Weltklasse, aber weiter ratlos: Hummels verlässt die große Bühne mit komischen Gefühlen
Fußball

Mats Hummels muss nach der bitteren Niederlage erstmal kräftig durchpusten.
Borussia Dortmunds Abwehrchef Mats Hummels läuft in Wembley wieder zu großer Form auf, kann die Niederlage gegen Real Madrid aber nicht verhindern. Ob und wie es mit seiner Karriere nach diesem Champions-League-Finale weitergeht, lässt er weiterhin offen.
Um 19.17 Uhr Ortszeit betrat Mats Hummels den Rasen von Wembley, trabte los und klatschte mit erhobenen Händen über dem Kopf dem Dortmunder Anhang Beifall, der sich bereits vollzählig im Stadion eingefunden hatte. Während des Warmmachens schaute sich der Weltmeister von 2014 das Treiben auf der Tribüne an, beeindruckt von der Stimmgewalt und der Wucht, die die 25.000 in Schwarz-Gelb verbreiteten.
Schon da war zu spüren, wie sehr der 35-Jährige diesen Abend, diese Kulisse und dieses Spiel genoss, wie sehr er die große Bühne für sich nutzen wollte. Um zu zeigen, dass er auf der Zielgeraden seiner eindrucksvollen Karriere immer noch zu den Ausnahmekönnern gehört. Zu denen, die den Unterschied machen. Um Hummels, der sich nicht nur aufgrund seiner Klasse auf dem Spielfeld, sondern auch wegen seiner Eloquenz an den Mikrofonen und seines meinungsstarken Auftretens seit Jahren in exponierter Position befindet, gab es zuletzt ja jede Menge Gesprächsbedarf. Zum einen, weil er offen lässt, ob er seine Karriere beendet, noch ein Jahr beim BVB dranhängt oder eine letzte Herausforderung im Ausland sucht. "Ich habe tatsächlich keine Ahnung", sagte er in Wembley im ZDF-Interview. "Es fühlt sich komisch an, das nicht zu wissen."

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Zum anderen aber auch, weil er trotz seiner Galaform, die er seit Monaten zeigt, nicht mit zur EM fahren wird. Das Hinspiel im Champions-League-Halbfinale gegen Paris Saint Germain, in dem Hummels wieder mit einer überragenden Leistung geglänzt hatte, hatte der Manndecker für PR in eigner Sache genutzt. Hummels berichtete, in seiner reichhaltig gefüllten Trophäensammlung fehlen lediglich noch die Champions League und die Europameisterschaft. Er hoffe, auf der Zielgeraden seiner Karriere noch beide Lücken zu füllen.
"Dann machst du ein paar kleine Fehler …"
Das wird Wunschdenken bleiben, weil Hummels und der BVB das Finale von Wembley verloren, und weil ihn Julian Nagelsmann nicht in seinen Kader aufgenommen hat. Die Darbietung des Innenverteidigers bei der unglücklichen 0:2-Niederlage gegen Real bemüßigten einen Beobachter zu der Aussage, diesen Mann außen vor zu lassen, habe das Potential in der Hitliste der schlechtesten jemals getroffen Entscheidungen aller bisherigen Bundestrainer auf Platz eins zu landen. Man kann die Sache aber auch so sehen: Wenn Nagelsmann tatsächlich 27 Fußballer mit deutschem Pass gefunden hat, die besser sind als Mats Hummels, dürfte die DFB-Elf mit größtmöglicher Sicherheit Europameister werden. Dortmunds Abwehrchef mit der Rückennummer 15 muss sich allerdings über solche Dinge keine Gedanken mehr machen.
