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News des Tages: Julian Nagelsmann, Altersdiskriminierung, Frankreich

March 24
21:16 2023

1. Absturz eines Toptalents

Je höher die Etage, desto glatter das Parkett. Aber auch Fußballrasen kann sehr rutschig sein. Das weiß spätestens seit heute Julian Nagelsmann, Trainer des FC Bayern München, der laut übereinstimmenden Medienberichten von Thomas Tuchel abgelöst werden soll. Schon am Montag soll der Neue das Training leiten.

»Es ist das krachende Aus des vielleicht größten deutschen Trainertalents und ein bemerkenswerter Vorgang, der Fragen zur Führungsriege des FC Bayern aufwirft«, schreibt mein Kollege Florian Kinast aus dem SPIEGEL-Sportressort .

Nagelsmann, 35 Jahre jung, war für eine sagenhafte Ablösesumme von mehr als 20 Millionen Euro nach München gekommen. Der Verein hatte um ihn gebuhlt wie sonst um kaum einen Kandidaten zuvor. Einen Fünfjahresvertrag hatten sie nicht einmal großen Protagonisten wie Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti angeboten. Und nun, nach nicht einmal zwei Jahren, scheinen die Bayern-Bosse zu der Erkenntnis gekommen zu sein, dass das doch ein Fehler war. »Die richtige Mischung aus Autorität und Herzlichkeit, aus unumstrittener Chefrolle und menschlicher Nähe. Das richtige Gespür, wann jemand mal eine klare Ansage braucht und wann eine Umarmung. All das fehlte Nagelsmann«, analysiert Florian.

Auch sportlich ging es seit Jahresbeginn nur wenig voran. Die Bayern haben einen 10-Punkte-Vorsprung auf den BVB verspielt, gerade in der Bundesliga offenbarten sich erhebliche Leistungsschwankungen. »Das hat das Standing des Trainers nicht verbessert. Dennoch hatte der Klub noch alle Titelchancen, ist in sämtlichen Wettbewerben noch dabei«, merkt Peter Ahrens in seinem Kommentar an .

Er hält den FC Bayern München für einen »unregierbaren Klub«. Das Aus für Julian Nagelsmann zeige, wie schwierig es ist, die Bayern zu trainieren. Als Trainer müsse man gleichzeitig mit den Spielern und mit den Vorstandspersonen klarkommen. Und mit der Münchner Presse. »Diesen Dreischritt hinzubekommen, ist ein Meisterstück. An dem bisher fast alle gescheitert sind.«

Als Nächster darf sich Thomas Tuchel auf dem glatten Parkett nebst rutschigem Rasen an der Säbener Straße bewähren. Ein Trainer mit großem Renommee, der allerdings bei allen bisherigen Großklubs, für die er tätig war, irgendwann Probleme mit den Vereinsverantwortlichen bekam, die ihn trotz seiner Qualität nicht weiterbeschäftigen wollten.

Zu Recht fragt sich Peter: »Der Klub der Unregierbaren bekommt einen Trainer, der sich nicht regieren lässt. Wie viele Monate gibt man ihm?«

  • Lesen Sie hier mehr zum Thema: Der unregierbare Klub

2. Diskriminierung der Alten

Als mein »Lage am Abend«-Kollege Wolfgang Höbel 1989 im Kulturressort des SPIEGEL anfing, sollte einer seiner ersten Texte von Madonna handeln. Er war 27, sie 31 Jahre alt, beide gehörten sie zu den Jungen. Kürzlich nun klagte die US-amerikanische Sängerin bei der Grammy-Verleihung in Los Angeles: »Wir leben in einer Welt der Altersdiskriminierung.«

Wolfgang, mittlerweile 60 Jahre jung, wollte diesem Eindruck nachgehen und hat mit Carola Padtberg und Tobias Becker die aktuelle Titelgeschichte recherchiert . Ihr Fazit: Madonna hat recht. Auch in Deutschland fühlen sich ältere Menschen oft verlacht, verachtet und ausgeschlossen. Obwohl sie wirtschaftlich und medizinisch häufig gut versorgt sind, mangelt es ihnen an Wertschätzung und gesellschaftlicher Teilhabe.

