Ukraine-Russland-News am Dienstag: Olaf Scholz telefoniert mit Wladimir Putin
Lange gab es keinen direkten Kontakt zwischen Berlin und Moskau. Nun haben der Kanzler und der Diktator wieder gesprochen – laut Regierungssprecher 90 Minuten lang. Und: Ukraine schießt eigenen Angaben zufolge iranische Drohne ab. Die News.
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Scholz-Telefonat mit Putin – die Version des Kremls
19.23 Uhr: Dass der Kreml die Informationen, die in Russland verbreitet werden, bestimmt, ist hinlänglich bekannt. Umso interessanter ist es, die verschiedenen Themensetzungen in offiziellen Presseveröffentlichungen zu verfolgen – wie nun nach dem ersten Telefonat zwischen Olaf Scholz und Wladimir Putin seit Mai. Scholz machte laut Regierungssprecher unter anderem deutlich, dass sich die russischen Streitkräfte aus der Ukraine zurückziehen sollten. Auch eine Gewährleistung der Sicherheit rund um das umkämpfte Atomkraftwerk Saporischschja forderte der deutsche Regierungschef. Aus dem Kreml hieß es ebenfalls, dass die Lage in Enerhodar, wo das Atomkraftwerk steht, besprochen worden sei.
In der Mitteilung stellte der Kreml aber heraus, dass Russland ja bereit sei, ein zuverlässiger Energielieferant zu bleiben. Das Narrativ, die ausbleibenden Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 lägen an den EU-Sanktionen, streut Moskau nicht zum ersten Mal. Es gebe mit Nord Stream 2 schließlich eine weitere, funktionierende Röhre. Der Westen hingegen wirft Putin vor, die Gaslieferungen als Druckmittel im Ukrainekrieg zu nutzen.
EU-Sanktionen schaden laut Borrell russischem Militär
19.13 Uhr: Moskau gibt sich allzu viel Mühe, dem Westen zu zeigen, dass dessen Sanktionen gewissermaßen im Sande verlaufen. Dass es nicht ganz so ist, zeigen nun neue Äußerungen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vor Abgeordneten in Straßburg. Demnach schadeten die EU-Sanktionen dem russischen Militär deutlich. Russland falle die Instandhaltung seiner Waffen und seiner militärischen Ausrüstung zunehmend schwer. Grund dafür sei, dass etwa die Hälfte der russischen Technologie von europäischen Importen abhänge. Diese Einfuhren seien jedoch aufgrund der Sanktionen zum Erliegen gekommen, sagte Borrell. Russland sei nicht mehr in der Lage »die großen militärischen Verluste, die es erlitten habe, zu überwinden«.
Scholz spricht wieder mit Putin
18.23 Uhr: Erstmals seit vielen Wochen hat Bundeskanzler Olaf Scholz wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. In dem 90-minütigen Gespräch habe Scholz darauf gedrungen, dass es so schnell wie möglich zu einer diplomatischen Lösung des russischen Krieges in der Ukraine komme, die auf einem Waffenstillstand, einem vollständigen Rückzug der russischen Truppen und Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine basiere, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.
Uno berichtet von Problemen bei russischem Teil des Getreideabkommens
18.10 Uhr: Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine – unter Vermittlung der Uno und Türkei – sorgte zuletzt wiederholt für Ärger. Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan kritisierten jeweils die Umsetzung des Abkommens, die Frachtschiffe erreichten demnach gar nicht die armen Länder, die das Getreide so dringend benötigten. Die Uno räumt nun Probleme mit dem russischen Teil ein. Während die Ausfuhr von Nahrungsmitteln aus der Ukraine über einen Korridor im Schwarzen Meer deutlich an Fahrt aufgenommen habe, stocke vor allem der Export russischer Dünger. Dies liege vor allem an Unsicherheit in der privaten Wirtschaft, dass eine Ausfuhr vermeintlich europäische Sanktionen gegen Russland verletzten könnte – dies habe zu Zurückhaltung geführt.
Ukraine schießt eigenen Angaben zufolge iranische Drohne ab
17.34 Uhr: Die Frage nach den Waffenlieferungen betrifft nicht nur die ukrainische Seite. Auch Russland benötigt Waffensysteme, ist international aber teilweise isoliert. Einer der Unterstützer könnte Iran sein , das sagen zumindest Kiew und Washington. Das ukrainische Verteidigungsministerium hat nun eigenen Angaben zufolge einen weiteren Anhaltspunkt dafür gefunden: Demnach habe man eine iranische Shahed-136-Drohne abgeschossen, die von russischen Streitkräften genutzt worden sei. Das Ministerium veröffentlichte Bilder der Drohne, die in der Nähe der zuletzt durch die Ukraine zurückeroberten Stadt Kupjansk »eliminiert« worden sei.
Nach der Niederlage im Nordosten des Landes griff Russland kritische Infrastruktur ukrainischen Angaben zufolge aus der Luft an. Die Großstadt Charkiw ist seit dem Wochenende immer wieder ohne Stromversorgung.
