Regierungstalk bei Illner: Linnemann: “Wir sind zum Erfolg verdammt”
Politik

"Wenn wir nicht agiler, schneller und flexibler werden, dann ist das alles für die Katz", sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
Über die Billionen schweren Finanzpakete von Union und SPD soll der Bundestag abstimmen Für die Durchsetzung braucht es die Stimmen der Grünen. Doch die haben Vorbehalte, wie deren Vorsitzende Brantner bei Maybrit Illner erklärt. CDU-Generalsekretär Linnemann versucht sie zu überzeugen.
Der Bundestag hat am Donnerstag über zwei Finanzpakete beraten. Das eine ist ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro, das in den nächsten zehn Jahren für die Infrastruktur zur Verfügung stehen soll. Das andere ist ein Paket in unbegrenzter Höhe für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Im Moment geht man von einem Gesamtvolumen von einer Billion Euro aus. Am Dienstag soll der Bundestag in seiner alten Besetzung darüber abstimmen, falls das Bundesverfassungsgericht nicht einen Riegel davorschiebt.
Auch der Bundesrat muss noch darüber abstimmen, vermutlich noch in der kommenden Woche. Beide Kammern brauchen eine Zweidrittel-Mehrheit dazu. Deswegen sind CDU, CSU und SPD, die die Sondervermögen sowie die dafür notwendige Reform der Schuldenbremse in den Bundestag eingebracht haben, auf die Stimmen der Grünen-Abgeordneten angewiesen. Die wollen zwar im Moment noch nicht dafür stimmen, jedoch laufen Verhandlungen zwischen Schwarz, Rot und Grün. Maybrit Illner diskutiert am Donnerstagabend im ZDF mit ihren Gästen über die Finanzspritzen und die Erwartungen an die neue Regierung.

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Die Grünen haben immerhin schon einiges erreicht. 50 Milliarden Euro sollen aus dem Infrastrukturpaket für den Klimaschutz ausgegeben werden. In das Finanzpaket für die Verteidigung werden auch der Katastrophenschutz sowie die Modernisierung der Nachrichtendienste aufgenommen. Das sind Kernforderungen der Grünen. Doch deren Vorsitzender Franziska Brantner reicht das nicht aus. "Was wollen Sie noch?", fragte der mögliche zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstagmittag im Bundestag.
Brantner: Auf dem Tisch liegt Mogelpackung
Brantner antwortet am Abend bei Illner: "Es geht uns um unser Land und um Europa. Darum ist für uns wichtig, dass wir eine moderne Infrastruktur aufbauen können – modernisieren und sanieren in diesem Land, in unsere Sicherheit und Verteidigung investieren. Und wir brauchen eine klimaneutrale Wirtschaft, eine innovative Wirtschaft, wir brauchen den Klimaschutz. Aber was auf dem Tisch liegt, ist eine Mogelpackung." Unklar sei bisher, ob die Infrastruktur-Projekte zusätzliche Projekte seien. "Es kann passieren, dass man schon geplante Projekte aus dem Haushalt rausnimmt und über diese schuldenfinanzierte Infrastruktur finanziert. Dann ist im Haushalt Platz für irgendwelche Wahlgeschenke, aber noch kein Kilometer Strecke mehr finanziert."
In dem Gesetzentwurf fehlt ein Wort: zusätzlich. Stünde dieses Wort da, wäre klargestellt, dass neue Projekte zusätzlich zu den bereits bestehenden bezahlt würden. Ob das Wort absichtlich fehlt oder einfach vergessen wurde – unklar. Für Brantner ist wichtig: "Wenn wir so viel Geld aufnehmen, dann muss es in den Kommunen ankommen, dann müssen das zusätzliche Projekte sein, und dann kann es nicht einfach eine Steuersenkung sein, dann kann es nicht einfach eine Mütterrente sein, so sehr ich das den Müttern gönne, aber die kann man nicht einfach auf Pump finanzieren." Die Grünen wollen sich laut Brantner mit den beiden anderen Parteien einigen, so dass am Ende beide Pakete vom Bundestag beschlossen werden. Sollte man sich nicht einigen, würden die Grünen lediglich dem Paket für die Sicherheit zustimmen. Oder keinem.

