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Straferlass für Roger Stone: Der beste Mann von Donald Trump

July 11
19:24 2020
Roger Stone hat ein Faible für Autokraten und schmutzige politische Tricks. Außerdem mag er extravagante Anzüge, Hüte und Brillen Icon: vergrößern

Roger Stone hat ein Faible für Autokraten und schmutzige politische Tricks. Außerdem mag er extravagante Anzüge, Hüte und Brillen

Foto: SAMUEL CORUM/EPA-EFE/Shutterstock

Die Präsidentschaft von Donald Trump besteht aus einem endlosen Malstrom von Affären, Twitter-Botschaften und Breaking News. Allerdings gibt es in dieser Geschichte eine Konstante, das ist Roger Stone. Der Name taucht seit Jahren immer wieder in den Schlagzeilen auf, ein wenig wie das Monster von Loch Ness.

In den vergangenen Monaten schien Roger Stone zwischen Coronakrise und Black-Lives-Matter-Protesten wieder einmal fast vergessen, doch nun drängt der Fall von Trumps langjährigem Weggefährten und Berater mit Macht zurück in den Vordergrund.

Der US-Präsident hat von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch gemacht und Stone eine etwas mehr als drei Jahre dauernde Gefängnisstrafe erlassen. Eigentlich sollte Stone sie am 14. Juli antreten. Trump begründete seine Entscheidung unter anderem mit der aus seiner Sicht vollkommen ungerechten Behandlung Stones durch die US-Justiz im Zuge der Russlandaffäre.

Nachricht am Freitagabend

Verkündet wurde die Verfügung, wie so oft in dieser Präsidentschaft, am Freitagabend. Üblicherweise ist dieser Termin für besonders unangenehme Botschaften reserviert, von denen die Regierung hofft, dass sie im Wochenende halbwegs untergehen.

"Roger Stone ist ein Opfer der erfundenen Russland-Geschichte, die die Linke und ihre Verbündeten in den Medien seit Jahren verfolgt haben, um die Präsidentschaft von Donald Trump zu unterminieren", erklärte das Weiße Haus. Es gehe auch darum, Stone vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus zu bewahren, hieß es weiter.

Der heikle Punkt im Fall Stone ist, dass er sich auf zwei Arten interpretieren lässt. Donald Trump stellt die Sache so dar, als helfe er einem armen Kerl aus der Patsche, der quasi zum Opfer einer völlig wildgewordenen Justiz wurde.

Besonders eklatanter Fall von Amigo-Wirtschaft

In der Realität ist es aber wohl eher so, dass hier ein besonders eklatanter Fall von Amigo-Wirtschaft zu besichtigen ist. Dass der US-Präsident seine Macht zur Begnadigung von verurteilten Straftätern ausgerechnet dazu einsetzt, um einen seiner ältesten Kumpels vor dem Gefängnis zu bewahren, erscheint wie ein groteskes Lehrbeispiel von Amtsmissbrauch und Korruption an höchster Stelle.

Die Reaktionen bei Trumps politischen Gegnern sind entsprechend: "Mit dieser Entscheidung macht Trump deutlich, dass es zwei Justizsysteme in den USA gibt, eins für seine kriminellen Freunde und eins für alle anderen Straftäter", sagte Adam Schiff, der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus.

Andere Demokraten legten den Verdacht nahe, Trump könnte Stone nur deshalb geholfen haben, um so sein Schweigen zu erkaufen. "Kein anderer Präsident hat seine Macht jemals für so persönliche und eigennützige Zwecke eingesetzt", urteilten die Abgeordneten Jerry Nadler und Carolyn Maloney.

Loyaler Fahrensmann des Präsidenten

Zweifelsohne kann Stone als loyaler Fahrensmann des Präsidenten bezeichnet werden. Der 67-Jährige wurde von einem Gericht in Washington verurteilt, weil er in der Russlandaffäre nachweislich mehrfach gegenüber Ermittlern gelogen hatte.

Er schaffte mögliches Beweismaterial zur Seite, nahm Einfluss auf Zeugen und machte schließlich auch gegenüber dem Kongress falsche Aussagen. Es steht der Verdacht im Raum, dass Stone das nicht nur tat, um mögliche eigene Vergehen zu vertuschen, sondern auch, um den Präsidenten zu beschützen.

Stone selbst erklärte gerade erst in einem Interview, er habe unter enormen Druck der Ermittler in der Russlandaffäre gestanden, gegen Trump auszusagen. "Das hätte meine Lage deutlich verbessert. Aber ich habe es nicht getan."

Dreh- und Angelpunkt in der Stone-Affäre ist der Wahlkampf 2016 und die Veröffentlichung von vertraulichen E-Mails aus der Wahlkampfzentrale von Trumps damaliger Gegnerin Hillary Clinton durch die Enthüllungsplattform WikiLeaks:

  • Die E-Mails waren damals von russischen Hackern gestohlen worden.