Das liege auch an den tradierten stereotypen Bildern vom Alter, erfuhr der Titelautor von einer Psychologin. »Wer jenseits der Rentengrenze ist, wird nicht mehr gesehen und gehört«, sagt Höbel. »Auch wenn er körperlich und geistig noch fit ist.«

Einer, dem wegen seines vorangeschrittenen Alters häufig die politische Zukunft abgesprochen wird, ist zum Beispiel der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Allerdings kann der sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beschweren. Auch der SPIEGEL hat ihm heute einen schönen Platz auf der Homepage spendiert: Friedrich Merz und die ominöse »Spendenübergabe« lautet der Titel der Geschichte von Sven Becker, deren Lektüre ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte.

Jüngst erhielt die CDU 100.000 Euro von der Deutschen Vermögensberatung AG. Dem Unternehmen zufolge wurde die Spende Friedrich Merz bei einem Gesprächstermin »übergeben«. Aus Sicht der Partei verlief alles ordnungsgemäß. Trotzdem bietet der Vorgang einen seltenen Einblick in das, was man in Berlin »politische Landschaftspflege« nennt.

  • Lesen Sie hier die aktuelle SPIEGEL-Titelgeschichte: Wie Deutschland seine Alten abserviert

3. Wein statt Rente?

Emmanuel Macron, der Präsident, der mit dem Versprechen antrat, die Franzosen hinter sich zu einen, erlebt unruhige Zeiten. Seit er die umstrittene Rentenreform am Parlament vorbei durchsetzen ließ, brennen in Paris und anderen Großstädten jeden Abend Müllcontainer. Gestern blockierte ein Generalstreik erneut das Land. Heute wurde bekannt, dass wegen der Rentenproteste der geplante dreitägige Frankreichbesuch des britischen Königs Charles III. verschoben wurde. Diese Entscheidung sei nach einem Telefonat von Präsident Emmanuel Macron und König Charles gefallen, teilte der Élysée mit.

Ein weiser Entschluss, muss man wohl sagen. Der französische Präsident hatte den englischen König unter anderem zu einem Staatsbankett in das prunkvolle Schloss von Versailles einladen wollen. Geplant war außerdem eine Bahnfahrt nach Bordeaux, wo der König mit Biowinzern zusammentreffen wollte. Dort hatten Demonstranten in der Nacht zum Freitag das Portal des Rathauses in Brand gesetzt.

»Wenn sie zu wenig Rente haben, sollen sie doch Bio-Rotwein trinken!«, hätte König Charles in Anlehnung an ein angebliches Zitat der früheren Versaille-Bewohnerin Marie Antoinette sicher nicht gesagt. Aber die Bilder seiner Anwesenheit hätten womöglich ähnlich gewirkt. Wie eine Ohrfeige gegenüber den Menschen, die in Frankreich soziale Benachteiligung beklagen.

Es gibt freilich auch Gewinner inmitten des Chaos: Marine Le Pens rechtspopulistische Partei »Rassemblement National« (RN) profitiert von den Unruhen wie keine andere Kraft der Opposition . Die Frankreich-Korrespondentin Britta Sandberg hat Le Pen bereits im vergangenen Jahr im Präsidentschaftswahlkampf begleitet. In den vergangenen Wochen sprach sie erneut mit der Politikerin und deren Beratern und erlebte eine Partei, die siegessicherer ist denn je. »Sie wähnen sich der Macht nun ganz nah«, so Sandberg. »Und sie sind dabei, die eigenen Truppen für genau diesen Moment zu professionalisieren.«

  • Lesen Sie hier mehr zum Thema: Die Profiteurin des Volkszorns

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Was über die Amokfahrt am Flughafen bekannt ist: In einem Parkhaus am Flughafen Köln/Bonn ist ein 57-Jähriger Amok gefahren. Er soll schon zuvor am Airport aufgefallen sein und dann einen Mietwagen entwendet haben.