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"Dann ist das alles für die Katz"
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann könnte die Grünen mit einem Satz überzeugen. Und er versucht das auch: "Wenn ich zusätzlich Geld in die Hand nehme, dann muss das für zusätzliche Projekte sein. Das ist meine persönliche Meinung", sagt er. Also alles klar? Nicht wirklich. Anscheinend sieht Linnemanns Partei das anders. Und Linnemann selbst scheint ein wenig mit den schwarz-roten Plänen zu fremdeln. Der Unionspolitiker fordert Strukturreformen. "Wenn die nicht kommen, wenn wir nicht agiler, schneller und flexibler werden, dann ist das alles für die Katz." Doch von Strukturreformen steht nichts in dem Gesetzentwurf von Schwarz-Rot, kritisiert Brantner. "Das sehe ich anders", so Linnemann, dessen Union genau wie die SPD über das gesamte Gesetzespaket abstimmen will. Eine Aufspaltung kommt für ihn nicht in Frage, so wie die Grünen es vorschlagen.
Aber auch Moritz Schularick von Kieler Institut für Weltwirtschaft hält es für besser, die Finanzpakete für Infrastruktur und Verteidigung voneinander zu trennen. "Es gibt ökonomisch keinen Grund, diese beiden Dinge nicht zu trennen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. "Es geht um existenzielle Fragen bei der Verteidigung, und da müssen wir jetzt schnell etwas machen. Und da macht es auch ökonomisch Sinn, das über Kredite zu finanzieren, um sich dann auch kurzfristig die Mittel zu beschaffen, um kurzfristig viel zu tun. Bei der Infrastruktur haben wir sicherlich Notwendigkeiten, dort mehr zu finanzieren. Aber die Kopplung der beiden Pakete ist nicht inhaltlich, sondern politisch gegeben."

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"Wir sind nicht bereit, etwas durchzuwinken"
Brantner könnte sich sogar vorstellen, über das Gesamtpaket abzustimmen. "Aber es muss ein gutes Gesamtpaket sein", erwartet sie. "Wir sind nicht bereit, etwas durchzuwinken, obwohl wir wissen, dass es nicht gut fürs Land ist." Deswegen hatten die Grünen am Donnerstag einen Gesetzentwurf eingebracht, der nur für den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich gelten sollte. Der Grund: "Damit im Falle, dass man sich nicht einigen kann, wir überhaupt eine Option haben, die auf dem Tisch liegt und der alle zustimmen können."
Für Linnemann ist das keine gute Idee. Er möchte auch über das Konjunkturprogramm abstimmen. "Wenn wir das nicht machen, dann kriegen wir keinen Politikwechsel hin, und diesen Politikwechsel haben wir versprochen. Wenn der nicht kommt, wäre es ein Wortbruch." Sollten die Bundesbürger aber in den nächsten vier Jahren einen Politikwechsel spüren, sollten sie spüren, dass sich in Deutschland etwas verändert, könnte es in Deutschland einen Aufbruch geben. Dazu müsse jedoch der Staat reformiert werden. Linnemann fordert unter anderem eine deutliche Entbürokratisierung und die Digitalisierung des Staates. "Wenn uns das gelingt, dann ist der Politikwechsel da."

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"Das, was Sie beschreiben, ist der erste Schritt", gibt der Journalist und Pioneer-Gründer Gabor Steingart dem Unionspolitiker recht. "Und danach muss in aller Ruhe über Geld geredet werden, wenn dieser Staat agil und unbürokratisch geworden ist. Sonst wird das ganze Geld verpuffen und uns und der CDU auf die Füße fallen."
Wünsche für die Zukunft
In der übernächsten Woche wird sich der neue Bundestag konstituieren. Dann könnte erneut eine Reform der Schuldenbremse auf die Tagesordnung kommen. Darüber müsse man auch mit den Linken reden, fordert Brantner. Und auch die AfD müsse mehr in die Politik eingebunden werden, so Steingart: Zwanzig Prozent der Bundesbürger, die die Partei gewählt haben, könne man nicht ignorieren. Schularick wünscht sich vor allem, dass die neue Regierungskoalition an einem Strang ziehe.
Auch Linnemann hat ein Ziel. Er will erreichen, dass die Bevölkerung wieder Vertrauen in die demokratischen Parteien habe. Die Parteien an den Rändern müssten kleiner werden. Linnemann: "Wir sind zum Erfolg verdammt."
Quelle: ntv.de