Ukraine-Krieg: »Die russische Armee hat uns ihre beste Seite gezeigt – ihre Rückseite«
Die ukrainische Armee erobert eine Stadt nach der anderen, Putins Truppen sind auf dem Rückzug. Sogar am Flughafen Donezk soll es Kämpfe geben. Präsident Selenskyj zeigt sich entsprechend selbstbewusst.
Es sind selbstbewusste Töne, die am Samstag aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew kamen. Im Februar war die Ukraine von Russland angegriffen worden – nun bewegen sich die Truppen in die andere Richtung: Die Ukraine schlägt zurück , sie erobert Städte von den russischen Besatzern zurück. Eine nach der anderen: Krupjansk, Balaklija, Isjum.
Der Chef der russischen Militärverwaltung der Oblast Charkiw, Witali Gantschew, rief Bewohnerinnen und Bewohner dazu auf, die Region zu verlassen. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium einen de-facto-Rückzug aus der strategisch wichtigen Stadt Isjum sowie Balaklija verkündet und von einer »Umgruppierung« gesprochen.
2000 Quadratkilometer habe die ukrainische Armee zurückerobert, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. »In den vergangenen Tagen hat uns die russische Armee ihre beste Seite gezeigt – ihre Rückseite.« Es sei »eine gute Wahl für sie, zu fliehen«. In der Ukraine gebe es »keinen Platz für die Besatzer«, sagte Selenskyj.
Auch mithilfe westlicher Waffen hat die ukrainische Armee vor einigen Wochen mit einer Gegenoffensive begonnen. Einschließlich einer seit Dienstag laufenden Überraschungsoffensive im Nordosten des Landes.
Die russische Frontlinie in der Region ist Militärexperten zufolge durchbrochen. Den gesamten Samstag über gab es Berichte, dass die ukrainische Armee auf die Wiedereinnahme immer neuer Territorien zusteuere: Lyssytschansk in der Oblast Luhansk etwa. Selbst Kämpfe um den Donezker Flughafen, seit 2014 unter russischer Kontrolle, soll es geben.
Ukraine fordert mehr Waffen
Und die Ukraine will mehr: In einem Treffen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Kiew drängte ihr ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba auf die Lieferung von Kampfpanzern. Bis sich Berlin dazu entschließe, solle Deutschland weiter Artilleriemunition liefern. »Das erhöht spürbar unsere Offensivmöglichkeiten und das hilft uns bei der Befreiung neuer Gebiete«, sagte er.
Baerbock reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung. »Wir liefern ja seit Längerem bereits schwere Waffen. Und wir sehen, dass diese schweren Waffen auch einen Unterschied mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine machen«, sagte sie.
Kuleba verwies auch auf die Gegenoffensive. Deren Erfolg zeige, dass die Ukraine gegen Russland gewinnen könne. Aber: Es brauche dafür mehr Waffen. »Je mehr Waffen wir erhalten, desto schneller werden wir gewinnen und desto schneller wird dieser Krieg enden.« Ein Ende des Krieges bedeute die Lösung einer Vielzahl von Problemen, betonte Kuleba.
»Ich weiß, dass die Zeit drängt«, sagte Baerbock auf der gemeinsamen Pressekonferenz. »Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend.«