der Arzt: ein Freier. Er überraschte Eriksson mit Champagner und in Schokolade getauchten Erdbeeren. Was sie nicht wusste: Sie waren mit dem auch als "Vergewaltigungsdroge" bekannten Schlafmittel Rohypnol versetzt.
T. verfrachtete die von den K.o.-Tropfen bewusstlose Eriksson in einen Rollstuhl und fuhr sie anschließend mit einem Auto in das südschwedische Schonen, etwa 500 Kilometer von Stockholm entfernt. Dort sperrte er die junge Frau in ein Verlies auf einer abgelegenen Farm. Bei der Fahrt soll er sich und seinem Opfer Gummimasken mit den Gesichtern einer alten Frau und eines alten Mannes aufgesetzt haben. So wollte T. offenbar verhindern, erkannt zu werden.
Mit Kanüle im Arm aufgewacht
In der Doku-Serie "The Bunker" des skandinavischen Streaming-Anbieters Viaplay erzählt Eriksson, sie sei anschließend in einer schalldichten Zelle aufgewacht – mit einer Kanüle im Arm. Weil er plante, mit ihr "ungeschützten Sex" zu haben, nahm T. ihr Blut ab, das er in dem Krankenhaus, in dem er arbeitete, auf Geschlechtskrankheiten untersuchen ließ. Laut der "Daily Mail" soll er ihr auch Vaginalproben entnommen haben.

Dieses Polizeifoto zeigt die schalldichte Zelle, in der T. die Entführte tagelang gefangen hielt.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Er gab mir außerdem Antibabypillen, weil er nicht wollte, dass ich schwanger werde", berichtet die heute 47-Jährige. "Ich war komplett panisch und fühlte mich machtlos."
Das Versteck war etwa 60 Quadratmeter groß. Eriksson erzählte 2017 in einem TV-Interview, der Entführer sei stolz auf sein Bauwerk gewesen, weil er es ganz allein gebaut hatte. "Es war kalt und dreckig. Der Boden war aus Steinen, überall standen Zementsäcke." Der Raum war mit mehreren Tresortüren und elektronischen Schlössern verriegelt und mit Büchern, Hygieneartikeln, Medikamenten, Getränken und Kleidung ausgestattet. Offenbar hatte T. bereits 2010 mit den Bauarbeiten für das Versteck begonnen.
Er habe Eriksson zwar unmissverständlich klargemacht, dass er sie für viele Jahre in dem Bunker gefangen halten wolle. Doch nach sieben Tagen machte T. einen Fehler, der seinem Opfer zur Befreiung verhalf.
Fehler des Täters beendet Alptraum
Denn als der Entführer herausfand, dass sein Opfer als vermisst gemeldet und von der Polizei gesucht wurde, holte er Eriksson aus dem Versteck und brachte sie zu einer Polizeiwache nach Stockholm. Laut dem schwedischen Staatsanwalt Peter Claeson sollte sie "der Polizei erzählen, dass sie in Ordnung und kein Opfer eines Verbrechens geworden war". Doch der Plan ging schief.

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Weil die Geschichte einen der Beamten misstrauisch machte, nahm er die Frau zur Seite, um unter vier Augen mit ihr zu sprechen."Da hat sie ihm die wahre Geschichte erzählt." Dass ihr Alptraum damit endete, hat nach Überzeugung des Staatsanwalts möglicherweise andere Frauen vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt.
Entführte war "seine Traumfrau"
Im Februar 2016 wurde T. zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. "Grund für die lange Strafe ist, dass der Arzt die Tat minutiös und über lange Zeit geplant hat", teilte das Stockholmer Gericht mit. Außerdem musste er 180.000 Kronen (rund 19.000 Euro) Schadenersatz an Eriksson zahlen.

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Im Prozess begründete der Arzt seine Tat damit, dass er eine Freundin haben wollte. Die Entführte sei "seine Traumfrau" gewesen, erzählte die Verteidigerin des bei seinem Chef beliebten und angesehenen Mediziners. T. selbst gab in dem Prozess an, eine psychische Störung zu haben. Nach Einschätzung der Richter sei diese aber nicht groß genug für eine Strafmilderung gewesen.
Traumabewältigung mit OnlyFans
Um ihre Erlebnisse zu verarbeiten, startete Eriksson 2023 eine eigene OnlyFans-Seite, auf der User für zwölf Pfund (rund 14 Euro) Bilder der leicht bekleideten ehemaligen Escortdame zu sehen bekommen. In einem Interview mit der "Daily Mail" verriet sie vergangenes Jahr: "Das ist meine Art, mit dem Trauma umzugehen, mit dem ich auch nach all den Jahren immer noch zu kämpfen habe."
Sie sei schon immer kreativ gewesen und das Posieren für die Fotos sei ihre ganz eigene Methode der Stressbewältigung. "Ich bin auf keinem der Fotos völlig nackt, ich habe meine Unterwäsche an, sie sind keineswegs pornografisch", erklärte Eriksson und fügte hinzu: "Es sind wunderschöne, sinnliche Fotos, die meine künstlerische Leidenschaft widerspiegeln und die mir geholfen haben, mit meiner schweren PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) fertig zu werden.
Quelle: ntv.de, apr