  • Preise für Häuser und Wohnungen Ende 2022 gefallen: Hohe Preise und steigende Zinsen: Viele können sich kein Eigenheim mehr leisten. Doch Ende 2022 sind die Preise für Häuser und Wohnungen gefallen – erstmals seit zwölf Jahren. Doch es gibt deutliche Unterschiede.

  • Toter US-Bürger bei Drohnenangriff auf US-Stützpunkt in Syrien: US-Geheimdiensten zufolge hat eine Drohne »iranischen Ursprungs« einen Militärstützpunkt in Nordsyrien attackiert. Ein Mensch starb, sechs weitere wurden verletzt. Die USA reagierten prompt.

  • Warnstreik-Ersatzfahrplan laut Bahn nicht möglich: Stillstand an den Bahnhöfen: Ver.di und EVG wollen Deutschland am Montag weitgehend lahmlegen, einen Notfahrplan wird es laut Bahn nicht geben. Auch am Tag vor und nach dem Streik brauchen Fahrgäste Geduld.

Weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine

  • Jetzt kämpft Russland mit Panzern aus dem Museum: Moskau holt offenbar Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg aus den Lagerhallen. Trotz veralteter Technik sind sie für die Ukrainer nicht ungefährlich – und sagen viel über den Zustand der russischen Industrie aus .

  • Dänemark will Gegenstand bergen – zusammen mit Russland: Die Suche nach Verantwortlichen für die Sprengung der Ostseepipelines ist schwierig. Das Nato-Land Dänemark will nun an den Röhren aber etwas untersuchen und dazu die Nord-Stream-Firma einbeziehen – zur Freude Moskaus.

  • US-Außenminister schließt Verhandlungen über künftige Grenzen der Ukraine nicht aus: Die Ukraine beharrt auf der Rückeroberung aller besetzten Gebiete – die USA scheinen da nicht ganz so sicher. Und: Die EU nennt Deportationen durch Russland »Kriegsverbrechen«.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Meine Lieblingsgeschichte heute: Plädoyer für die Sommerzeit

Dass der Wecker ab Sonntag eine Stunde früher klingelt, ist für viele ärgerlich. SPIEGEL-Redakteurin Heike Le Ker aber freut sich . »Auf das Licht, auf den Löwenzahn, auf Kinder, die draußen spielen«, schreibt sie. »Es ist doch herrlich, was nur eine Stunde alles anrichten kann: Die Abende sind länger hell, es gibt mehr Zeit, um draußen zu sein. Sport zu machen. Freunde zu treffen.«

Während die Pessimisten »Diebstahl« rufen, findet Heike den Tausch mehr als fair. Sie ist allerdings, das gibt sie offen zu, Frühaufsteherin. Für Nachteulen, Menschen mit Schlafstörungen, Schichtarbeiter, für landwirtschaftliche Betriebe mit Viehzucht oder Logistikunternehmen ist die Zeitumstellung eine Herausforderung. »Ich kenne auch die Statistiken, denen zufolge die Unfallrate an den Tagen danach steigt: Die Leute sind müde, es ist morgens wieder dunkler«, schreibt Le Ker. Aufs Jahr betrachtet sei die Lage aber nicht ganz so eindeutig, denn insgesamt scheinen Unfälle in der Sommerzeit seltener zu sein als in der Winterzeit. Und auch zu einem möglicherweise erhöhten Herzinfarktrisiko gibt es unterschiedliche Studienergebnisse.

Ihr Tipp für die nächsten Tage: »Lassen wir es ruhig angehen.«

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Sie hassen die Zeitumstellung? Ich liebe sie!

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Das sollten Eltern wissen, wenn ihr Kind gemobbt wird: Marek Fink fühlte sich dem Mobbing an seiner Schule jahrelang ausgeliefert. Heute unterstützt sein Verein Eltern, Kinder und Lehrkräfte. Was kann helfen, wenn alle hilflos sind?

