Russlands Schwarzmeerflotte übt nach Aus von Getreidedeal mit scharfer Munition
Nach dem Aus des Getreideabkommens mit der Ukraine hat Russland nach eigenen Angaben eine Marineübung mit scharfer Munition im Schwarzen Meer abgehalten. Die Schwarzmeerflotte habe im Nordwesten des Meers ein Zielschiff mit Antischiffsraketen beschossen und zerstört, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag.
Die russische Armee beschoss zudem nach ukrainischen Angaben erneut die Hafenstadt Odessa, dabei wurden Silos mit Gerste und Erbsen zerstört.
Zu der Schwarzmeer-Marineübung teilte das russische Verteidigungsministerium im Onlinedienst Telegram mit, die Schiffe und Marineflugzeuge hätten auch Maßnahmen zur »Abriegelung des vorübergehend für die Schifffahrt gesperrten Gebiets« ergriffen und das Festhalten eines angreifenden Schiffs geprobt.
Russland hatte am Mittwoch nach dem Auslaufen des Getreideabkommens angekündigt, alle Schiffe im Schwarzen Meer mit dem Ziel Ukraine ab Donnerstag als Schiffe einzustufen, »die potenziell militärische Ladung transportieren«.
Die US-Regierung warnte am Donnerstag davor, dass Russland seine Angriffe nach dem Ausstieg aus dem internationalen Getreideabkommen auf zivile Schiffe im Schwarzen Meer ausweiten und diese dann der Ukraine zur Last legen könnte. »Unsere Informationen weisen darauf hin, dass Russland weitere Seeminen in den Zufahrten zu ukrainischen Häfen gelegt hat«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. »Und gestern haben wir beobachtet, dass Russland ein Video der Entdeckung und Detonation einer – wie sie behaupteten – ukrainischen Seemine veröffentlicht hat.« Es sei möglich, dass dieses Video ein »Vorbote« für einen Angriff unter falscher Flagge sein könnte.
Uno verurteilt Drohungen gegen Getreidefrachter
Die Uno kritisierte die Drohungen gegen zivile Schiffe im Schwarzen Meer am Freitag als »inakzeptabel«. Die Untergeneralsekretärin für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, äußerte sich vor dem Uno-Sicherheitsrat in New York auch besorgt über mögliche Minen im Schwarzen Meer, welche »die zivile Schifffahrt gefährden«.
Der Sprecher von Uno-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, äußerte sich besorgt über die bereits jetzt spürbaren »negativen Auswirkungen auf die Weltmarktpreise für Weizen und Mais, worunter alle leiden, insbesondere die gefährdeten Bevölkerungsgruppen in den Ländern des Südens«.
»Wir verstehen die Sorgen unserer afrikanischen Freunde, das ist verständlich und wird berücksichtigt«, erklärte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Vertschinin.
Bei den Angriffen in der vierten Nacht in Folge auf die Schwarzmeer-Stadt Odessa wurden laut dem ukrainischen Regionalgouverneur Oleg Kiper insbesondere Getreidesilos von Kalibr-Marschflugkörpern ins Visier genommen. 100 Tonnen Erbsen und 20 Tonnen Gerste seien zerstört worden.
Seit dem Auslaufen des Abkommens zum Export ukrainischen Getreides am Montag hatte Russland nach ukrainischen Angaben wiederholt die Hafenstädte Odessa und Mykolajiw angegriffen. Russland hatte erklärt, dabei seien militärische Ziele ins Visier genommen worden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte sich dennoch zuversichtlich, Kremlchef Wladimir Putin von einer Wiederauflage des Getreideabkommens überzeugen zu können. Er denke, dass er »in detaillierten« Gesprächen mit Putin eine Fortführung des Getreideexports erreichen könne, sagte Erdoğan der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge.
Eine Analyse, wie die Chancen für das diplomatische Unterfangen stehen, lesen Sie hier: Kann Erdoğan den Getreidedeal retten?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Freitagabend, er habe mit Erdoğan telefoniert, um »die Bemühungen zur Wiederaufnahme der Exporte im Rahmen des Getreideabkommens zu koordinieren«.
Jetzt auch Angriffe auf den Norden der Ukraine
Das Getreideabkommen war im Juli 2022 unter Vermittlung der Uno und der Türkei vereinbart worden. Die Übereinkunft ermöglichte es der Ukraine, trotz des Krieges über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Seit Inkrafttreten wurden so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt.
Die Unesco verurteilte die russischen Angriffe auf die Altstadt von Odessa, die zum Weltkulturerbe gehört. Nach ersten Erkenntnissen seien bei den Angriffen in der Nacht zum Donnerstag auch mehrere Museen im historischen Zentrum von Odessa beschädigt worden, erklärte die Uno-Kulturorganisation in Paris.
Neben Odessa im Süden griff Russland nach ukrainischen Angaben am Freitag auch den Osten und den Norden der Ukraine an. In der ostukrainischen Region Donezk wurden dabei nach Angaben von Gouverneur Pawlo Kyrylenko ein Paar in der Stadt Kostjantyniwka und ein Geschwisterpaar im Dorf Druschba getötet. Bei einem russischen Angriff in der nordukrainischen Region Tschernihiw wurden nach Angaben von Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus ein Mann und eine Frau getötet.
Bulgarien schickt Panzerfahrzeuge
Die Ukraine setzt bei ihrer Gegenoffensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete nach US-Angaben inzwischen die von Washington gelieferte umstrittene Streumunition ein. Die Streitkräfte der Ukraine verwendeten die Munition »seit etwa einer Woche« und setzten sie »angemessen und effektiv« ein, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.
Bulgarien beschloss unterdessen gut zwei Wochen nach einem Besuch des ukrainischen Präsidenten, der Ukraine hundert BTR-Panzerfahrzeuge sowjetischer Bauart zu überlassen, die in den Achtzigerjahren angeschafft und nie genutzt worden waren. Das Parlament stimmte am Freitag mit großer Mehrheit für einen entsprechenden Vorschlag der neuen proeuropäischen Regierung. Die zuvor amtierenden Übergangsregierungen mit historisch engen Beziehungen zu Moskau hatten direkte Militärhilfen für Kiew bisher abgelehnt.

