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Schrankenlose Macht mit Militär: “Dann schlägt Trump brutal und massiv zurück”

November 07
21:45 2024

US-Wahl 2024

Eine iranische Zeitung bildete Donald Trump mit einer Atom-Rakete ab.

Eine iranische Zeitung bildete Donald Trump mit einer Atom-Rakete ab.

Donald Trump gewinnt die Wahl und die Regierung in Deutschland zerbricht zum ungünstigsten Zeitpunkt. US-Experte Thomas Greven vom John-F.-Kennedy-Institut in Berlin warnt, wie der kommende US-Präsident Europa vor noch chaotischere Herausforderungen stellt, AfD und Co. anheizt und einerseits die Ukraine fallen lassen – andererseits aber mit seinem Militär Unheil anrichten könnte.

ntv.de: Donald Trump wurde in den USA wiedergewählt und Deutschland und Europa müssten nun große demokratische, politische, wirtschaftliche und auch militärische Kraft aufbieten, um ein wichtiges Gegengewicht im internationalen Machtgefüge zu sein, aber die deutsche Regierung zerfällt gerade …

Thomas Greven: Schon vor dem Zerfall der Koalition standen wir uns in Deutschland selbst im Weg. Weil wir nicht in der Lage sind, die Mittel zu organisieren, um die Rolle anzunehmen, in die uns die Entwicklungen zwingen. Die wesentliche Blockade ist und bleibt die FDP, weil sie sich Steuererhöhungen und dem Aussetzen der Schuldenbremse verweigert. Es bedarf aber finanzieller Mittel, um die neuen Herausforderungen anzugehen, insbesondere in der Sicherheitspolitik. Wir können uns aus keiner Krise heraussparen, aus einer geopolitischen schon gar nicht.

Was bedeutet also das Ampel-Aus mit Blick auf die US-Wahl?

Sicherheitspolitisch und außenwirtschaftlich stehen Deutschland und Europa nun vor noch größeren Herausforderungen, denn Donald Trump steht für Unruhe, Disruption, Chaos und ständige Provokationen. Zudem gibt es starke Tendenzen hin zu mehr nationaler Souveränität und zu weniger Integration nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Und das in einer Zeit, in der es größere Einigkeit bräuchte. Ein Hoffnungsschimmer könnte sein, dass der Sieg von Donald Trump und das, was in seiner Außenpolitik wahrscheinlich passieren wird, die Europäer dazu zwingen, sich zu besinnen und stärker zusammenzuarbeiten. Ich bin da aber wenig optimistisch, wahrscheinlicher ist ein schleichender Zerfall.

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Wie wird Trump die westliche Welt in den nächsten vier Jahren prägen?

Trump wird erneut eine Galionsfigur für die Globale Rechte. Die Bewegungen, die als treibende Kräfte hinter Trump stehen, – die reaktionären Revolten der weißen Mehrheitsbevölkerungen, der traditionalistischen Christen und der Arbeiterklasse gegen das, was die Globale Rechte 'Globalismus' und 'Wokeismus' nennt, also gegen offene, moderne und pluralistische Gesellschaften – wirken auch in anderen Ländern. Er ist ein Vorbild, etwa auch für die AfD, weil es ihm schon zum zweiten Mal gelungen ist, auf diesem Ticket in der USA an die Macht zu kommen. Er wird möglicherweise die Ukraine fallen lassen, was auch erhebliche Auswirkungen auf Europa und Deutschland haben wird. Außerdem stellt er die Bündnisverpflichtung der USA im Rahmen NATO infrage. Zumindest wird er vehement einfordern, dass die Europäer sehr viel mehr für ihre eigene Sicherheit unternehmen.

Wird sich der kommende Präsident Trump aus den vielen Krisenherden auf der Welt heraushalten?

Trump hat früh erkannt, dass die USA kriegsmüde sind. Ein wichtiger Teil seines Erfolgs ist, dass er verspricht, die kriegsmüden US-Bürgerinnen und Bürger von den Kriegen auf der Erde fernzuhalten. Doch seine Haltung ist widersprüchlich: Denn sollten die USA angegriffen werden, dann würde Trump wohl brutal und massiv zurückschlagen. Der Einsatz des Militärs ist für ihn kein Tabu, durchaus auch im Inneren, wo er etwa gegen Demonstrationen gegen ihn mit dem Militär vorgehen könnte. Insgesamt will er ja die Exekutive stärken, um schrankenlos agieren zu können.

