Philipp Amthor und seine Geschäftchen: Ganz alte Schule – Kommentar
Oft ist in den vergangenen Jahren das Ableben der guten alten CDU beweint worden, hingemeuchelt von ihrer eigenen langjährigen Parteichefin. Angela Merkel habe die Partei von innen ausgehöhlt, habe sie ihrer Werte und Überzeugungen beraubt, aus reiner Machtgier habe sie, im Herzen eine blutrote Sozialdemokratin, aus der konservativen Partei der verlässlichen Wirtschaftsfreunde und Zigarrenraucher einen konturlosen Regierungsverein gemacht, der das Land unter ihrer sogenannten Führung zum Mekka für Emanzen, Umweltgurus und abgebrannte Ausländer verhunzt.
Die Tränen mögen trocknen. Die schreckliche Modernisierung der CDU, so stellt sich dieser Tage heraus, hat es nie gegeben. Blicken wir auf Philipp Amthor, den aussichtsreichsten Kandidaten für den Posten des CDU-Chefs in Mecklenburg-Vorpommern, die deutsche Antwort auf den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz, dann können wir beruhigt feststellen: Wenn die Union so ist wie ihr 27-jähriger Hoffnungsträger, dann ist sie ganz die alte geblieben.
Zwar nichts vorzuweisen, aber bald ganz groß
Die ganze Geschichte von Amthors Geschäftchen mit dem US-Start-up Augustus Intelligence liest sich, als wäre sie nicht hochaktuell, sondern angestaubten CDU-Erinnerungsbänden entsprungen, aus einer Zeit, als die Union noch ein markiger Männerbund war und die Anhäufung von Kapital für die richtigen Leute ihr höchster Daseinszweck.
Offenbar geblendet von einer Gruppe jünglicher Unternehmer mit Milliardenambitionen und einem Lebensstil auf großem Fuß, ließ sich der nach eigener Darstellung doch eigentlich sehr bodenständige Amthor auf luxuriöse Geschäftstreffen in angenehmstem Ambiente ein. Er bewarb die Firma seiner geldigen Bekannten mit nachdrücklichem Werbeschreiben auf Bundestagsbriefpapier beim Bundeswirtschaftsminister – eine Firma, die auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zwar keinerlei Erfolge vorzuweisen hatte, das aber demnächst vorhatte, wenn man ihr nur genügend Millionen Investitionskapital überweisen könnte.
Amthor erhielt den ehrenamtlichen Posten eines Direktors, durfte wohl glauben, man sei an seinem hochkompetenten Input bei der Entwicklung von fortschrittlichster Technik interessiert, und erwarb die Option, in der Zukunft ein schönes Aktienpaket zum Preis von gestern zu erwerben, das er übermorgen, wenn Augustus ganz sicher den Markt beherrscht, mit ordentlichem Gewinn wieder hätte abstoßen können.
Und als sei diese Geschichte nicht schon so auffällig ähnlich einer Karikatur vom gierigen Aufsteiger, der sich in blendende Gesellschaft verirrt, traf Amthor bei seinem Ausflug in die große Welt ausgerechnet auf zwei weitere komische Kumpel aus dem Milieu, das für die alte Union steht: auf den Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, den gernegroßen Rhetoriker wider die Migration, und Karl-Theodor zu Guttenberg, den unbestrittenen König der politischen Hochstapler. Auch diese beiden witterten offenbar das große Geld, das mit Gesichtserkennung und lernenden Maschinen zu machen ist.
Schnell die Finger zurückgezogen
Im Nachhinein alles natürlich sehr unschön, und weil Amthors wahre Leidenschaft ja nun eben doch nicht die künstliche Intelligenz ist, seine Priorität eben doch nicht der "leidenschaftliche politische Einsatz" für irgendein US-Unternehmen, sondern doch "für unser Land", hat der Politiker nun schnellstens Einsehen gezeigt. Beziehungsweise das, was er offenbar als Einsehen verkaufen zu können meint. Er sei nicht käuflich, schreibt Amthor auf Instagram. "Gleichwohl habe ich mich politisch angreifbar gemacht und kann die Kritik nachvollziehen. Es war ein Fehler."
Wohlgemerkt: Der Fehler war nicht das seltsame Engagement für Augustus, sondern die daraus folgende Angreifbarkeit. "Dieses Kapitel ist mir eine Lehre. Deshalb habe ich die Konsequenzen daraus gezogen und meine Nebentätigkeit beendet." Nicht etwa hat Amthor als Konsequenz zum Beispiel seinen Verzicht auf die Kandidatur für den Landesparteivorsitz bekannt gegeben. Nein, er ist dabei erwischt worden, wie er sich am Keksglas bedienen wollte – und seine politische Konsequenz ist es, seine Finger geschwind wieder herauszuziehen. So schnell kann man ein "Kapitel" beenden.
Da hätte der damalige Wirtschaftsminister und Vizekanzler Jürgen Möllemann (FDP) mal draufkommen sollen, nachdem er Ende 1992 wegen eines Werbebriefs auf offiziellem Papier in Schwierigkeiten geraten war. Möllemann trat seinerzeit zurück. Amthor hat noch gar nicht richtig angefangen.
Er wird uns gewiss noch viel Freude bereiten, dieser jugendliche Konservative mit Höherem im Sinn. Das also ist die Hoffnung der CDU Deutschlands, wenn die Ära Merkel bald zu Ende geht: Ein geschniegelter Emporkömmling, der sich womöglich für ein paar Flaschen Schampus und die Aussicht auf angenehme Aktienrendite zum Werkzeug machen lässt.
Es würde einen dann aber schon interessieren, wie es um die Gesichtserkennung bei Amthor steht, wenn er morgens in den Spiegel schaut. Wie man ihn kennt, gefällt er sich nach wie vor prächtig.
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