Verteidigung bei Maischberger: Generalinspekteur Breuer: “Wir haben eine aktuelle Bedrohung”
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Ab 2029 sei Russland zu einem größeren Krieg fähig, warnt Breuer.
Schier grenzenlos ist die Summe, die Deutschland nun in seine Aufrüstung stecken kann. Das hat der Bundestag beschlossen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr erklärt bei Maischberger, was in den nächsten Jahren erforderlich ist.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius spricht von einer "Nullnummer": Am Dienstag telefonieren US-Präsident Trump und sein russischer Amtskollege Putin miteinander. Sie beschließen unter anderem ein Spiel der Eishockeymannschaften beider Länder. Was sie nicht beschließen, ist ein schneller Frieden in der Ukraine.

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"Der Verteidigungsminister hat völlig recht", so der Militärexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München. Gemeinsam mit dem Inspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, macht er am Mittwochabend bei Sandra Maischberger in der ARD deutlich, was die Bundeswehr braucht, um eine wehrhafte Armee zu werden. Richtig klar sei nicht, was die beiden Politiker wirklich angeboten haben. Die nach dem Telefonat veröffentlichten Kommuniqués aus Russland und den USA sagen unterschiedliches aus. So sei unklar, ob man sich auf den Stopp des Beschusses der zivilen Infrastruktur oder der Infrastruktur und ziviler Ziele verständigt habe, sagt Masala. "Das ist weniger als das, was der ukrainische Präsident Selenskyj angeboten hat." Selenskyj hatte sich zu einem 30 Tage währenden Waffenstillstand bereit erklärt. Putin habe zudem vor einem möglichen Waffenstillstand die Einstellung sämtlicher Militärhilfe an die Ukraine gefordert. Außerdem dürften die ukrainischen Streitkräfte nicht durch weitere Soldaten aufgestockt werden. Masala: "Das Signal ist ganz eindeutig: Putin ist an einem Waffenstillstand nicht interessiert, kann Trump aber nicht brüskieren, indem er sagt, er sei an gar nichts interessiert, und bietet nur das an, was ihm nutzt, weil die ukrainischen Angriffe mit Drohnen auf die kritische Infrastruktur der Russen ja Erfolge zeigen."
"Das, was dort jetzt "verhandelt" worden ist, nutzt nur einem: Russland", fasst Breuer das Telefongespräch der beiden Staatsmänner zusammen, die der Moderator des Funk-Formats "Jung und Naiv", Tilo Jung, bei Maischberger "Faschisten" nennt.
Putin sitze bei diesen Gesprächen am längeren Hebel, so der Militärexperte. Trump wolle kurze Verhandlungen und einen schnellen Frieden. "Putin kann im Moment die Bedingungen diktieren. Und wenn er nicht bekommt, was er will, ist Putin natürlich auch in der Lage, diese Gespräche abzubrechen und den Krieg weiterzuführen.
Putin rüstet auf
Sollte es zu einem Waffenstillstand oder gar einem Frieden in der Ukraine kommen, könne Europa nicht durchatmen. Da ist sich Carsten Breuer sicher. "Das, was Putin auch über die letzten Jahre immer sehr deutlich gemacht hat, ist, dass es ihm auch, aber nicht nur um die Ukraine geht." Putin rüste auf, habe seine Soldaten seit Beginn des Krieges in der Ukraine verdoppelt. Seine Militärstrukturen zeigten klar Richtung Westen. "Das Hineintragen einer solchen Auseinandersetzung aus dem eigenen Land hinaus in Richtung Westen sichert Putin seine Macht in Russland", ist Breuer überzeugt. Die Beendigung des Krieges in der Ukraine werde nicht dazu führen, dass es Frieden auf dem europäischen Kontinent gebe. "Wir müssen uns anders aufstellen und müssen genau auf diese Bedrohung aus Russland achten."
Ob die Nato dazu in der Lage ist, hält Masala für ungewiss. "Die Nato hat im Moment ein Glaubwürdigkeitsproblem, das durch die Amerikaner verursacht wurde. Wenn das größte Allianzmitglied, die USA, die Frage stellt, warum man eigentlich Europäer verteidigen soll – oder auch Japan, die ja nicht bereit wären, die USA zu verteidigen, dann rüttelt das natürlich an den Grundfesten der Allianz."

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"Wir haben eine aktuelle Bedrohung", fügt Breuer hinzu. "Wir sehen die Drohnen über Kasernen, wo ukrainische Soldaten ausgebildet werden. Wir sehen Drohnen über Chemieparks. Wir merken, dass Sabotageakte nach oben gehen. Wir sehen, dass Spionage nach oben geht. Das ist Teil einer hybriden Kriegsführung." Russland wolle sich Zugänge für einen größeren Krieg verschaffen, es wolle Angriffsziele erkennen, und es wolle Verunsicherung in die Bevölkerung bringen. "Und das funktioniert."
Wie sich Deutschland verteidigen muss
Dagegen muss sich Deutschland verteidigen. Deswegen hat der Bundestag am Dienstag ein Finanzpaket für die Sicherheit Deutschlands beschlossen. Das Geld könne dazu verwendet werden, um bei Waffensystemen die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren und sie stattdessen in Europa herzustellen, empfiehlt Masala. Zudem muss Deutschland auch Geld für die eigene Verteidigungsfähigkeit ausgeben. Wie viel Geld, möchte Sandra Maischberger von Carsten Breuer wissen. "Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen", so dessen Antwort. "Es kommt sehr viel mehr darauf an, dass mit dem Konstrukt, das jetzt gefunden worden ist, das Anwachsen von Verteidigungsausgaben möglich sein kann. Also es ist nicht nur ein einmaliges Befüllen, sondern über diese Verstetigung bringen wir auch ein Stück Verlässlichkeit mit hinein, und zwar für die Planung innerhalb der Bundeswehr, aber vor allem für die Planung in der Industrie." So könne die Industrie schneller produzieren. Das sei nötig, weil Russland ab etwa 2029 zu einem größeren Krieg in der Lage sei.
"Das wichtigste ist Tempo", stimmt Masala zu. "Frankreichs Präsident Macron hat vor zwei Wochen gesagt, bis Europa verteidigungspolitisch souverän sei, würde es zehn Jahre dauern. Das würde ich teilen. Aber wir haben keine zehn Jahre. Deswegen ist in den nächsten vier Jahren Tempo angesagt, um diese Lücke so weit es geht zu schließen."

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Es entwickle sich etwas, und zwar zum Positiven, beschreibt Breuer die Lage für die für die Bundeswehr. Material sei in den letzten Jahren bestellt worden, müsse jedoch produziert werden. In den nächsten zwei Jahren werde die Bundeswehr besser ausgerüstet sein.
Gleichzeitig fehlt es der Bundeswehr an Personal, also vor allem an Soldaten. Masala schätzt, dass in den nächsten Jahren bis zu 60.000 Menschen zusätzlich benötigt werden und fordert deswegen eine "Kontingentwehrpflicht". "Das ist das schwedische Modell, das der Verteidigungsminister auch mal wollte", so Masala.
Das Ziel müsse sein, dass Russland keinen Angriff wage, sagen beide Experten. Dazu brauche es die nötige Abschreckung. "Und Gesellschaften, die sich bewusst darüber sind, dass diese demokratische Staatsform, in der wir leben, trotz aller ihrer Defizite wert ist, verteidigt zu werden", fügt Masala hinzu. "Damit meine ich nicht nur mit der Waffe in der Hand, sondern in jeder Form verteidigt zu werden, auch gegen die, die zweifeln."
Quelle: ntv.de