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Robert Koch-Institut und der R-Wert Ende April: Verwirrung über Berechnung

June 27
10:31 2020
RKI-Präsident Wieler (l.), Gesundheitsminister Spahn (bei einer Pressekonferenz am 17. April) Icon: vergrößern

RKI-Präsident Wieler (l.), Gesundheitsminister Spahn (bei einer Pressekonferenz am 17. April)

John MacDougall/ AFP

Die Berechnung des R-Wertes durch das Robert Koch-Institut (RKI) wirft neue Fragen auf. Ein Brief von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) legt den Verdacht nahe, das RKI habe im April zweimal nach oben gerundet, um auf den symbolisch wichtigen Wert von 1,0 zu kommen.

Der Reproduktionswert R gibt an, wie viele Menschen ein Corona-Infizierter im Mittel ansteckt. Der Faktor spielte damals in der Diskussion zwischen Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten um Lockerungen der Corona-Maßnahmen eine zentrale Rolle. (Mehr über wichtige Zahlen und Daten zur Coronakrise erfahren Sie hier.)

Am 28. April verkündete RKI-Präsident Lothar Wieler, der Reproduktionswert sei auf 1,0 gestiegen. Schon damals fragten auf der Pressekonferenz mehrere Journalisten nach, wie genau der Wert errechnet worden sei. "Der tatsächliche R-Wert, den wir heute konkret errechnet haben, ist 0,96. Und das ist gerundet auf 1,0", antwortete Wieler.

Die Aussage des RKI-Chefs steht im Widerspruch zu den Zahlen, die Spahn jetzt gegenüber Kubicki angegeben hat. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende war heftig kritisiert worden, weil er gesagt hatte, die vom RKI herausgegebenen Zahlen vermittelten "eher den Eindruck, politisch motivierte Zahlen zu sein, als wissenschaftlich fundiert". Kubicki fragte daher den Gesundheitsminister schriftlich an, wie der Reproduktionswert von 1,0 für den 27. April errechnet worden sei.

Spahn gibt in seiner Antwort vom 18. Juni folgenden Rechenweg an: Die Summe der geschätzten Neuerkrankungen der Tage 16. bis 19. April sei durch die Summe der geschätzten Neuerkrankungen der Tage vom 20. bis 23. April geteilt worden. "Der R-Wert beträgt somit 6091:6435 = 0,95 (gerundet)." Da das RKI in der Öffentlichkeit aber nur eine Nachkommastelle angebe, "wurde der Wert von dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts, Herrn Professor Lothar Wieler, in der in Ihrem Schreiben genannten Pressekonferenz auf 1,0 aufgerundet".

Teilt man allerdings die von Spahn genannten Zahlen (6091:6435), erhält man ein Ergebnis von 0,94654235. Dies müsste eigentlich auf 0,9 abgerundet werden. Warum stattdessen in zwei Schritten auf 1,0 aufgerundet wurde, erklärt der Gesundheitsminister nicht. RKI-Präsident Wieler hatte in der Pressekonferenz am 28. April gesagt: "Nach mathematischen Regeln rundet man ja, wenn es unter 0,5 ist, runter, und über 0,5 hoch."

Das Robert Koch-Institut teilte auf SPIEGEL-Anfrage mit, der Wert 1,0 wurde "nicht durch zweimaliges Runden, sondern durch einmaliges Runden aus der damaligen Schätzung des R-Werts bestimmt. Bei den Zahlen, die Ihnen vorliegen ergibt sich – wie Sie richtig vermuten – dann der Wert 6091 : 6435 –> 0,9." Allerdings seien, so das RKI, die Zahlen 6091 und 6435 keine gezählten Zahlen, sondern ebenfalls gerundete Schätzwerte, die im Rahmen einer Simulation entstanden sind. "Innerhalb dieser Simulation werden Zufallszahlen gezogen, die sich bei jedem Lauf des Programms leicht unterschiedlich ergeben und daher nicht exakt reproduzierbar sind."

Dass Spahn zwei Zahlen angibt, die das Robert Koch-Institut nicht reproduzieren kann, lässt Kubicki weiter an der Seriosität der Berechnung zweifeln: "Tatsache ist: Jens Spahn liegen Zahlen vor, die das RKI angeblich nicht mehr hat. Und diese Zahlen ergeben einen niedrigeren R-Wert als Lothar Wieler damals öffentlich verkündet hatte."

Icon: Der Spiegel

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