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Hobby-Läufern wird abgeraten: Superschuhe bringen Rekorde – und mehr Verletzungen

August 05
12:35 2024

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Freizeitläufern rät Biomechanik-Professor Brüggemann von Superschuhen ab.

Freizeitläufern rät Biomechanik-Professor Brüggemann von Superschuhen ab.

Nicht nur die Sportler feilen ständig an ihrer Technik, um ihre Leistung zu verbessern – auch ihre Kleidung wird optimiert, wo möglich. Moderne Superschuhe etwa ermöglichen Profiathleten Studien zufolge Spitzenleistungen. Gleichzeitig steigt aber auch das Verletzungsrisiko, warnt ein deutscher Experte.

Superschuhe und Super-Spikes mit dickem Schaum und Carbon-Elementen scheinen Spitzensportler zu immer neuen Rekorden zu verhelfen. Zwei Studien untersuchen nun, ob es wirklich einen Zusammenhang zwischen Technologie und Leistung gibt.

Ein deutscher Biomechanik-Experte warnt indes, dass die Hightech-Schuhe das Verletzungsrisiko steigerten – und rät Hobby-Läufern komplett davon ab.

Doping per Schuh

Beim Marathon der Olympischen Sommerspiele 2016 im brasilianischen Rio de Janeiro trugen die drei besten Männer ein Paar neuer Laufschuhe des Sportartikelherstellers Nike mit auffällig dicker Sohle. Die darin verarbeiteten Carbon-Elemente und innovativen Dämpfungssysteme gaben den Athleten anscheinend einen derartig großen Vorteil, dass manche von unfairem "technischem Doping" sprachen. Schließlich hatten nicht alle Marathon-Teilnehmer die Möglichkeit, mit den Superschuhen anzutreten.

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Verboten waren die neuen Schuhe indes nicht. Denn spezielle Regeln zu Schuhinnovationen wurden erst 2020 vom World Athletics (WA), dem Dachverband aller nationalen Sportverbände für Leichtathletik, veröffentlicht. Diese untersagen Laufprofis zum Beispiel Schuhe, deren Mittelsohle höher als 40 Millimeter ist. Das hält Hersteller aber nicht davon ab, für den Freizeitbereich Modelle zu produzieren, die noch dicker und weicher sind – frei nach dem Motto "Mehr ist mehr".

Ob das allerdings wirklich stimmt, hat eine Forschungsgruppe der ETH Zürich in einem Test mit 16 gut trainierten Läufern untersucht. Diese rannten auf einer Laufbahn in Schuhen mit 30, 40 und 50 Millimetern (mm) dicker Mittelsohle, wobei jeweils Laufökonomie, Laufkomfort sowie einige biomechanische Variablen verglichen wurden. Laufökonomie meint das Verhältnis zwischen verbrauchtem Sauerstoff und einer vorgegebenen Laufleistung: Sie ist umso besser, je weniger Sauerstoff bei gleicher Laufgeschwindigkeit verbraucht wird.

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Dabei bot der 40-mm-Schuh den größten Komfort und zusammen mit dem 50-mm-Schuh die beste Laufökonomie. Der 50-mm-Schuh hatte hier also keine Vorteile. Beim Bodenkontakt, der Schrittfrequenz und der Schrittlänge wurden zwischen allen drei Gruppen keine Unterschiede festgestellt, so das Ergebnis der Studie, die bei der 42. Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Biomechanik im Sport Mitte Juli in Salzburg vorgestellt wurde.

Mit Super-Spikes zu neuen Rekorden

Super-Spikes können durchaus eine Rolle bei der Laufleistung spielen.

Super-Spikes können durchaus eine Rolle bei der Laufleistung spielen.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Schuhinnovationen finden allerdings auch auf kürzeren Strecken und in anderen Leichtathletik-Disziplinen statt – wie die Olympischen Spiele 2020 in Tokio vor Augen führten. Dort stellten mehrere Athleten Rekorde auf, deren Füße in Hightech-Laufspikes – auch Super-Spikes genannt – steckten.

