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Polioviren im Abwasser: Kehrt eine längst ausgerottete Krankheit zurück?

July 07
19:36 2025

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Poliomyelitis (kurz Polio oder auch Kinderlähmung) betrifft vor allem Kinder unter fünf Jahren. Auch Erwachsene ohne ausreichenden Impfschutz können sich anstecken.

Poliomyelitis (kurz Polio oder auch Kinderlähmung) betrifft vor allem Kinder unter fünf Jahren. Auch Erwachsene ohne ausreichenden Impfschutz können sich anstecken.

Polioviren sind in Deutschland seit Jahrzehnten ausgerottet. Doch neue Funde im Abwasser großer Städte alarmieren Experten. Die Sorge: Das potenziell tödliche Virus könnte sich von Menschen zu Mensch übertragen.

Eigentlich gilt die hochansteckende Viruserkrankung in Deutschland seit 35 Jahren als vollständig ausgerottet. Doch seit einiger Zeit entdecken Experten immer wieder Polioviren im Abwasser großer Städte. Nach einem neuerlichen Fund schlagen die Behörden nun Alarm. Es ist "zunehmend wahrscheinlicher", dass das Virus, was Kinderlähmung auslöst, bereits zwischen Menschen in Deutschland übertragen wird, teilt das Robert-Koch-Institut (RKI) im Epidemiologischen Bulletin mit.

Ein genauer Wert für die Zahl infizierter Menschen lässt sich demnach nicht angeben. Nachgewiesen wurde eine Übertragung hierzulande bisher allerdings nicht – und auch Erkrankungen wurden noch nicht gemeldet. Ärzte und medizinische Labore sind dennoch aufgerufen, Verdachtsfälle zu melden und die Diagnostik auf solche Enteroviren umfassender zu nutzen, damit Infizierte entdeckt werden können.

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Nicht oder nicht vollständig geimpfte Menschen können nach RKI-Angaben in seltenen Fällen an Kinderlähmung erkranken. "Jeder in Deutschland sollte eine Polio-Impfung haben", betonte RKI-Präsident Lars Schaade. Allerdings sind aktuell nur etwa 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland vollständig gegen Polio geimpft – obwohl die Grundimmunisierung bis zum Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Nur 77 Prozent der Kinder haben demnach im Alter von zwei Jahren den vollständigen Impfschutz.

Lähmung durch Polio-Infektion

Kinderlähmung, medizinisch Poliomyelitis oder kurz Polio genannt, greift das zentrale Nervensystem an und kann zu dauerhaften Lähmungen oder sogar zum Tod führen, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist. Das Virus wird meist über den Stuhl ausgeschieden und gelangt durch Schmierinfektion oder selten durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Schlechte Hygiene und verschmutztes Wasser begünstigen die Ausbreitung.

In den allermeisten Fällen verläuft die Krankheit ohne Symptome. Bei vier bis acht Prozent der Infizierten treten leichte Beschwerden auf wie Fieber, Schnupfen und Abgeschlagenheit. Ist das Zentralnervensystem von der Infektion betroffen, entwickeln sich Lähmungserscheinungen an Armen, Beinen und der Atmung.

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Polio wird auch Kinderlähmung genannt, weil der Erreger einst so verbreitet war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte. Erwachsene befällt das Virus jedoch gleichermaßen. Vor der Einführung von Schutzimpfungen in den 1950er Jahren gab es allein in Deutschland Tausende Erkrankte und Hunderte Todesfälle jährlich.

Warum tauchen die Viren jetzt wieder auf?

Ende November vergangenen Jahres hatte das RKI erstmals gemeldet, dass in Proben aus dem Abwasser deutscher Städte Polioviren (cVDPV2) nachgewiesen wurden. Später wurde mitgeteilt, dass es Funde in allen sieben regelmäßig untersuchten Städten – München, Bonn, Köln, Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz – gab. In den vergangenen Wochen wurden an vier von inzwischen zehn Teststellen – Dresden, Mainz, München und Stuttgart – weiterhin Polioviren nachgewiesen, wie das RKI im aktuellen Epidemiologischen Bulletin berichtet.

Die Funde zeigen, dass Menschen im Einzugsgebiet der betroffenen Klärwerke mit dem Poliovirus infiziert sind und den Erreger mit dem Stuhl ausscheiden – auch wenn sie offenbar nicht erkranken. Unklar ist bisher aber, ob sich das Virus hierzulande von Mensch zu Mensch ausbreitet, also ob sich immer neue Betroffene anstecken. Noch lasse sich nicht gesichert sagen, ob es Übertragungen vor Ort gibt, erklärte Schaade.

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Vielleicht gehen die Nachweise aber lediglich auf Menschen zurück, die den Erreger aus anderen Ländern mitbringen und noch eine gewisse Zeit ausscheiden. "Beides ist möglich", so Schaade. In Anbetracht der langen Dauer des Geschehens und der Nachweise des Erregers an verschiedenen Standorten ist es dem RKI zufolge aber wahrscheinlicher, dass zumindest lokal begrenzt eine Übertragung zwischen Menschen stattfindet.

Lebendimpfstoff kann für Polio-Ausbruch sorgen

In Deutschland werden seit 1998 ausschließlich inaktivierte Polio-Impfstoffe verwendet. Diese verhindern Erkrankungen sehr gut, nicht aber eine Infektion und die Weitergabe des Erregers. In der Folge kann das Virus unbemerkt weite Kreise ziehen. Gerade in Ländern mit niedriger Impfquote kann das gefährlich werden – weshalb solche Staaten nach wie vor auf die Schluckimpfung setzen. Das könnte wiederum in Ländern wie Deutschland zu Problem, wenn frisch Geimpfte aus diesen Ländern einreisen.

Denn bei Schluckimpfungen wird ein Lebendvirus-Impfstoff genutzt. Das bedeutet, dass nach der Impfung die Impfviren mehrere Wochen lang ausgeschieden werden können. Wenn diese sogenannten vakzineabgeleiteten Polioviren nun auf ungeimpfte Menschen treffen, kann die potenziell tödliche Krankheit bei ihnen ausbrechen. So kam es zuletzt 2022 zu einem Polio-Ausbruch in New York – ein junger Mann erlitt dabei irreversible Lähmungen.

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"Die abgeschwächten Viren in der Schluckimpfung können lange Zeit unentdeckt zirkulieren, sich dabei verändern und schließlich wieder akute schlaffe Lähmungen verursachen", heißt es beim RKI. Durch die sehr niedrige Zahl mit Symptomen assoziierter Fälle werde bei einer nachgewiesenen Erkrankung jeweils mit etwa 200 weiteren, nicht erkannten Infektionen gerechnet.

Impfung schützt

Für vollständig Geimpfte bedeutet das: Sie müssen sich keine Sorgen machen, sie erkranken schließlich nicht. Allerdings können sie sich trotzdem infizieren und den Erreger verbreiten. Das kann für ungeimpfte Menschen gefährlich werden, mahnt das RKI. Daher sollten Impflücken im Kindes- und Jugendalter schnellstmöglich geschlossen werden, rät das Institut.

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sieht eine Grundimmunisierung mit drei Impfstoffdosen im Alter von zwei, vier und elf Monaten vor. Eine einmalige Auffrischimpfung ist im Alter von neun bis 16 Jahren vorgesehen. Für bestimmte Risikogebiete im Ausland kann zudem eine Auffrischung nach zehn Jahren sinnvoll sein.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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