  • Ein Risiko namens Olaf Scholz:Kaum geraten wieder Banken in Schieflage, fällt die Politik in falsche Reflexe – allen voran der Bundeskanzler .

  • Wie ausgerechnet Johannes Paul II. Polen spaltet: Vielen Polen gilt der frühere Papst Johannes Paul II. als Nationalheld, der einem verzagten Volk einst neues Selbstbewusstsein einhauchte. Ein TV-Bericht wühlt nun das Land auf: Hat der Pontifex pädophile Geistliche gedeckt?

  • Zwei Spitzenlinke suchen eine neue Verwendung: Katja Kipping und Klaus Lederer gehören zu den starken Mitgliedern der rot-grün-roten Regierung in Berlin. Bald verlieren sie ihre Posten und müssen nun auch noch dabei zusehen, wie sich ihre Partei spaltet. Doch das könnte auch eine Chance sein .

Was heute weniger wichtig ist

Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist an der Gedenkstätte für die Opfer des 11. September 2001 in die Knie gegangen. Es handelte sich offenbar um eine spontane Geste. Was man auch daran erkennen kann, dass es kein gut inszeniertes Foto von der Aktion gibt. Willy Brandts Kniefall am Mahnmal für die Opfer des Aufstandes im Warschauer Ghetto wurde auch deshalb zur Geste, die die Welt bewegte, weil Brandt rund eine halbe Minute dort kniete und genug Zeit blieb für alle anwesenden Fotografen, den historischen Moment entsprechend einzufangen.

Faeser hingegen kniet nur für wenige Sekunden. Und das nur mit einem Bein, das den Boden noch nicht mal richtig zu berühren scheint. Ihre Hände stützt sie auf das aufgestellte rechte Bein. Es ist die Andeutung eines Kniens. Kein Brandt also. Kein Moment für die Geschichtsbücher. Aber doch immerhin eine Geste der Demut. Die auch mit deutscher Verantwortung zu tun hat. Mehrere Todespiloten vom 11. September 2001 hatten sich in Hamburg zur Terrorzelle zusammengefunden, der 2977 Menschen zum Opfer fielen.

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Cartoon des Tages

Und heute Abend?

Einer meiner Lieblingsfilme, Alfred Hitchcocks Höhenangst-Klassiker »Vertigo«, soll neu verfilmt werden. Das Hollywoodstudio Paramount Pictures, das 1958 den Originalfilm produzierte, habe sich die Rechte an einem Remake gesichert, berichten zwei US-Filmportale. Schauspieler Robert Downey Jr. und seine Frau Susan Downey sind demnach als Mitproduzenten an Bord. Offenbar nicht aus rein nostalgischen Gründen: Möglicherweise könnte der 57-jährige Downey (Tony Stark alias Iron Man in den »Avengers«-Filmen) auch die männliche Hauptrolle übernehmen, heißt es.

Im Originalfilm »Vertigo – Aus dem Reich der Toten« spielt James Stewart den Privatdetektiv »Scottie« Ferguson, der wegen Höhenangst und Schwindelanfällen aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist. Er wird von einem alten Bekannten angeheuert, dessen Ehefrau zu beschatten und erliegt immer mehr dem Reiz der rätselhaften Blondine.

Vermutlich wäre heute ein guter Abend, den Hitchcock-Psychothriller mal wieder im Original anzuschauen. Auf der Liste der besten Filme aller Zeiten des Magazins »Sight and Sound« rangiert »Vertigo« auf Platz zwei. Den Spitzenrang belegt »Jeanne Dielman, 23 quai du Commerce, 1080 Bruxelles« von Chantal Akerman.

Ich muss gestehen, dass ich noch nie vom Akerman’schen Meisterwerk gehört habe. Vielleicht schließe ich diese Bildungslücke dann am Samstagabend.

Ein schönes Wochenende wünscht

Ihre Anna Clauß, Leiterin Meinung und Debatte

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