Verödung der Innenstädte: Wir kaufen unsere City zurück
Um kurz vor halb acht Uhr abends steht Martin Bieberle stolz zwischen Hundekissen und Lederhalsbändern. Bieberle, hellgrauer Anzug und blaues T-Shirt, ist City-Manager der Stadt Hanau. Die Eröffnung des "Von & Zu", einer Boutique für gehobenen Hundebedarf, ist auch für ihn ein besonderer Termin.
In dem Ladenlokal, 1-a-Lage in der Innenstadt, residierte zuletzt Gerry Weber. Weil die Fläche leer stand, griff die Stadt Hanau zu: Sie zahlt nun jeden Monat einige Tausend Euro Miete an die Eigentümer – und vermietet den Laden für jeweils drei Monate an Gründer unter. Pop-up-Store heißt das auf Neudeutsch.
Es ist der Versuch, die Verödung der Einkaufstraßen aufzuhalten. De facto aber ist es staatlich subventionierter Einzelhandel. Die Höhe der Miete bemisst sich am Umsatz, im schlimmsten Fall bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen. City-Manager Bieberle ist das erst einmal egal, er sucht bereits neue, "richtig gute Ideen", um weitere solche Ladenkonzepte umzusetzen.
Nicht nur in Hanau, landauf, landab wollen Städte und Gemeinden derzeit ihre Corona-geschwächten Zentren neu beleben. Und sind dafür bereit, finanziell ins Risiko zu gehen. Schon vor Corona hatten die Kommunen knapp 132 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Die Summe dürfte durch die wegbrechende Gewerbesteuer noch einmal sprunghaft angestiegen sein. Doch niedrige Zinsen, üppige Rettungspakete, vor allem aber die Angst vor dem Ausbluten der Innenstadt, lassen manchen Rathauschef dieser Tage von der selbst bewirtschafteten Fußgängerzone träumen: inhabergeführte Boutiquen und gehobene Gastronomie statt Ein-Euro-Shops und Spielhallen.