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Krisentalk bei Lanz: Wie Zossens Bürgermeisterin Jugendgewalt bekämpft

May 22
06:07 2024

Politik

Zossens Bürgermeisterin Wiebke Sahin-Schwarzweller schildert ihre Rezepte gegen Jugendgewalt.

Zossens Bürgermeisterin Wiebke Sahin-Schwarzweller schildert ihre Rezepte gegen Jugendgewalt.

Seit dem Attentat auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten Matthias Ecke ist das Thema Gewalt in aller Munde. Damit hat auch eine Brandenburger Bürgermeisterin zu kämpfen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz berichtet sie über ihre Probleme – und deren Lösung.

Zossen ist eine Kleinstadt in Ostdeutschland. Sie liegt eine knappe Autostunde von Berlin entfernt, in Brandenburg. Dort wird im September ein neuer Landtag gewählt. Zossen wird von einer FDP-Bürgermeisterin regiert. Wiebke Sahin-Schwarzweller heißt sie. Und sie hat die Probleme, die fast jeder Kommunalbürgermeister hat: klamme Kassen, einen wachsenden Anteil geflüchteter Menschen, unzufriedene Bürger. Sie kennt Gewalt. Und sie hat ein Rezept dagegen, das in Zossen teilweise funktioniert, erzählt sie am Abend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz".

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Es ist vor wenigen Wochen passiert: Eine Frau wird in Dresden von einer Gruppe gewaltbereiter Erwachsener bedroht, als sie Wahlplakate der Grünen klebt. Sie wird angegriffen, aufgefordert, sich zu "verpissen". "Dies ist AfD-Gebiet", ist deutlich zu hören. Das Video kann man im Internet sehen. Lanz zeigt es in seiner Sendung. "2019 lief auch mein Wahlkampf ungefähr so ab", sagt Sahin-Schwarzweller. "Was wir jetzt für Bilder sehen ist erschreckend, und die sind natürlich auch demokratiegefährdend." Doch inzwischen habe sich in Zossen einiges geändert, erklärt sie.

In der Stadt leben 22.000 Einwohner. Dort gibt es eine Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen. Die fasst 1500 Menschen und ist zurzeit mit knapp 1100 Geflüchteten belegt. "Es ist so, dass diese Menschen auch unsere Infrastruktur benutzen, dass wir aber auch sehr hilfsbereit sind", sagt Sahin-Schwarzweller. Zwar müsse man die Bürger über die Situation der geflüchteten Menschen aufklären, sagt die Bürgermeisterin. Doch Zossen habe ein großes Problem: "Wir sind am Rande unserer Kapazität."

Der Vorgeschichte der Misere

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Eine Mitschuld daran trage die Vorgängerregierung in der Stadt. Sechzehn Jahre regierte dort ein Bündnis mit dem Namen "Plan B". "Die Folgen dessen sind sehr komplex, und davon hat sich unsere Stadt bis heute nicht erholt. Das muss man den Bürgern dann auch mal vor Augen halten, dass sich durch Demokratie die Lebenssituation in den Kommunen verbessern kann."

Plan B war ein Bündnis rechter Bürger und Parteien, erläutert Sahin-Schwarzweller. Die AfD gehört nicht dazu. Doch auch die sei inzwischen in Zossen "gut angekommen". In seiner Regierungszeit legte das Bürgerbündnis den Gewerbesteuerhebesatz bei 200 Prozent fest. Das ist sehr niedrig. Sahin-Schwarzweller: "Wir haben dann mit jedem Euro, den wir eingenommen haben, einen Euro und neun Cent ausgegeben." Für die Stadt also ein Verlustgeschäft. Dafür siedelten sich jedoch viele Firmen in Zossen an – allerdings oft nur auf dem Papier. Denn für Unternehmen war die Stadt in Brandenburg eine Steueroase.

Quasi pleite

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Die ARD-Sendung Panorama fand 2021 heraus, dass zu diesem Zeitpunkt rund 2000 Unternehmen in Zossen angeblich ihren Firmensitz hatten. Allein in einem zweistöckigen Mietshaus an einer abgelegenen Dorfstraße bei Zossen behauptete der zuständige Vermieter, rund 200 Firmen untergebracht zu haben. Zossen wurde zum Mekka für Briefkastenfirmen. Und das ganz legal: Die Gemeinden können den Gewerbesteuerhebesatz relativ frei bestimmen.

Die Unternehmen selber frohlockten: Sie bezahlten bis 2021 nur sieben Prozent Gewerbesteuer, halb so viel wie im nahe gelegenen Berlin. Inzwischen hat die Stadtverordnetenversammlung in Zossen den Gewerbesteuersatz angehoben. Aber: "Wir sind in der Haushaltssicherung gelandet", sagt Sahin-Schwarzweller. Das heißt, die Stadt ist quasi pleite. Man habe sich von dem Ruf der "Briefkastenfirmen-Oase" ein wenig erholt, die Steuerfahndung untersuche, welche Firmen tatsächlich Mitarbeiter in Zossen beschäftigt haben und welche nicht. Gleichzeitig müsse die Stadt anderen Gemeinden Geld zurückerstatten, das ihnen durch die Politik der Vorgängerregierung entgangen sei.

Gewalt gegen Kommunalpolitiker

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Sie selbst sei von Gewalt in den vergangenen Jahren verschont geblieben, sagt Sahin-Schwarzweller. Dennoch kennt sie das Problem: Ende 2021 hatten Unbekannte den Schornstein eines Mitglieds der Stadtverordnetenversammlung versiegelt, in der Versammlung käme es ständig zum Streit, so dass mittlerweile kaum eine Sitzung ohne Mitarbeiter des Ordnungsamtes stattfinden könne. Auch die Polizei musste schon anrücken, um Menschen aus der Versammlung zu entfernen.

Es musste etwas geschehen. So richtete Sahin-Schwarzweller Bürgersprechstunden für unzufriedene Menschen ein. Die seien gut besucht. Viele Bürger kämen einfach nur, um ihren Frust rauszulassen, erzählt die Bürgermeisterin. Ein besonderes Problem sei vor allem Gewalt unter Jugendlichen. Doch auch hier hat Sahin-Schwarzweller Konzepte, die zu funktionieren scheinen. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man die Jugendlichen frühzeitig abholt. Ich bin der Ansicht, dass man ihnen auch stellenweise Verantwortung übertragen sollte, beispielsweise in einem Jugendparlament, damit sie ihre eigene Kreativität ausüben können."

Ergebnis spürbar

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Außerdem müssten Jugendliche sinnvoll beschäftigt werden, um sie auf die Gesellschaft und die Herausforderungen der heutigen Zeit vorbereiten zu können. Dazu brauche es vor allem in sozialen Brennpunkten, in Schulen und Jugendzentren mehr Sozialpädagogen. "Wir in Zossen haben gerade ein neues Projekt, in dem wir ein Mehrgenerationen-Zentrum bauen, wo die Kinder ein Jugendzentrum bekommen", sagt Sahin-Schwarzweller. Das Ergebnis sei spürbar: "Wir haben nicht so viel Kinder- und Jugendgewalt, weil wir mehr Prävention machen."

Die Kommunalpolitikerin weiß zwar, dass ihre Stadt noch mehr tun muss in Sachen Jugendarbeit. Aber es sei ein Anfang gemacht, wenn gewaltbereite Jugendliche begreifen, dass die Gesellschaft für sie da ist. Schließlich sind die Jugendlichen von heute die Erwachsenen von morgen.

Quelle: ntv.de

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