Trump behauptete im Wahlkampf großspurig, er würde als Präsident den Krieg in der Ukraine an einem Tag beenden.

Donald Trump hat keinen ausgefeilten Plan für die Ukraine, sondern will einfach die Unterstützung der Ukraine komplett oder weitgehend einstellen. Das kann nur bedeuten, dass man Russland sehr viel von dem zugesteht, was es haben will, um den Krieg zu beenden. Es gäbe also einen Diktat-Frieden über den Kopf der Ukraine hinweg. Ein Problem ist, dass niemand genau weiß, wofür Trump inhaltlich steht, außer, dass er immer seine eigenen Interessen schützen und seine eigene Bedeutung hochspielen will.

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Gilt das auch beim Thema Wirtschaft?

Auch hier kann man nicht genau sagen, wie viel beim Thema Zölle Getöse ist und wie viel auf einer Überzeugung basiert. Wirtschaftlich ist die Lage in den USA besser als die Stimmung und Präsident Joe Biden hat viele wichtige Initiativen auf den Weg gebracht. Aber zukünftig ist in der Außenwirtschaftspolitik unter Trump zu befürchten, dass die Zeiten einer regelbasierten und weitestgehend liberalen Weltwirtschaft vorbei sind und er noch stärker als in der ersten Amtszeit auf 'America First' setzt.

Inwiefern wird Trumps zweite Amtszeit anders als die erste?

Die zweite Amtszeit wird sehr viel drastischer werden. Trump ist diesmal gründlicher vorbereitet, wenn auch nicht in erster Linie bezogen auf politische Lösungen, sondern vor allem auf die unbeschränkte Machtausübung. In der ersten Amtszeit gab es noch die sogenannten 'adults in the room', also die Berater aus dem klassischen republikanischen Establishment, die Trumps schlimmste Impulse gebremst haben. Nun versammelt er für alle politischen Posten nur noch Ideologen, Loyalisten, Ja-Sager und Speichellecker um sich. Vor allem mit einer Kongressmehrheit wird Trump diesmal schrankenloser agieren und mehr durchsetzen können.

Die Macht-Gier hat Trump nie verheimlicht. Wonach haben in den USA so viele Menschen Sehnsucht, dass sie ihn weitere vier Jahre im Amt haben wollen?

Die erste Trump-Präsidentschaft ist im Rückblick verklärt worden. Man hat das Chaos vergessen, man hat das Missmanagement der Pandemie verdrängt. Für viele seiner Wählerinnen und Wähler erscheint Trumps erste Amtszeit in einem rosaroten Licht. Vor allem bezüglich der Inflation sind sie der Meinung, damals sei alles günstiger gewesen. Es liegt eine Sehnsucht nach einer Vergangenheit vor, die es so gar nicht gab.

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Trump steht vorgeblich auch für eine Authentizität, die vielen seiner Anhänger gefällt: Der redet wie wir, frei Schnauze, der verstellt sich nicht. Dabei fällt unter den Tisch, was genau er da sagt.

Sehnen sich viele US-Bürgerinnen und -Bürger nach persönlicher Sicherheit, weil ihre eigene Welt – zumindest gefühlt – immer unsicherer wird.

Trump verkörpert vier Bewegungen, die es in den USA seit Jahrzehnten gibt. Erstens: Er verleiht der Angst der weißen amerikanischen Bevölkerungsmehrheit, aufgrund der demografischen Entwicklung die politische Macht zu verlieren, ein Gesicht. Er hat sich während der Präsidentschaft Barack Obamas an die Spitze der Bewegung gegen dessen Multikulti-Koalition gesetzt.

