Wurst-Wettkampf ohne Chestnut: Das steckt hinter dem bizarren Hotdog-Streit in den USA
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Der weltbeste Wettesser macht einen Deal mit einem Hersteller veganer Würste. Beim traditionellen Hotdog-Wettessen in New York ist Joey Chestnut nicht dabei. Stattdessen isst der Amerikaner gegen Soldaten – und bald sogar live auf Netflix.
Keiner verschlingt Hotdogs so schnell wie Joey Chestnut. Jedes Jahr am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, zeigt der 40-jährige US-Amerikaner sein ganzes Können. Normalerweise in Coney Island, einem kleinen New Yorker Stadtteil im Süden von Brooklyn. Seit über 100 Jahren wird hier das berühmte Hotdog-Wettessen am amerikanischen Nationalfeiertag ausgetragen. Jedes Jahr kommen deshalb tausende Fans nach Coney Island, setzen sich Hotdog-Hüte auf und feuern die Wettesser beim "Nathan's Famous Hot Dog Eating Contest" an. Das haben sie auch dieses Jahr getan, allerdings war ausgerechnet Chestnut nicht dabei.
Der "GOAT" ("Greatest of All Time") des gefährlichen Hot-Dog-Verschlingens hat stattdessen bei einer Gegenveranstaltung mitgemacht. Auf dem Militärstützpunkt Fort Bliss in Texas duellierte sich Chestnut mit vier Soldaten. In fünf Minuten spülte der 40-Jährige 57 Hotdogs herunter und sammelte pro verschlungener Wurst 1000 Dollar. Das gesammelte Geld wird jetzt an Militärfamilien gespendet.
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Mit diesem Fress-Tempo hätte Chestnut beim Kult-Wettbewerb in New York gute Chancen auf einen neuen Weltrekord gehabt. Diesen hatte der "Michael Jordan des Wettessens" 2021 aufgestellt: 76 Hotdogs und Brötchen in zehn Minuten. Doch in diesem Jahr konnte die Major League Eating (MLE) beim Super-Bowl des Wettessens nicht auf den 16-fachen Champion als Zugpferd setzen, weil Chestnut vor Kurzem einen Werbevertrag mit einer Konkurrenzmarke von Nathan's Famous abgeschlossen hat, die vegane Hotdogs herstellt.
"Als würde Michael Jordan auch Adidas vertreten"
Nathan's ist die Hotdog-Marke, die in Coney Island am 4. Juli traditionell gemeinsam mit der Major League Eating den Wettbewerb ausrichtet. Ein Liga-Sprecher erklärte beim TV-Sender ESPN, dass die Teilnehmer nicht für rivalisierende Hotdog-Marken werben dürfen. "Wir sind hier in einem Markenkonflikt. Wir baten Joey, den Kurs zu ändern, aber er wollte ihn nicht ändern." Gleichwohl sei man Chestnut nicht böse, betonte der MLE-Sprecher. "Wir lieben Joey, er ist ein großartiger Champion, ein großartiger Freund, ein großer Major-League-Esser. Jetzt hat er sich entschieden, mit einem Hotdog auf pflanzlicher Basis zu arbeiten."

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Joey Chestnut selbst konnte seinen Ausschluss im Vorfeld des 4. Juli nur schwer verdauen. Er sagt, dass er keinen Vertrag mit der Major League Eating und auch keinen mit der Hotdog-Kette Nathan's Famous hat. Der 40-jährige gelernte Bauingenieur aus Kentucky wirft dem Veranstalter auf X vor, "die Regeln der vergangenen Jahre" in Bezug auf seine Werbepartner verändert zu haben.
Die Ess-Liga wiederum kann die Position ihres langjährigen Hotdog-Exklusivpartners Nathan's" verstehen. "Das wäre, als würde Michael Jordan zu Nike sagen: 'Ich werde auch Adidas vertreten'", begründet es der Mitgründer und Vorstandschef George Shea.