Spikes haben an der Sohle kleine Spitzen, welche die Bodenhaftung verbessern und eine bessere Kraftübertragung erlauben sollen. Bei Super-Spikes ist die Mittelsohle ähnlich wie bei den Superschuhen im Marathonbereich mit Carbon-Elementen und speziellen dynamischen Schaumstoffen ausgestattet, welche sie leichter, weicher und dynamischer machen sollen.

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Wie die Studie eines US-amerikanischen Forschungsteams nun nahelegt, haben eben jene Super-Spikes vermutlich eine größere Rolle für die olympischen Rekorde gespielt. Die Gruppe rekrutierte neun gut trainierte Männer, die sie in verschiedenen Schuhen auf einem speziellen Laufband rennen ließ. Tatsächlich war die Laufökonomie bei den Super-Spikes etwas besser, was sich in einer Verbesserung der Zeiten um 1 bis 1,5 Prozent niederschlagen könnte, so Co-Autor Geoff Burns. "Eine Steigerung der Ökonomie um 1,5 bis 2,0 Prozent kann bei einem Eliteläufer den Unterschied zwischen einem Medaillenkampf und der Nichtqualifikation für die (Olympischen) Spiele ausmachen", wird Burns zitiert.

Mit den Topleistungen kommen Verletzungen

Auch Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann sieht einen Zusammenhang zwischen den Rekorden der vergangenen Jahre und den neuen Schuhen – sowohl den Superschuhen für die Langstrecke als auch den Super-Spikes. Parallel hätten allerdings auch die Verletzungen im Spitzenbereich zugenommen, so Brüggemann, der viele Jahre das Institut für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule in Köln leitete.

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Laut Brüggemann würden die Athleten, aber auch mehrere Studien insbesondere Probleme im Knie, dem Komplex Achillessehne-Wade und im Mittelfuß sowie der Fußwurzel beschreiben. Letztere könnten einer Studie aus dem Jahr 2023 zufolge in Ermüdungserscheinungen wie Stressbrüchen münden.

Mit Blick auf die neuen Schuhe erklärt der Experte, dass darin zum einen mehr Schaum verbaut werde, was dazu führe, dass der Körper höher positioniert sei. Gleichzeitig versteiften Carbon-Elemente die Sohle längs, was von allem die Achillessehne und den Mittelfuß mehr beanspruche. Die Biomechanik der Schuhe könne so zu Überbelastungen genau jener Bereiche führen, für welche die Sportler über Probleme klagten. "Wir haben selten so klare Zusammenhänge zwischen den biomechanischen Belastungen und dem orthopädischen Ergebnis gesehen", so Brüggemann.

Wie ein Sprung ins Trampolin

Athleten empfiehlt er, im Training möglichst wenig in derartigen Wettkampfschuhen zu laufen – doch müsse dem Körper andererseits hinreichend Zeit gegeben werden, sich an die Technologie zu gewöhnen und zu lernen, mit den weichen Schuhen umzugehen. Es ist etwa "wie bei einem Sprung in ein Trampolin, bei dem die Beinmuskeln genug angespannt werden, um das Trampolin zu nutzen".

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Freizeitläufern rät Brüggemann hingegen von derartigen Superschuhen ab – nicht zuletzt gestützt auf eine Studie von ihm, deren vollständige Ergebnisse in Kürze veröffentlicht werden. Dafür wurden mehr als 400 Hobbyläufer über sechs Monate beobachtet – und ihnen per Zufallsverfahren unterschiedliche Schuhe zugeteilt: Ein Teil von ihnen trug einen Superschuh, ein weiterer Teil lief mit Standardschuhen, und die dritte Gruppe war mit sogenannten U-TECH-Schuhen ausgestattet. Bei diesen Schuhen befinden sich die Dämpfelemente nicht unter der Ferse, sondern hufeisenförmig um sie herum – Brüggemann hatte die Entwicklung derartige Schuhe als wissenschaftlicher Berater begleitet.

Tatsächlich war das Verletzungsrisiko in der Superschuh-Gruppe um mehr als 30 Prozent höher als bei den Läufern mit Standard-Laufschuhen, so ein Ergebnis der Studie. Die Schuhe mit den hufeisenförmigen Elementen hätten Brüggemann zufolge hingegen dieses Risiko um 60 Prozent gesenkt – und gezeigt: "Wir können durch Technologie Belastungen und letztlich das Verletzungsrisiko steuern."

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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