Nachrichten in der Welt

Wissen

In der Medizin ist umstritten, ob Alkohol in Maßen gesund ist oder nicht. Eine Studie zeigt nun, dass ein halbes Glas Wein pro Tag das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Senioren senkt. Erst im Sommer kamen Forscher zu einer ganz anderen Einschätzung. Was stimmt denn nun?

Immer wieder wurde die Frage untersucht, mit teils sehr unterschiedlichen Resultaten. Ist ein Schluck Alkohol am Tag gesund oder nicht? In geringer Menge und unter bestimmten Umständen könnte Wein gesund sein, ergab nun eine im "European Heart Journal" vorgestellte Studie. Allerdings bleibt fraglich, ob der Effekt tatsächlich auf den Wein oder auf andere Faktoren zurückzuführen ist.

01:32 min

Wirtschaft 02.08.24 Schwächster Juni seit 30 Jahren Sinkender Absatz – Bierkonsum der Deutschen geht zurück

Den Studienergebnissen zufolge senkt ein halbes bis ein Glas Wein pro Tag das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bei einer dafür besonders gefährdeten Gruppe von Senioren um etwa die Hälfte – verglichen mit Alkoholverzicht. Bei größeren Mengen verschwand der Schutzeffekt jedoch.

"Heißt nicht, dass Wein der Grund ist"

Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München, hält das Resultat für durchaus plausibel. "Viele Studien belegen, dass Menschen, die Wein in geringen Mengen konsumieren, weniger Herzprobleme bekommen", sagte der Experte, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. "Das heißt aber nicht unbedingt, dass dies auch der tatsächliche Grund für die Schutzwirkung ist."

Wissen 27.11.24 Behandlungsbedürftig oder nicht? Auch der Schlaf altert – was man tun kann

Menschen, die maßvoll Wein trinken, können andere Gemeinsamkeiten aufweisen: In der aktuellen Studie hatten sie etwa – im Vergleich zu den anderen Teilnehmern – eine längere Schulbildung. Auch genetische Faktoren könnten den Alkoholkonsum von Menschen beeinflussen, erklärte Schunkert, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Zudem gelte der in der Studie gezeigte Schutzeffekt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nicht aber für andere Gesundheitsrisiken. Nur aufgrund der Studie würde der Mediziner jedoch niemandem raten, nun täglich ein halbes Glas Wein zu trinken.

Mediterrane Ernährung im Fokus

In der Studie prüfte das Team um Ramon Estruch von der Universitätsklinik Barcelona den Effekt einer mediterranen Ernährung – also reich an Olivenöl, Gemüse, Obst, Nüssen und Fisch – auf die Gesundheit von Senioren mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die mehr als 1200 Teilnehmer hatten etwa hohen Blutdruck, hohe Blutfettwerte, Übergewicht, Diabetes 2, oder sie rauchten.

Wissen 12.11.24 Bei gesundem Lebensstil Täglich ein paar Nüsse senken das Demenzrisiko

Die Männer und Frauen mit einem Durchschnittsalter von anfangs 68 Jahren machten nicht nur Angaben zu ihrer Ernährung. Zudem maß das Team zu Beginn und gegen Ende der Studie in ihrem Urin den Gehalt an Weinsäure. Dieser gibt Aufschluss über den Konsum von Trauben und Wein in den vorherigen fünf bis sechs Tagen. Über die Dauer von durchschnittlich 4,8 Jahren registrierte das Team 685 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, darunter Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Unterschiedliche Wirkung bei Frauen

Bei jenen Teilnehmern, die neben der mediterranen Diät täglich ein halbes bis ein Glas Wein tranken, sei das Risiko dafür halb so groß gewesen wie bei gänzlich auf Alkohol verzichtenden Menschen, schreibt die Gruppe. Bei einem Konsum von mehr als einem Glas verschwand der Effekt. Bei Frauen galt der Schutzeffekt im Vergleich zu Männern nur für die halbe Menge Wein.

Die Forscher berücksichtigten bei ihren Kalkulationen zwar auch andere Risikofaktoren, räumen aber ein, dass sie den Schutzeffekt nicht zwingend auf den Weinkonsum zurückführen können. Das Resultat beruht zudem auf Senioren mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sich an eine mediterrane Ernährung hielten, und gilt nicht für andere Bevölkerungsgruppen.

"Viele Umstände nicht erfasst"

Mehr zum Thema Nicht wegen des Rausches Tiere konsumieren häufiger Alkohol als gedacht Rauschtrinken kann tödlich enden Wie hilft man bei einer Alkoholvergiftung? "Symptome wie bei kaltem Entzug" Wie lange dauert Liebeskummer und was hilft dagegen?

In einem Kommentar in der Zeitschrift schreibt eine Gruppe um Giovanni de Gaetano vom italienischen Istituto Neurologico Mediterraneo in Pozzilli, dass die Studie ein weiterer Schritt zum Verständnis des komplexen Verhältnisses zwischen Wein und Gesundheit sei. Sie habe jedoch viele Umstände des Alkoholkonsums nicht erfasst, was ihre Aussagekraft einschränke.

Erst im Juli hatte eine Analyse Dutzender Studien im "Journal of Studies on Alcohol and Drugs" ergeben, dass Alkohol auch in geringen Mengen nicht gesund ist. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät in einem im Oktober veröffentlichten Positionspapier, gar keinen Alkohol zu trinken. Es gebe keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum. "Die DGE empfiehlt daher, auf alkoholische Getränke zu verzichten", heißt es im Positionspapier.

Quelle: ntv.de