  • Es ging den Russen offenkundig darum, die Wahl Clintons zu verhindern – und so Donald Trump ins Amt zu befördern.

  • Stone stand nach Erkenntnissen der Ermittler im Kontakt mit WikiLeaks und dessen Gründer Julian Assange, was eine Koordinierung nahe legt.

  • Es gibt auch Telefonprotokolle und Zeugenaussagen, nach denen Stone genau in der Zeit der Veröffentlichung der E-Mails häufig mit dem damaligen Kandidaten Donald Trump telefonierte.

Trump hatte gegenüber den Ermittlern um Ex-FBI-Chef Robert Mueller schriftlich versichert, sich nicht daran erinnern zu können, vorab über die E-Mails informiert gewesen zu sein. Diese Version wurde von Stone bestätigt. Hätte Stone hier etwas anderes ausgesagt, hätte sich der Präsident wegen Falschaussage womöglich strafbar gemacht.

Nun ist Stone ein freier Mann. Nach einem Bericht der "New York Times" übermittelte Trump dem Weggefährten die frohe Kunde am Freitag in einem Telefonat persönlich.

Trump und Stone kennen sich seit den Siebzigerjahren

Dazu muss man wissen: Trump und Stone verbindet eine lange, wechselhafte Geschichte, die stellenweise eher an einen Hollywood-Film erinnert, als an das reale Leben. Beide kennen sich seit den Siebzigerjahren. In dem sehenswerten Dokumentarfilm "Get me Roger Stone" gab Stone vor Jahren willig Auskunft zu der besonderen Freundschaft zwischen den beiden Männern.

Stone arbeitete als junger Mann bereits für den früheren Skandal-Präsidenten Richard Nixon. Aus dieser Zeit stammt auch das berühmt-berüchtigte Nixon-Tattoo auf seinem Rücken. Das gibt es wirklich.

Stone gilt in Washington als Prototyp des "Dirty Trickster", er hat sich darauf spezialisiert, für seine Auftraggeber aus Politik und Wirtschaft Schmutzmaterial gegen deren Gegner zu sammeln und ihnen echte oder vermeintliche Skandale anzuhängen. Einige Jahre betrieb er in Washington zusammen mit einem anderen Trump-Spezi, Paul Manafort, eine Agentur, die auch diversen Diktatoren aus der weiten Welt, ihre zwielichtigen Dienste anbot.

Von Trump war Stone schon früh begeistert, bereits in den Achtzigerjahren setzte er sich – damals erfolglos – dafür ein, dass der Immobilien-Mogul für die Präsidentschaft kandidieren sollte. Bei der tatsächlichen Wahlkampagne 2016 war Stone dann einer von Trumps Beratern. Er gab die offizielle Funktion jedoch nach Streitigkeiten mit anderen Trump-Strategen wie Steve Bannon im Sommer vor der Wahl auf. Den Kontakt zu Trump behielt er weiter bei.

Trump und seine engsten Verbündeten haben schon lange auf Stones milde Behandlung hingearbeitet. Via Twitter wies der Präsident immer wieder auf Stones vermeintlich "ungerechte Verfolgung" durch die Justiz hin, um den Weg zu ebnen.

Zu einem beispiellosen Konflikt kam es vor einigen Wochen, als Trumps Justizminister William Barr seine eigenen Staatsanwälte desavouierte, indem er das von ihnen geforderte Strafmaß für Stone kassierte.

Die Ermittler wollten Stone bis zu neun Jahre hinter Gittern sehen, Barr befand, das sei weit übertrieben. Aus Protest gegen die offenkundig politisch motivierte Intervention des Ministers traten die Fahnder daraufhin zurück. Am Ende entschied das Gericht in Washington dann für die 40 Monate Haft für Stone.

Was machen die Republikaner?

Eine Frage lautet nun, ob die Entscheidung zugunsten von Stone im kommenden Wahlkampf für Trump politische Konsequenzen haben wird. Der US-Präsident steht wegen seiner schlechten Umfragewerte unter Druck. Interessant dürfte sein, zu sehen, wie seine republikanischen Freunde in den kommenden Tagen reagieren, ob sie zum Beispiel offene Kritik an Trump wagen. Bislang verhalten sie sich – wie üblich – überwiegend still.

Allein alte Trump-Kritiker wie Senator Mitt Romney wagen sich bislang bei den Republikanern aus der Deckung. Er twitterte: "Beispiellose historische Korruption: Ein amerikanischer Präsident wandelt das Urteil einer Person um, die von einer Jury wegen Lügens verurteilt wurde, um genau diesen Präsidenten zu schützen."

Das dürfte Trump und seine engsten Verbündeten kaum beeindrucken. Offenbar hofft der Präsident darauf, dass die Stone-Begnadigung und ihre dubiosen Umstände im allgemeinen Wirbel um die steigenden Coronazahlen in den USA bis zur Wahl in Vergessenheit geraten werden.

Damit könnte er recht behalten.

Icon: Der Spiegel

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