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Corona und Entwicklungshilfe: In der Krise ist sich jeder selbst der nächste

April 26
21:32 2020

Im Kampf gegen Corona wenden Deutschland und Europa für sich selbst Hunderte Milliarden Euro auf. Bei der Hilfe für ärmere Regionen ist man nicht so großzügig. Entwicklungsminister Müller will nachbessern.

Erst vor wenigen Tagen hat Gerd Müller wieder mit Antonio Guterres, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen telefoniert. Man sei sich einig gewesen, in Berlin und New York, sagt Müller: "Eine weltweite Krise erfordert weltweite Koordinierung."

Sie erfordert auch weltweite Solidarität – aber, wie so oft in Krisen, ist sich jedes Land erst einmal selbst am nächsten.

Es müsse alles getan werden, um das Leid zu lindern, das die Corona-Pandemie über die Welt bringe, auch darüber sind Guterres und Müller einer Meinung. Corona lässt sich nur weltweit besiegen – oder eben gar nicht. So weit, so klar. Aber wie sieht das konkret aus?

Für sein Ressort, das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit (BMZ), hat Müller jetzt einen detaillierten Plan vorgelegt. "Corona-Sofortprogramm" heißt das 18-seitige Papier, das er in dieser Woche im Entwicklungsausschuss im Bundestag vorgestellt hat. Vier Wochen hat sein Ministerium an dem Konzept gearbeitet, überschrieben ist es mit dem Satz: "Keine Rückkehr zur weltweiten Normalität der Globalisierung".

Das Programm enthält zahlreiche Empfehlungen – oder auch Forderungen -, was internationale Organisationen, aber auch die EU oder die Bundesregierung jetzt tun können beziehungsweise dringend tun sollten. Sich koordinieren, helfen, zuvorderst: mehr Geld bereitstellen. Angesichts des Ausmaßes der Pandemie erscheint das eher notwendig als verschwenderisch.

Der Entwicklungszusammenarbeit wird öfters bescheinigt, vor allem der berühmte Tropfen auf den heißen Stein zu sein: zu mager die Budgets, zu groß und umfassend die Probleme, die man bekämpfen will. Das sieht in der Coronakrise zunächst nicht anders aus. Während die reichen Staaten den Verheerungen der Pandemie Hunderte Milliarden entgegensetzen, soll für die Armen und Ärmsten ein im Vergleich winziges Notfallpaket geschnürt werden.

Der deutsche Beitrag dazu sieht so aus: Um drei Milliarden Euro aus dem gewaltigsten Nachtragshaushalt der bundesdeutschen Geschichte bittet Müller Finanzminister Olaf Scholz – mit dieser Summe wird der "Mehrbedarf" seines Hauses durch Corona beziffert. Damit sollen Gesundheitssysteme gestärkt werden, Impfprogramme ausgebaut und die Ernährung für Zehntausende gesichert werden. Der Hunger, der weltweit jahrzehntelang zurückging, nimmt seit Kurzem wieder zu, Corona verstärkt diese Tendenz weiter.

50 Milliarden Euro an Nothilfe und Stabilisierungskrediten soll die EU für diese Aufgaben aufbringen, wünscht sich Müller – und weist selbst darauf hin, dass das nicht einmal zehn Prozent des innereuropäischen Sofortprogramms wären, das die Mitgliedstaaten am Donnerstag für sich selbst beschlossen haben. "Großartig für den europäischen Zusammenhalt", kommentiert der Entwicklungsminister die europäische Einigung über ein Hilfspaket. Aber es müsse eben auch "ein Signal an den Rest der Welt" geben.

Er wisse um die Tatsache, dass Solidarität erst einmal im engeren Umfeld gelebt werde, in der eigenen Familie, im eigenen Land, sagt Müller. Bei Corona aber greife das zu kurz: Man müsse weltweit solidarisch handeln oder könne es gleich bleiben lassen.

Ein Virus kennt keine Grenzen, nicht regional, nicht national, und Sars-CoV-2 ist auf allen Kontinenten angekommen.

In Asien und Lateinamerika sind die großen Schwellenländer Indien und Brasilien besonders betroffen, auch in Afrika breitet sich das Virus mittlerweile rasant aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet mit zehn Millionen Infizierten in den nächsten drei bis sechs Monaten. Es ist kein Geheimnis, dass man dort eher schlecht dafür gerüstet ist. Im nordafrikanischen Mali gibt es gerade mal vier Beatmungsgeräte für 18 Millionen Menschen.

Für sein Sofortprogramm hat Müller erst einmal im eigenen Haus umstrukturiert und kann so bis Ende des Jahres mit einer Milliarde Euro Soforthilfe planen. Im Irak sollen von diesem Geld sechs Behelfskrankenhäuser gebaut werden, in denen 14.000 Patienten betreut werden können. Damit würden sich die intensivmedizinischen Kapazitäten in der gebeutelten Region verdoppeln.

In Tunesien sollten eigentlich Elektroinstallateure an Solaranlagen ausgebildet werden, da die Ausbildung jetzt krisenbedingt erst einmal wegfällt, werden die Solaranlagen zur Notstromversorgung von fünf Krankenhäusern mit etwa tausend Betten bereitgestellt.

In normalen Zeiten hilft das BMZ dem nordafrikanischen Land beim Aufbau von Verwaltungsgebäuden, da jetzt aber nicht gebaut werden kann, sollen die Gemeinden dort erst einmal mit sogenannten Basisdienstleistungen versorgt werden, zum Beispiel mit Desinfektionsmittel und Hygieneartikeln. Die vom Ministerium unterstützten tunesischen Textilunternehmen, die normalerweise Kleidung für den europäischen Markt produzieren, sollen jetzt Schutzmasken produzieren. Auch Näherinnen in Äthiopien sollen so ihren Arbeitsplatz und damit ihren Lohn behalten.

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