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Uno-Flüchtlingsbericht: Tod und Misshandlung auf dem Weg zum Mittelmeer

July 29
11:18 2020
Ein Geländewagen mit Migranten im Südwesten Libyens: Auf der Flucht zur afrikanischen Mittelmeerküste sterben Tausende Menschen aus West- und Ostafrika

Ein Geländewagen mit Migranten im Südwesten Libyens: Auf der Flucht zur afrikanischen Mittelmeerküste sterben Tausende Menschen aus West- und Ostafrika

Foto: Ahmed Jadallah/ REUTERS

Von den vielen Flüchtlingen, die bei der Überfahrt über das Mittelmeer umkommen, wird häufig berichtet. Doch nicht nur die Route übers Meer ist gefährlich, sondern auch die Strecken dorthin. Auf der Flucht zur afrikanischen Mittelmeerküste sterben Tausende Menschen aus West- und Ostafrika. Ein neuer Bericht mit dem Titel "Auf dieser Reise kümmert es niemanden, ob du lebst oder stirbst", der vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR und dem Mixed Migration Center (MMC), einem Datenverarbeitungszentrum des dänischen Flüchtlingsrats, veröffentlicht wurde, beschreibt das Leid, dem Flüchtlinge ausgesetzt sind.

Der Bericht konzentrierte sich hauptsächlich auf Routen nach Libyen und Ägypten. Als Täter werden unter anderem Schmuggler, Menschenhändler, Milizen und in einigen Fällen Staatsbeamte genannt.

"Schon viel zu lange sind die erschütternden Missbräuche von Flüchtlingen und Migranten auf diesen Überlandrouten weitgehend unsichtbar geblieben", sagt Uno-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. "Dieser Bericht dokumentiert Morde und weitverbreitete Gewalt der brutalsten Art, verübt gegen verzweifelte Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen."

Genaue Todeszahlen zu ermitteln ist schwierig, da Menschen auf der Flucht sich nicht vorab registrieren und viele sich in den Händen von Menschenschmugglern und Menschenhändlern befinden. Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.

Der Bericht bezieht sich auf die Daten von MMC und zusätzliche Daten aus anderen Quellen. Das Ergebnis: Mindestens 1750 Menschen sollen in den Jahren 2018 und 2019 auf einer Fluchtroute Richtung Mittelmeer gestorben sein. Das entspricht mindestens 72 Todesfällen pro Monat. Laut der Studie ist es somit "für Flüchtlinge und Migranten eine der tödlichsten Routen der Welt".

Im Jahr 2020 wurden bereits mindestens 70 verstorbene Flüchtlinge und Migranten ermittelt. Darunter mindestens 30 Menschen, die Ende Mai durch Menschenhändler in Mizdah, einer Oasenstadt in Libyen, getötet worden sind.

Hinzu kommen Tausende Todesfälle von Menschen, die in den vergangenen Jahren die nordafrikanischen Küsten erreicht haben, aber bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren und nach Europa zu gelangen, verschwunden oder gestorben sind.

2019 befanden sich so viele Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und Elend wie noch nie seit Beginn der Uno-Aufzeichnungen. Laut UNHCR waren es 79,5 Millionen Menschen – und damit mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung. Verglichen mit dem Vorjahr war es ein Anstieg um fast neun Millionen Menschen.

Rund 28 Prozent der in den Jahren 2018 und 2019 gemeldeten Todesfälle ereigneten sich, als Menschen versuchten, die Sahara zu durchqueren. Weitere Hotspots für Todesfälle waren Sabha, Kufra und Qatrun im Süden Libyens, das Schmuggelzentrum von Bani Walid südöstlich von Tripolis und mehrere Orte entlang der westafrikanischen Fluchtroute, darunter Bamako, die Hauptstadt von Mali, und Agadez in Niger.