Putin und Xi sprechen laut Kreml über Ukraine und Taiwan
16.55 Uhr: Ablenkung vor dem militärischen Desaster im ukrainischen Osten findet Wladimir Putin im Russland-China-Gipfel in Usbekistan am Donnerstag. Wie der Kreml nun mitteilte, werde es in dem Gespräch um die Ukraine und Taiwan gehen, das Treffen sei angesichts der geopolitischen Lage »von besonderer Bedeutung«. Wie wichtig das Treffen auch für den russischen Verbündeten China ist, zeigt, dass Staatschef Xi Jinping dafür erstmals seit mehr als zwei Jahren das Land verlassen wird. Einer der Berater Putins, Juri Uschakow, sagte in Moskau, Moskau schätze die chinesische Haltung in der »Ukrainekrise«, wie er den Angriffskrieg bezeichnete.
China verstehe die Gründe für Russlands selbst ernannten »Spezialoperation«, sagte Uschakow. Eine mögliche Anspielung auf die Lage in der Taiwanstraße , wo China die Unabhängigkeit der demokratischen Republik anzweifelt.
Verteidigungsministerium spricht von 3800 befreiten Quadratkilometern in Region Charkiw
16.24 Uhr: Die ukrainische Gegenoffensive im Nordosten war das bestimmende Thema der vergangenen Tage . Nun teilte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Malyar mit, dass seit dem Start der Operation in der vergangenen Woche insgesamt 3800 Quadratkilometer in der Oblast Charkiw zurückerobert worden seien. Malyar sprach im ukrainischen Fernsehen live aus der zurückeroberten Stadt Balaklija, in der ukrainische Truppen am Samstag die ukrainische Flagge gehisst hatten. Laut Malyar seien 300 Siedlungen und etwa 150.000 Einwohnerinnen und Einwohner befreit worden.
Auch eine Warnung an die verbliebenen russischen Kräfte in der Region sprach Malyar aus: »Die Operation geht weiter. Ihr Ziel ist die vollständige Befreiung der Region Charkiw. Wir glauben, dies wird in naher Zukunft passieren.«
Fast 180.000 ukrainische Kinder an deutschen Schulen
15.22 Uhr: Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen ist weiter gestiegen. Die Bundesländer meldeten für die am Sonntag zu Ende gegangene 36. Kalenderwoche 179.218 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an den Schulen, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) mitteilte. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl damit um 6431 an. Bayern und Baden-Württemberg veröffentlichten wegen der Sommerferien noch keine aktuellen Zahlen. Die von der KMK angegebenen Schülerzahlen beziehen sich auf allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen.
Russland meldet massive Angriffe auf ukrainische Streitkräfte an allen Fronten
14.23 Uhr: Die russische Armee hat eigenen Angaben zufolge die ukrainischen Streitkräfte an allen Frontlinien massiv bombardiert. »Die Luft- und Raketen-Streitkräfte sowie die russische Artillerie führen in allen Einsatzgebieten massive Angriffe gegen Einheiten der ukrainischen Streitkräfte aus«, teilte das russische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Bericht mit. Explizit genannt wurden Angriffe bei Slowjansk, Konstantinowka und Bachmut im Osten der Ukraine, in den Regionen Mykolajiw und Saporischschja im Süden sowie in Charkiw im Nordosten.
Der Kreml beschuldigte Kiew, Einwohner der zurückeroberten Gebiete zu misshandeln (die Ukraine wiederum spricht davon, in einer zurückeroberten Ortschaft vier Leichen mit »Spuren von Folter« entdeckt zu haben, siehe Eintrag von 8.40 Uhr). Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptete, es gebe »viele Strafaktionen gegen die Einwohner der Region Charkiw, Menschen werden gefoltert, misshandelt«. Auf Videoaufnahmen der vergangenen Tage aus zurückeroberten Gebieten war hingegen zu sehen, wie Bewohnerinnen und Bewohner ukrainische Soldaten freudig begrüßen:
Zu wenige Schlafplätze – Städtetag fordert Flüchtlingsgipfel
13.56 Uhr: Der Deutsche Städtetag hat die Bundesregierung aufgefordert, so schnell wie möglich einen neuen Flüchtlingsgipfel mit Ländern und Kommunen einzuberufen. Dort müsse dann über eine faire Verteilung gesprochen werden, sagte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU). Aus Sicht des Städtetages ist es alarmierend, dass sich immer mehr Bundesländer für die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge sperren lassen. Dadurch funktioniere die Verteilung der Geflüchteten nicht mehr, sagte Lewe. Der Bund müsse rasch eingreifen und koordinieren.
Derzeit haben nach Auskunft des Bundesinnenministeriums 9 der 16 Bundesländer eine Sperre im Erstverteilungssystem aktiviert. Der Städtetag rechnet damit, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mit Beginn der kalten Jahreszeit steigen wird. Zudem sei absehbar, dass manche Ukrainerinnen und Ukrainer, die bereits in Deutschland seien, nicht länger in privaten Haushalten bleiben könnten und dann staatlich untergebracht werden müssten.
Ukrainischer Außenminister wirft Deutschland »abstrakte Ängste und Ausreden« vor
13.16 Uhr: Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hält Deutschland vor, Kiews Bitten um Leopard-Panzer und Marder-Schützenpanzer zu ignorieren. »Enttäuschende Signale aus Deutschland, während die Ukraine jetzt Leopards und Marder braucht – um die Menschen zu befreien und sie vor einem Völkermord zu bewahren«, schrieb Kuleba auf Twitter.