Die zweite Bewegung ist die der traditionalistischen Christen, die Angst vor kulturellen Veränderungen haben, die sie als "Wokeness" verunglimpfen, insbesondere LGBTQ-Rechten und die Herabstufung der traditionellen Rollen von Männern und Familien. Hier wurde Trump zum Erfüllungsgehilfen, obwohl er diese Ängste mutmaßlich nicht teilt, weil er dieser Gruppe überhaupt nicht angehört. Drittens: Der selbsterklärte Milliardär Trump setzt sich auf eine merkwürdige Weise auch an die Spitze einer Art Revolte der Arbeiterklasse, womit in den USA gewöhnlich Menschen ohne College-Abschluss gemeint sind. Unter ihm ist die republikanische Partei trotz seines Elite-Status und seiner Politik für Reiche paradoxerweise zur Arbeiterpartei geworden, obwohl die Demokraten viel mehr für diese Gruppe tun.

Und last but not least?

Trump ist auch die Stimme von Männern, vornehmlich konservativ-christlichen und traditionalistischen Männern, die einen Statusverlust befürchten. Deshalb konnte er wohl auch bei Latinos und Afroamerikanern punkten, auch wenn er verbal heftig gegen diese Gruppen ausgeteilt hat. Er spielt sich auch ihnen gegenüber als Retter auf, der verspricht: 'Ich werde euch vor der Handelskonkurrenz aus Mexiko und China und vor den Immigranten beschützen, indem ich die USA mit Zöllen und Mauern umgebe.'

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Klingt irgendwie so verwunderlich und abschreckend wie bemerkenswert: Trump schaffte es, die Demokratie in nur neun Jahren so auszunutzen, dass er sie jetzt massiv untergraben kann.

Trump hat immer wieder Zweifel an den demokratischen Institutionen geweckt und ist bereit, diese Institutionen und Schutzmechanismen zu schwächen. Also den Rechtsstaat, die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien, eine lebendige Zivilgesellschaft, einen professionellen Beamtenapparat, der dem Gesetz verpflichtet ist und nicht der persönlichen Loyalität gegenüber dem Amtsinhaber. Diese Hindernisse sollen alle weggeräumt werden. Wie Orban in Ungarn sieht Trump sich dabei durchaus als Demokrat, weil er ja von der Mehrheit gewählt wurde und deshalb autorisiert ist, seine Vorstellung durchzusetzen und dafür auch hart durchzugreifen. Illiberale Demokratie nennt Orban das, man könnte aber auch sagen: hyper-majoritär. Es geht darum, der gewählten Mehrheit Durchschlagskraft zu verleihen und dafür die Schutzmechanismen für die unterlegene Minderheit aus dem Weg zu räumen.

Seine Gefolgschaft erinnert teilweise an eine Art Sekte.

Trump hat die republikanische Partei in einen Personenkult verwandelt. Es ist, wie Max Weber es genannt hat, eine 'charismatische Herrschaft'. Doch darin steckt eine enorme Widersprüchlichkeit, die schwer erklären ist. Wie in Europa und auch bei der AfD sehen wir einerseits eine enorme Widerständigkeit – ein Auflehnen gegen Verhältnisse und Entwicklungen, ein ständiges Infragestellen von Regierungen, Medien und Expertenmeinungen. Ein solcher kritischer Geist ist zunächst zu begrüßen. Aber auf der anderen Seite sind es genau dieselben Menschen, die völlig kritiklos einer objektiv absolut ungeeigneten Führungspersönlichkeit hinterherlaufen. Dessen Aussagen stellen sie überhaupt nicht infrage.

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Werden sie irgendwann aufwachen?

Die sich dabei vermischenden Interessen und Ängste, sei es um Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum, oder die hohen Preise, haben wir schon angesprochen. Aber Trump hat kaum konkrete politische Lösungen für diese Probleme vorgeschlagen und ändert zudem seine Positionen ständig. Doch das macht seinen Anhängern überhaupt nichts. Wie diese Menschen sich in einem Personenkult verfangen haben, wie das republikanische Establishment weggefegt worden ist von einem, der bereit ist, die Demokratie fundamental zu schwächen und der heute dies und morgen das sagt, kann man kaum erklären. Teile seines Anhangs schalten wohl einfach ihren Verstand aus, sobald Trump spricht.

Mit Thomas Greven sprach David Bedürftig

Quelle: ntv.de

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