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Stichwahl am Sonntag: Ein gelähmtes Frankreich wäre das Beste für Deutschland

July 02
17:07 2024

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Marine Le Pens Partei Rassemblement National will nach der Wahl die Regierung bilden. Premierminister soll dann ihr Parteichef Jordan Bardella werden.

Marine Le Pens Partei Rassemblement National will nach der Wahl die Regierung bilden. Premierminister soll dann ihr Parteichef Jordan Bardella werden.

Ein Patt bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag würde Präsident Macron Luft zum Leben lassen und einen EU- und deutschfeindlichen Premier verhindern. Denn den gäbe es von rechts wie von links.

Bei dieser zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen sind die äußersten Extreme plötzlich gut möglich: ein klarer Sieg des Rechtsaußen-Lagers von Marine Le Pen oder einer des linken bis linksextremen Bündnisses "Nouveau Front Populaire", der "neuen Volksfront". Krasser kann ein Land kaum auseinanderfallen, die politische Mitte ist weitgehend pulverisiert.

Historiker werden entscheiden, wie viel Emmanuel Macron dazu beigetragen hat, indem er den traditionellen Links-Rechts-Graben mit seiner Bewegung oder Partei überwölbte. Damit hatte Macron die politische Mitte monopolisiert und für die Wähler alternativlos gemacht – bis sie anfingen, in den linken oder rechten Extremen massenweise doch eine Alternative zu sehen.

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Jetzt geht es in fast allen öffentlichen Auftritten nur noch darum, eine absolute Mehrheit des Le-Pen-Lagers zu verhindern. Das klingt ehrbar. Aber eine absolute Mehrheit für das Linksbündnis wäre aus deutscher Sicht ähnlich verheerend.

An der Spitze des Linksbündnisses wird offen ein linker Antisemitismus gepflegt, die Sozial- und Rentenpolitik würde keine Rücksicht auf Verschuldung und Euro-Stabilität nehmen, die EU insgesamt wird dort in Teilen extrem kritisch gesehen. Des Weiteren könnte die Ukraine auf Unterstützung nicht mehr sicher zählen, Moskaus Einfluss in der EU würde wachsen. Und Deutschland dient französischen Linksaußen-Kreisen ähnlich als Feindbild wie den dortigen Rechtsaußen-Kreisen. Unabhängig davon, was die demokratische Mehrheit der Franzosen will: Für die deutschen Interessen speziell an Euro, EU, Ukraine und partnerschaftlicher Nähe zu Frankreichs Regierung macht es so gesehen keinen großen Unterschied, ob ein Le-Pen-Premier allein regieren kann oder einer des Linksbündnisses. Stattdessen wäre ein Patt im Parlament das Beste für Deutschland – aber auch für Präsident Macron.

Ein Patt zwischen den drei Lagern (sein eigenes eingeschlossen) hätte, nüchtern betrachtet, diese Vorteile:

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Erstens: Das Momentum des Le-Pen-Lagers wäre fürs Erste gestoppt. Sollte es stattdessen nächsten Sonntag zum Durchmarsch kommen, würde das den Präsidenten an den Rand des Rücktritts bringen und einen weiteren Durchmarsch der Rechtsradikalen in den Präsidentenpalast wahrscheinlicher machen.

Zweitens: Ein Patt im Parlament und längere Verhandlungen um die nächste Regierung könnten die politische Kultur in Frankreich für Koalitionsregierungen öffnen, wie man sie in Deutschland kennt. Macron hätte ein wenig Luft zum Leben und Zeit zum Nachdenken. Letzteres hat er arg vermissen lassen, als noch am Abend der Europawahl das Parlament auflöste und seine politische Parteibasis zertrümmerte. Als Präsident darf er das Parlament frühestens in einem Jahr wieder auflösen – gut möglich, dass das inzwischen sein Plan ist. Ein handlungsschwaches Parlament nutzt ihm da mehr, als es ihm schadet.

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Drittens: In der EU könnte der französische Präsident vermutlich keine hochfliegenden Pläne mehr entwickeln. Präsident Macron wäre gestutzt, aber immer noch stark genug, ein breites antieuropäisches Rollback zu verhindern – und damit weiterhin ein Partner, der zum zaudernden Bundeskanzler sogar besser passt als vorher.

"Staaten haben keine Freunde, nur Interessen", soll Frankreichs politischer Übervater Charles de Gaulle einmal gesagt haben. Wenn das stimmt, hat Deutschland derzeit Interesse an einem Rest von französischer Verlässlichkeit nach dem mutwillig herbeigeführten Selbststurz der Pariser Regierung. Dieser Rest von Verlässlichkeit ist auf paradoxe Weise in einem parlamentarisch gelähmten Frankreich größer als bei einer klaren Mehrheit für Rechts oder Links. Kurzum: Ein politisches Patt in Frankreich ist für Deutschland das kleinere Übel.

Quelle: ntv.de

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