76 Hotdogs in 10 Minuten
Die Marke, für die Joey Chestnut jetzt Werbung macht, heißt Impossible Foods – sie ist ein Konkurrent von Nathan's, stellt aber nur vegane Hotdogs her. "Fleischesser sollten nicht auf ein bestimmtes Würstchen beschränkt sein", versuchte Impossible Foods gegenüber ESPN die Wogen zu glätten.

Patrick Bertoletti nutzte die Abwesenheit von Joey Chestnut.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)
Die Major League Eating musste jetzt die bittere Pille schlucken und auf Chestnut am Nationalfeiertag verzichten. Landsmann Patrick Bertoletti nutzte die Abwesenheit der Fress-Legende, verschlang 58 Hotdogs samt Brötchen in zehn Minuten und damit nur einen Hotdog mehr als Chestnut in fünf Minuten.
Den Rekord von Chestnut konnte Bertoletti nicht knacken. In der ewigen Bestenliste belegt Chestnut weiter die ersten zwölf Plätze. Vor drei Jahren würgte der 40-Jährige unglaubliche 76 Würstchen mit Brötchen herunter. 2020 waren es ohne Zuschauer beim Geister-Wettessen während der Corona-Pandemie 75, 2018 dann 74. Im Vorjahr reichten 63 verspeiste Hotdogs für einen nie gefährdeten Sieg.
Im Frauen-Wettbewerb in New York gab es dieses Jahr unterdessen einen Rekord: Titelverteidigerin Miki Sudo brachte es auf 51 Hotdogs. Die Favoritin hat seit 2014 jeden Wettbewerb mit Ausnahme von 2021 gewonnen – als Schwangere hatte sie damals nicht teilgenommen. Jetzt aß sie sich in neue Sphären, mit dem neuen Weltrekord könnte sie zum "neuen Gesicht des Wettessens" werden, weil Chestnut in Coney Island fehlte, mutmaßten die Kommentatoren des Wettbewerbs auf ESPN. Oder wie es MLE-Chef George Shea, der vorrangig in seiner Funktion als Master of Ceremonies berühmt wurde, ausdrückte: "Die Natur hat eine Kriegerin mit Zähen und Klauen geformt, ihre Seele glänzt wie Magnesium, entflammt gegen den dunklen Berg der Nacht."
Wettessen bald auf Netflix
Für Chestnut geht es nach seinem Vegan-Wurst-Deal nun in diversen anderen Wettbewerben um die Wurst. "Seid versichert, dass ihr mich bald wieder essen seht! Bleibt hungrig!", hatte Chestnut auf X gepostet, nachdem sein New-York-Aus öffentlich geworden war. Kurze Zeit später ließ ausgerechnet Netflix die Katze aus dem Sack. Der Streamingdienst überträgt am 2. September einen Ess-Wettkampf zwischen Chestnut und seinem früheren Rivalen Takeru Kobayashi aus Japan.
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Netflix vermarktet die Auseinandersetzung als "unfinished beef" – was wegen der Doppelbedeutung des englischen Worts "beef" sowohl "nicht aufgegessenes Rindfleisch" als einen "unerledigten Streit" bedeutet. "Ein für alle Mal wird geklärt, wer der beste Esser der Welt ist", hat der Sender ESPN zu dem Wettkampf geschrieben.
Joey Chestnut und Takeru Kobayashi sind Rivalen seit 2007. Der Japaner hat sechs Jahre hintereinander das Hotdog-Wettessen in New York gewonnen. Dann kam Chestnut und hat Kobayashi vom Thron gestoßen. Dem Japaner ist dann etwas Ähnliches passiert wie Joey Chestnut: 2010 wollte die Major League Eating einen Exklusivvertrag mit Takeru Kobayashi abschließen. Doch der Japaner hat abgelehnt und ist vom Hotdog-Wettessen ausgeschlossen worden. Er ist aber trotzdem nach Coney Island gekommen und in einem Shirt mit der Aufschrift "Free Kobayashi" zur Bühne gerannt, dort hat ihn die Polizei festgenommen.
Bald sehen sich Chestnut und Kobayashi wieder. Der Japaner ist der einzige Esser, der Chestnut gefährlich werden kann. Anfang September geht es wieder um die Wurst.
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Quelle: ntv.de