Trittin bei Maischberger: Abschied eines grünen Urgesteins
Politik

Grünen-Urgestein Jürgen Trittin: nicht nur ein politisches Schwergewicht, sondern auch jemand mit Gespür für wunderbar sitzende Anzüge.
Jürgen Trittin gilt als der Ur-Grüne schlechthin. Am Montag hat er sich endgültig aus der Tagespolitik verabschiedet. In der ARD-Talkshow "Maischberger" blickt Trittin am Mittwochabend auf sein politisches Leben – und auch ein bisschen in die Glaskugel.
Er hat die Grünen geprägt wie kaum ein anderer: Jürgen Trittin. Am Montag verabschiedete sich der Ur-Grüne, der in zwei Monaten 70 Jahre alt wird, aus der Tagespolitik. "Ich werde mich raushalten, das aktuell Tagespolitische zu kommentieren", verspricht er am Mittwochabend in der ARD-Talkshow "Maischberger". Schwer zu glauben, dass er sich daran halten wird.
Er ist ein politisches Urgestein. Als Bundestagsabgeordneter, Spitzenkandidat, Bundesumweltminister hat er die Politik in Deutschland geprägt. Er gilt als Vater des Atomausstiegs, auch wenn er das nicht gerne hört. Für seine Abschiedsfeier am vergangenen Montag hatte er sich eine Überraschung ausgedacht: Er hat Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeladen. Sie sollte die Laudatio halten. Immerhin ist sie Ausdruck einer besonderen politischen Niederlage Trittins: Der hat es sechzehn Jahre lang nicht geschafft, sie aus dem Kanzleramt zu vertreiben.
Im Gegenteil: Beinahe hätte er sogar in einer schwarz-grünen Koalition mitregiert. 2013 war das. Gerade war die Koalition der Union mit der FDP mit einem Knall zu Ende gegangen: Die Liberalen waren bei den Bundestagswahlen krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Eine Koalition mit den Sozialdemokraten hatte die CDU eigentlich nicht angestrebt.

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So kam es zu Sondierungsgesprächen mit den Grünen, auch Trittin war dabei. Zwei Sondierungsrunden gab es, dann war Schluss. Trittin erinnert sich noch gut daran. Die Grünen wollten einen ambitionierten Klimaschutz und mehr Geld in Bildung investieren, aber bei der Union habe es damals keine Bewegung gegeben. "Der Hintergrund war relativ einfach", erzählt Trittin: "Die CSU wollte auf jeden Fall die Koalition mit der SPD." Die war dann auch ein leichterer Verhandlungspartner als die Grünen. Acht Jahre GroKo folgten.
Ein Grund für das Scheitern der Koalition aus Union und FDP war die häufigen Meinungsverschiedenheiten der Parteien, die immer wieder in Streitigkeiten mündeten, vor allem zwischen FDP und CSU. Parallelen mit der aktuellen Situation in der Ampelkoalition sind erkennbar, nur dass bei schwarz-gelb der Streit schon kurz nach der Zusammenarbeit begann.
Der Ampelstreit
Und wie blickt Trittin auf die Zukunft der Ampel? Ob die Koalition halten werde, das hänge von den Haushaltsberatungen ab, sagt er. "Man geht von dem übergeordneten Interesse aller Koalitionspartner aus, dass sie diese Koalition zu Ende führen wollen. Und wenn die Haushaltsverhandlungen scheitern, dann hat ein Koalitionspartner entschieden, dass sie lieber die Regierung zu Ende bringen, als sie ordentlich zu Ende zu bringen." Doch dass das passiert, glaubt Trittin nicht. "Das strategische Interesse, diese Koalition zu Ende zu führen, ist bei allen Koalitionspartnern eigentlich überwiegend."
Die Ampelparteien brauchten jetzt die Fähigkeit, schwierige Zeiten und Rückschläge durchzuhalten und dann mit den Leistungen an der Regierung in den Wahlkampf zu gehen. Das sei das Erfolgsrezept der Grünen gewesen, so Trittin.
Der Atomausstieg
Zu diesen Leistungen gehört nach Ansicht Trittins der Atomausstieg, für den er jahrzehntelang gekämpft hat. Inzwischen kommen 60 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Und der Bau neuer Atomkraftwerke sei teuer. So teuer, dass in den USA in den letzten 45 Jahren nur ein einziger neuer Reaktorblock ans Netz gegangen sei, begründet Trittin noch einmal seine Entscheidung, für das AKW-Aus in Deutschland zu streiten.

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Zu Trittins politischer Bilanz gehört auch, dass er sich für die Teilnahme der Bundeswehr an Kriegseinsätzen ausgesprochen hat – 1998 im Kosovo, später in Mazedonien und Afghanistan. Die Grünen, einst Friedenspartei, werden heute von vielen als Kriegstreiber wahrgenommen. Zu Unrecht, sagt Trittin. "Der Kriegstreiber, den wir heute haben, ist Wladimir Putin." Trittin fordert: "Wir müssen wieder in Landesverteidigung investieren. Und wir müssen bei dieser Gelegenheit auch die Rüstungsdefizite beheben."
Die Liste der politischen Erfolge Trittins ist groß. Und vielleicht – man kann ja mal fantasieren – vielleicht steht ihm der größte Erfolg noch bevor. Immerhin war er es, der Angela Merkel im Februar angerufen und zu seiner Abschiedsveranstaltung eingeladen hat. Und während sie den Parteitag der CDU nicht besuchte, fühlte sich die Ex-Kanzlerin bei den Grünen sichtlich wohl. Einem Parteiwechsel Merkels würde nichts im Wege stehen. Das wäre dann die Krönung der politischen Laufbahn des grünen Urgesteins Jürgen Trittin.
Quelle: ntv.de