Populistische Empörung: Raus aus der Commerzbank, Bundesregierung!
Wirtschaft

Eine weitere Konsolidierung würde dem deutschen Bankensektor guttun.
Es kann verschiedene Gründe geben, warum der Staat ein Unternehmen vor den Kräften des Marktes schützen sollte. Bei der Commerzbank liegt keiner davon vor. Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wann der Staat seine Finger von Unternehmen lassen sollte.
Hat Unicredit die Bundesregierung übertölpelt? Warum hat das Finanzministerium nicht verhindert, dass sich die italienische Großbank mit dem Kauf eines Teils der bundeseigenen Aktien in Position für eine feindliche Übernahme der deutschen Traditionsbank bringt? Über diese Fragen wird in Frankfurt und Berlin heftig gestritten. Dabei müsste zunächst eine grundlegendere Frage beantwortet werden: Ist es überhaupt Aufgabe des Staates, ein Unternehmen wie die Commerzbank dauerhaft vor den Kräften des Marktes zu schützen? Für ein Eingreifen des Staates kann es verschiedene, gute Gründe geben. Bei der Commerzbank liegt aktuell keiner davon vor.

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In der Finanzkrise hatte der Staat Milliarden in die Commerzbank investiert, um nicht absehbaren Schaden für die gesamte Wirtschaft abzuwenden. Das war angesichts der akuten Gefahr damals gerechtfertigt. Nun ist diese akute Krise 15 Jahre her und nach langen Reformen und Sanierungsbemühungen für die Bank abgehakt. Unicredit steht als europäische Großbank unter derselben Bankenaufsicht und unterliegt denselben Regeln wie die Commerzbank derzeit auch. Auswirkungen auf die Finanzstabilität in Deutschland in einem Krisenfall sind bei einer Übernahme nicht zu befürchten.
Ein staatlicher Schutz könnte auch ohne Krisenszenario gerechtfertigt sein, wenn ein Unternehmen systemrelevant ist und seine Funktion durch eine Übernahme gefährdet wäre. Systemrelevant bedeutet, Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens sind für die Gesellschaft oder die Wirtschaft unabdingbar, und niemand anderes kann diese zuverlässig bereitstellen. Zwar sind Finanzdienstleistungen, wie die Commerzbank sie anbietet, fundamental für das Funktionieren der Wirtschaft. Aber die Bank würde diese auch als Teil des europäischen Unicredit-Konzerns wohl weiter anbieten wie bisher. Zum anderen ist Deutschland "overbanked": Es gibt unter anderem dank des öffentlichen Sektors mit Sparkassen und Landesbanken keine Knappheit, sondern ein Überangebot an Bankdienstleistungen.

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Deutschland ist "overbanked"
Angesichts dieses Überangebots ist eine Konsolidierung, das heißt eine Reduzierung der Zahl der Banken beispielsweise durch Fusionen, im Sinne der Finanzstabilität sogar positiv. Dadurch könnten die Kosten gesenkt, die Einnahmen gestärkt und die im internationalen Vergleich niedrigen Margen der deutschen Institute erhöht werden. Sie würden weniger krisenanfällig. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit in diesem Sinne ein mögliches Zusammengehen von Deutscher Bank und Commerzbank sogar unterstützt. Damit ist auch das Arbeitsplatz-Argument, so nachvollziehbar es aus Sicht der Mitarbeitenden auch ist, politisch entkräftet. Bei einer deutsch-deutschen Bankenfusion wären Arbeitsplätze in ähnlichem Umfang verloren gegangen, wie das nun befürchtet wird. Dass das Übernahme-Ansinnen von Unicredit auf ein ganz anderes Echo stößt als das Szenario mit der Deutschen Bank als Partner, legt den Populismus hinter der aktuellen Empörung offen.
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Der deutsche Bankensektor – und speziell die Commerzbank – ist in der aktuellen Situation ein Paradebeispiel dafür, wann der Staat die Finger von Unternehmen lassen sollte. Zum einen wird ein eher schwacher Akteur im Markt gehalten, eine Konsolidierung verhindert und so eine ganze Branche durch das Überangebot geschwächt. Zum anderen stecken im bundeseigenen Commerzbank-Aktienpaket nach aktuellem Kurs mehr als zwei Milliarden Euro. Dieses Steuerzahlergeld wird an anderer Stelle – etwa bei der Sanierung einsturzgefährdeter Brücken und maroder Schulen – dringend benötigt.
Zwei Milliarden Euro mögen angesichts eines auf Hunderte Milliarden Euro geschätzten Sanierungsstaus in Deutschland als vernachlässigbare Summe erscheinen. Aber andere Unternehmen und Branchen stehen bereits Schlange bei der Bundesregierung mit der Forderung nach ähnlichen Subventionen: Die Autobauer hätten gerne eine neue Abwrackprämie, bei Thyssenkrupp soll der Staat in eine Milliardenbeteiligung investieren, die gesamte energieintensive Industrie wünscht sich einen hochsubventionierten Industriestrompreis. Es ist weder sinnvoll noch finanzierbar, all diese Wünsche zu erfüllen und einen Großteil der Wirtschaft dauerhaft staatlich zu finanzieren. Wo aber die Grenze ziehen? Jetzt. Bei der Commerzbank.
Quelle: ntv.de