Rechnungshof fordert kleinere Bundesbehörden
An über hundert Standorten will der Bund bauen, auch das Kanzleramt soll erweitert werden. Rechnungsprüfer aber fordern nach SPIEGEL-Informationen: Die Büroflächen müssen kleiner statt größer werden.
Die ersten Bäume sind bereits gefällt, die alte Brücke über die Spree zum Teil abgerissen. Es tut sich was am Bundeskanzleramt, auch wenn das Vorhaben mehr als umstritten ist: Der Regierungssitz von Olaf Scholz (SPD) ist mit seinen bestehenden 25.000 Quadratmeter Bürofläche acht Mal so groß wie das Weiße Haus – und soll dennoch um weitere 400 Büros erweitert werden. Baukosten: gut 800 Millionen Euro.
Und das ist nur ein Teil der Bautätigkeit, über die in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wird. Insgesamt plant der Bund allein in diesem Jahr, für 4,8 Milliarden Euro an 101 Standorten zu bauen.
Geht es nach dem Bundesrechnungshof, müsste die Bundesregierung schleunigst damit aufhören. Und noch mehr: Sie müsste nach Meinung der Rechnungsprüfer sogar Büroflächen abbauen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die heute an die zuständigen Haushaltspolitiker des Bundestags überstellt worden ist. »Der Bund sollte überzählige Büroflächen abgeben und Neubauten auf ein Mindestmaß beschränken.« Das ist die Kernaussage der fünfseitigen Bemerkung des Bundesrechnungshofes, die dem SPIEGEL vorliegt.
Die Beamten der Bonner Behörde rechnen vor, dass die zivilen Bundesbehörden 300 Millionen Euro an Kaltmiete einsparen könnten. 20 Prozent der Büroflächen müssten dafür aufgegeben werden. Neben Geld wäre dies auch gut für die Umwelt: Der Bund würde klimaschädliche Gase reduzieren, wenn er bei Bau und Betrieb seiner Immobilien auf die Bremse treten würde. »Dies wäre ein Beitrag für eine klimaneutrale Bundesverwaltung bis zum Jahr 2030«, schreiben die Rechnungsprüfer.
Einer ihrer zentralen Vorwürfe lautet: Die Regierung plante ihren Flächenbedarf noch immer nach Kriterien, die aus den Fünfzigerjahren stammten. Doch inzwischen habe sich die Nutzung von Gewerbeimmobilien grundlegend verändert. Auch Bundesbeamte nutzten das Homeoffice, bemerken die Experten des Bundesrechnungshofes. »Heute sind flexible Arbeitsformen in den Bundesbehörden fest etabliert«, schreiben sie.
Nur 40 bis 70 Prozent der Arbeitsplätze belegt
Offensichtlich haben sie Wind bekommen von einer Bundesbehörde, ohne sie namentlich zu nennen. Dort habe man festgestellt, dass »in der Regel nur 40 bis 70 Prozent der Arbeitsplätze belegt« waren. Selbst in Zeiten mit geringer Dienstreisefrequenz und außerhalb der Ferien- oder Feiertagssaison habe die Anwesenheitsquote stets unter 75 Prozent gelegen. Während Corona hätten fast alle Beschäftigten zumindest teilweise zu Hause gearbeitet.
Die Rechnungsprüfer empfehlen deshalb »unverzüglich«, diesen Umstand mit einzubeziehen und eine »bedarfsgerechte Büroflächenplanung« einzuführen. Sinnvoll sei es, ein Programm aufzusetzen, das die Behörden zu Flächenreduzierungen verpflichte. Die Beamtinnen und Beamten der Bundesbehörden sollten sich künftig Büros teilen. Ein »Desksharing-Modell« ließe sich »zügig und ohne größere Investitionen« in den Bestandsgebäuden umsetzen.
Während die Bundesverwaltung auf Expansion setzt, sind Verwaltung andernorts längst auf Verkleinerungskurs – sogar auf EU-Ebene. So habe die EU-Kommission erklärt, sie wolle die Zahl ihrer Gebäude in Brüssel bis 2030 halbieren und die Fläche um 25 Prozent verringern, heißt es in der Expertise des Rechnungshofes. Fortschrittlich sei auch das Land Hamburg, das seine Büros von 33 auf 24 Quadratmeter pro Person verkleinern wolle. Und Schleswig-Holsteins Verwaltung will ihre Fläche um 20 Prozent reduzieren.
Das Bundesfinanzministerium, das das Immobilienwesen der Bundesregierung beaufsichtigt, hat auf die Kritik der Prüfer bereits reagiert und in einer Stellungnahme an den Rechnungshof Besserung gelobt. Die Kontrolleure geben sich damit aber nicht wirklich zufrieden. Es sei nicht absehbar, wann diese neuen Richtlinien genau umgesetzt würden. Lindners Finanzministeriale würden verkennen, dass nicht nur die Haushaltsregeln zu einer Reduzierung der Büroflächen verpflichteten. Dies sei auch ein Gebot des Bundes-Klimaschutzgesetzes, heißt es.
Ganz ungelegen dürfte Finanzminister Christian Lindner (FDP) der Einwurf des Rechnungshofes allerdings nicht kommen. Er hatte vor wenigen Wochen publikumswirksam von Kanzler Scholz gefordert, den Erweiterungsbau des Kanzleramts zu stoppen. An seine eigenen Erweiterungspläne für das Finanzministerium angesprochen, musste er ebenfalls versprechen, diese zu stoppen. Stattdessen sollen dort nun Wohnungen gebaut werden.
Die Schelte der Rechnungsprüfer kann Lindner nun verwenden, um auch anderen Ressorts ihre Bauwut vorzuhalten.