Stattdessen muss er damit klar kommen, dass am Ende mal wieder Real Madrid den Henkelpott in die Luft reckte, obwohl er und seine Mitspieler eine leidenschaftliche und mitreißende Partie auf den Rasen von Wembley gezaubert hatten. Hummels stufte das 0:2 als "extrem schmerzhaft" ein: "Wir haben ein großartiges Spiel gezeigt. Wir sind hier mit Mut, Herz und spielerischer Klasse aufgetreten. Mit allem, was dazugehört. Und dann machst du ein paar kleine Fehler und Real schlägt zu. Wie sie es seit gefühlt hundert Jahren machen."
BVB spielt Real an die Wand
Borussia Dortmund – Real Madrid 0:2 (0:0)
Tore: 0:1 Carvajal (74.), 0:2 Vinicius Junior (83.)
Dortmund: Kobel – Ryerson, Hummels, Schlotterbeck, Maatsen – Adeyemi (72. Reus), Sabitzer, Brandt (81. Haller), Can (80. Malen), Sancho (87. Bynoe-Gittens) – Füllkrug. – Trainer: Terzić
Madrid: Courtois – Carvajal, Nacho, Rüdiger, Mendy – Valverde, Camavinga, Bellingham (85. Joselu) – Kroos (86. Modric) – Rodrygo (90. Militao), Vinicius Junior (90+4. Vazquez). – Trainer: Ancelotti
Schiedsrichter: Slavko Vincic (Slowenien)
Gelbe Karten: Schlotterbeck, Sabitzer, Hummels – Vinicius Junior
Zuschauer: 86.212 (ausverkauft)
So sah es auch Hans-Joachim Watzke. Er sei "total enttäuscht, das ist ja völlig normal", gab der BVB-Boss zu Protokoll: "Ich war in der Halbzeit schon skeptisch, weil wir aus unserer großen Überlegenheit kein Tor gemacht haben. Du hast in einem Finale solche Chancen, und am Ende gewinnt wie immer Real Madrid."
Exakt so kann man das sehen. Die Borussia spielte ihren überaus beeindruckten Gegner in der ersten Halbzeit förmlich an die Wand, vermochte aber daraus kein Kapital zu schlagen. Ein 0:0 zur Halbzeit als Katastrophe einzuordnen, das mutet auf den ersten Blick maßlos übertrieben an, schließlich ist ja de facto noch nichts passiert. Aber bei diesem Spielverlauf und bei diesem Gegner hatten sämtliche Beobachter die ziemlich konkrete Ahnung, dass sich das für den BVB rächen würde. Fünf Chancen aus den Kategorien groß bis riesig, das war ein Wucher, den sich Real Madrid nie und nimmer leisten würde. Und siehe da, das Spielgeschehen nahm im zweiten Durchgang tatsächlich den allseits erwarteten Verlauf. Die beiden Treffer von Carvajal (nach Eckball von Toni Kroos) und Vinicius Junior trafen die sich tapfer wehrende Borussia mitten ins Herz.
Am Ende gibt Hummels den Seelentröster
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Am Ende von 90 aufregenden Minuten versuchte sich Hummels sogar noch als Mittelstürmer, um das unabwendbare Schicksal aufzuhalten. Da hatte der Routinier kaum noch die Kraft, noch einen Sprint anzusetzen. Nach dem Abpfiff war Mats Hummels dann als Seelentröster gefragt, vor allem Kollege Marcel Sabitzer, der weinend auf dem Rasen zusammengebrochen war, hatte Beistand nötig.
Als Mats Hummels wenig später beim Reporter des ZDF stand und seine Einschätzungen ins Mikrofon sprach, durfte die wichtigste Frage natürlich nicht fehlen: Wie geht es denn nun weiter nach der Sommerpause? Er habe "tatsächlich keine Ahnung", gab der Protagonist der Nacht von Wembley zu Protokoll: "Es fühlt sich etwas komisch an, aber ich weiß es wirklich nicht." In Dortmund wären sie gut beraten, alle erdenklichen Hebel in Bewegung zu setzen, um diesen Ausnahmekicker davon zu überzeugen, noch ein bisschen weiterzumachen.
Quelle: ntv.de