Die Männer, Frauen und Kinder, die überleben, leiden oft unter Traumata und haben schwere psychische Probleme. Für viele ist die Ankunft in Libyen die letzte Station einer Reise, die von Misshandlungen wie Folter, Zwangsarbeit und Schlägen geprägt war – sowie dem Beiwohnen von willkürlichen Morden. Einige berichten mit heißem Öl, geschmolzenem Kunststoff oder erhitzten Metallgegenständen verbrannt worden zu sein. Einigen wurden Stromschläge zugefügt oder sie wurden in schmerzhaften Stresspositionen gefesselt.

Frauen und Mädchen, aber auch Männer und Jungen sind laut dem Uno-Bericht außerdem einem hohen Risiko von Vergewaltigung sowie sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, insbesondere an Kontrollpunkten und in Grenzgebieten sowie bei Wüstenübergängen.

Rund 31 Prozent der von MMC befragten Menschen, die 2018 oder 2019 sexuelle Gewalt erlebten, waren ihr an mehr als einem Ort ausgesetzt. In Nord- und Ostafrika waren Schmuggler die Haupttäter, sie machten 60 und 90 Prozent der gemeldeten Übergriffe auf den jeweiligen Routen aus. In Westafrika werden Sicherheitskräfte, Militär- und Polizeibeamte als Haupttäter genannt. Gut ein Viertel der dort gemeldeten Missbräuche geht auf sie zurück.

Viele Menschen gaben außerdem an, von Menschenhändlern zur Prostitution oder zu anderen Formen der sexuellen Ausbeutung gezwungen worden zu sein. Zwischen Januar 2017 und Dezember 2019 verzeichnete UNHCR allein im Ostsudan mehr als 630 Fälle von Flüchtlingshandel. Darunter gut 200 Frauen und Mädchen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren.

Im vergangenen Jahr versuchten nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 100.000 Flüchtlinge, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Viele, die versuchen, über den Seeweg Europa zu erreichen, werden von der libyschen Küstenwache abgefangen.

Im Jahr 2020 waren das bislang mehr als 6200 Flüchtlinge und Migranten. Die Uno befürchtet, dass die endgültige Zahl für dieses Jahr die des Vorjahres bei Weitem übersteigen wird. 9035 Menschen wurden 2019 nach Libyen zurückgebracht. Häufig wurden sie willkürlich in Haftanstalten festgehalten, wo sie täglichen Misshandlungen ausgesetzt waren. Andere landeten in inoffiziellen Zentren oder Lagern, die von Schmugglern und Menschenhändlern kontrolliert werden, die die Flüchtlinge ebenfalls körperlich misshandelten.

"Die nachlässige Behandlung von Flüchtlingen und Migranten, die wir auf diesen Wegen beobachten, ist inakzeptabel", sagt Bram Frouws, Leiter des MMC. "Die Daten, die wir zur Verfügung stellen, zeigen erneut, dass Libyen kein sicherer Ort ist, an den Menschen zurückkehren können."

Der Uno-Bericht hält größere Anstrengungen für erforderlich, um Schutz von Menschen auf Flüchtlingsrouten zu schaffen. Es bedürfe rechtlicher Alternativen zu diesen gefährlichen Reisen, die aus Verzweiflung unternommen würden. "Zwischen den Staaten ist eine engere Zusammenarbeit erforderlich, um die kriminellen Täter dieser schrecklichen Missbräuche an verschiedenen Stellen entlang der Routen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen", heißt es in dem Bericht. Auch solle niemand, der auf See gerettet wird, in Libyen in Gefahr gebracht werden.

Zudem sei es notwendig, "wichtige Informationen mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden auszutauschen, Schmuggel- und Handelsnetze abzubauen und ihre finanziellen Vermögenswerte einzufrieren. Die nationalen Behörden sollten auch größere Schritte unternehmen, um Berichte über Missbräuche durch Staatsbeamte zu untersuchen."

Nicht zuletzt müssten die Hauptursachen für Flucht, darunter Gewalt, Konflikte und Verfolgung, angegangen werden.

Icon: Der Spiegel

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