Nur zusehen und zittern?: “Ohne gute Daten bleibt KI ein stumpfes Schwert”
Wirtschaft

KI wird viel Neues in der Industrie ermöglichen – das ist keine Frage mehr., sagt Hoffmann.
Die Weltwirtschaft ist in Aufruhr. Die USA verhängen Zölle, Lieferketten müssen robuster werden, und KI könnte die Industrie revolutionieren. Im Interview erzählt der Geschäftsführer der Fabriksoftware-Schmiede Forcam Enisco, Oliver Hoffmann, wie deutsche Industrie-Unternehmen darauf reagieren.
Werden auf der Hannover Messe Innovationen oder die aktuelle US-Politik im Mittelpunkt stehen?
Oliver Hoffmann: Ich denke, die Einfuhrzölle durch die USA dürften auch auf der Hannover Messe ein sehr großes Thema sein. Die USA haben erste Zölle erhoben, weitere sind angedroht. Es betrifft ja nicht nur Einfuhren aus Europa, sondern auch aus Kanada und Mexiko. Viele hiesige Industrie-Unternehmen haben auch in Kanada oder Mexiko, also der nordamerikanischen Freihandelszone USMCA, investiert und produzieren vor Ort. Diese Unsicherheiten sind eine Gefahr für die Geschäftsbasis – nämlich international vernetzte Lieferketten.
Was können deutsche Unternehmen tun – nur zusehen und zittern?
Zittern hilft nicht, handeln schon! Die Unternehmen beobachten die Situation sehr genau. Die EU und andere Länder haben Gegenmaßnahmen angekündigt. Wir sprechen hier also nicht nur über Zölle, sondern auch über eine mögliche Neuausrichtung globaler Handelsstrukturen. Dafür können Unternehmen Absicherungsmaßnahmen ergreifen. Wer flexibel bleibt, kann besser navigieren.

Oliver Hoffmann ist Geschäftsführer der Fabriksoftware-Schmiede Forcam Enisco.
Wie genau sieht eine solche Absicherung aus?
Es geht um Resilienz. Wer an mehreren Standorten produziert und alternative Lieferanten in petto hat, ist klar im Vorteil. Vor allem digitale Steuerungssysteme helfen, Materialflüsse flexibel zu lenken. Unternehmen müssen ihre Wertschöpfungsketten so aufstellen, dass sie sich an neue Realitäten schnell anpassen können.
Ist Ihr Unternehmen in den USA vertreten?
Ja, seit mehr als zehn Jahren mit einem eigenen Team in Cincinnati, Ohio. Daher wissen wir, dass auch US-Firmen durch die neue Lage verunsichert sind.
Welche technologischen Trends sehen Sie für die Hannover Messe?
Resiliente Lieferketten sind in der heutigen Lage ein Top-Thema. Industrie-Unternehmen müssen in Echtzeit reagieren können, um sich neuen Marktbedingungen anzupassen. Das geht nur durch Digitalisierung und Automatisierung. Daher gilt für Unternehmen: Digitalisierung auf allen Ebenen! Ohne durchgehende, digital gesteuerte Prozessketten funktioniert es künftig nicht mehr.

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Wie kann das aussehen?
Es geht um flexible Lieferketten und reibungslose Auftragsdurchläufe – von der Unternehmensplanung, der Rohstoff- und Materialbeschaffung über Lieferanten-Management und internationale Fertigungsstandorte bis zu Logistik und Vertrieb. Wer heute noch manuelle Prozesse hat, verliert in Zukunft an Wettbewerbsfähigkeit.
Kann KI das Lösungswort für resiliente Lieferketten sein?
KI wird viel Neues in der Industrie ermöglichen – das ist keine Frage mehr. KI-Apps können viel schneller als bislang zum Beispiel aus Echtzeitdaten Vorhersagen treffen und alternative Szenarien durchspielen. Aber: Ohne gute, valide Daten bleibt auch KI ein stumpfes Schwert. Die Qualität der Daten entscheidet über die Intelligenz der KI.

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Was bedeutet das konkret?
Zwei Dinge sind entscheidend: Erstens müssen KI-Tools nahtlos in bestehende IT-Systeme integriert werden können. Dafür braucht es offene IT-Architekturen. Zweitens braucht es saubere, das heißt standardisierte und valide Daten. Eine schlechte Datenbasis führt zu schlechten Entscheidungen – das gilt für Menschen wie für Maschinen.
Digitale Transformation braucht Daten – klingt banal, oder?
Valide Daten sind aber essenziell. Das unterstreichen die CEOs größter IT-Häuser: SAP-Vorstand Thomas Saueressig hat vor kurzem bei n-tv betont, dass KI & Co. wichtig sind, es am Ende des Tages auf die Daten ankomme. Microsoft-Chef Satya Nadella sprach auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos von einem Datenschatz, auf dem Unternehmen in Europa säßen. Wir haben die Daten, aber nutzen wir sie auch richtig? Genau daran hakt es oft noch.

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Was trägt Ihr Unternehmen dazu bei?
Unsere Mission ist es, Fabriken smarter zu machen. Wir unterstützen Unternehmen dabei, Produktionsdaten sinnvoll zu erfassen, zu analysieren und in intelligente Lösungen für die Fertigung und für Lieferketten zu überführen. Es geht um konkrete Wettbewerbsvorteile. Die digitalen Technologien sind das Werkzeug für mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Wie verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit?
Auf nahezu allen Ebenen – Kosten, Effizienz, Flexibilität, Liefertreue. In Fabrik wird gerne mit der Kennzahl Gesamtanlageneffektivität gearbeitet. Digital gesteuert lässt sich diese Kennzahl im Schnitt um 20 Prozent verbessern, in Einzelfällen bis zu 50 Prozent. Aber vor allem die Prozessqualität in Lieferketten verbessert sich durch valide Echtzeit-Informationen.
Welche Länder haben bei der Digitalisierung die Nase vorn?
Nach meiner Erfahrung sind die großen Unternehmen, die Top 500, in allen Weltregionen digitale Vorreiter. Aber im breiten Mittelstand der fertigenden Industrie gibt es große Leistungsgefälle – von Innovator bis Nachzügler. Der deutsche fertigende Mittelstand braucht sich im internationalen Vergleich nicht zu verstecken: Deutschland hat im Mittelstand sehr innovative Unternehmen.

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Hat Nachhaltigkeit in der Industrie eigentlich noch Priorität?
Mehr denn. Digitalisierung ist auch ein Werkzeug für mehr Klimaschutz. Wer Produktionsprozesse digitalisiert, spart Energie, Material und Kosten. Nachhaltigkeit ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch klug.
Also ist Digitalisierung der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit?
Genau. Wer energieeffiziente Prozesse digital steuert, spart nicht nur CO2, sondern auch Geld. Das ist eine Win-win-Situation. Deshalb müssen Unternehmen mutig in digitale Technologien investieren. Ob Handelskrieg, KI oder Klimaschutz – die Industrie steht vor gewaltigen Herausforderungen. Doch wer jetzt in Digitalisierung und Automatisierung investiert, wird nicht nur resilienter, sondern auch wettbewerbsfähiger.
Mit Oliver Hoffmann sprach Ulrich Reitz
Quelle: ntv.de