Ukraine: Russen haben offenbar Stadt in Luhansk verlassen
Die Ukraine setzt ihre Offensive gegen die russischen Invasoren im Nordosten fort. Nun sollen die Russen erste Orte im Gebiet Luhansk verlassen haben. Kiew forderte eine Intensivierung der westlichen Waffenlieferungen.
Die russischen Soldaten geraten angesichts der ukrainischen Gegenoffensive im Nordosten des Landes weiter unter Druck. Nach ihrer Niederlage in der Region bei Charkiw ziehen sich Russlands Truppen ukrainischen Angaben zufolge nun auch aus ersten Orten im Nachbargebiet Luhansk zurück.
»Heute ist (die Kleinstadt) Kreminna völlig leer«, sagte Serhij Hajdaj, der ukrainische Militärgouverneur von Luhansk. »Es gibt keine Polizei, keine Kommandantur, keine Staatsanwaltschaft – es gibt niemanden mehr, sie sind alle weggelaufen.« Unabhängig überprüft werden konnten diese Aussagen zunächst nicht.
Russische Militärblogger hatten allerdings bereits am Montag von der Erstürmung der Ortschaft Bilohoriwka durch ukrainische Streitkräfte berichtet. Bilohoriwka liegt in der Nähe von Kreminna am anderen Ufer des Flusses Siwerskyj Donez.
Ukraine will alle besetzen Gebieten befreien
Angesichts ihrer anhaltenden Gegenoffensive hält die Ukraine am Ziel einer vollständigen Befreiung der russisch besetzten Gebiete fest. Unter dem Druck der ukrainischen Truppen hatte sich Russlands Armee am vergangenen Wochenende aus dem Gebiet Charkiw zurückziehen müssen. Mithilfe westlicher Waffen will Kiew nun auch die besetzten Teile der angrenzenden Regionen Luhansk und Donezk zurückerobern. Russland hatte die vollständige Einnahme von Luhansk im Juli gemeldet. In Donezk halten die Ukrainer eigenen Angaben zufolge derzeit rund 40 Prozent des Gebiets.
Die Streitkräfte kämen im Nordwesten um die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw weiter gut voran, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar der Nachrichtenagentur Reuters. Dies liege daran, dass die Truppe höchst motiviert und die Operation gut geplant sei. »Die Kämpfe dauern an«, sagte Maljar und fügte hinzu: »Das Ziel ist, die Region Charkiw zu befreien und darüber hinaus alle Gebiete, die von der Russischen Föderation besetzt sind.«
Selenskyj fordert weitere Waffenlieferungen – insbesondere von Deutschland
Maljar befand sich auf dem Weg nach Balaklija rund 74 Kilometer südöstlich von Charkiw, ein strategisch wichtiger Ort für den Nachschub der ukrainischen Truppen, den sie Ende vergangene Woche eingenommen haben. Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj haben die ukrainischen Truppen mittlerweile ein Gebiet von 6000 Quadratkilometern zurückerobert. In seiner nächtlichen Videobotschaft mahnte Selenskyj, der Westen müsse jetzt die Waffenlieferungen intensivieren. Er appellierte, »die Zusammenarbeit zu verstärken, um den russischen Terror zu besiegen«. Insbesondere fordert die Ukraine die Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern, vor allem aus Deutschland, und nennt dabei konkret den Kampfpanzer Leopard.
Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte der Ukraine zwar erneut anhaltende Hilfe zu. »Die Ukraine preiszugeben, brächte keinen Frieden, im Gegenteil«, sagte Scholz in Berlin. Allerdings lehnt Scholz die Lieferung von Kampfpanzern weiterhin ab, mit der Begründung, dass es keine Alleingänge Deutschlands geben werde. Die US-Regierung signalisierte aber, der Bundesregierung bei der Lieferung von Waffen freie Hand zu lassen. »Wir wissen die militärische Unterstützung Deutschlands für die Ukraine zu schätzen und werden uns weiterhin eng mit Berlin abstimmen«, schrieb die US-Botschaft in Berlin auf Twitter. Aber: »Die Entscheidung über die Art der Hilfen liegt letztlich bei jedem Land selbst.«
US-Außenminister Antony Blinken bescheinigte den ukrainischen Streitkräften bei ihrer Gegenoffensive »bedeutende Fortschritte«. »Ihr Vorgehen war sehr systematisch geplant und wurde natürlich von den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern unterstützt, um sicherzustellen, dass die Ukraine über die Ausrüstung verfügt, die sie zur Durchführung dieser Gegenoffensive benötigt«, sagte Blinken auf einer Pressekonferenz in Mexiko. Die ukrainische Offensive gegen die russischen Streitkräfte befinde sich noch im Anfangsstadium, es seien aber bereits bedeutende Fortschritte erzielt worden. Angesichts der Verluste, die Russland erlitten habe, sollte Russland dem Ganzen jetzt ein Ende setzen.