News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Montag (17. Oktober)
Zahlreiche Städte im Osten der Ukraine stehen unter russischem Beschuss. Kiew appelliert, den Stromverbrauch zu senken. Und: Soll sich die Ukraine westliche Waffen ausleihen? Das geschah in der Nacht.
Was in den vergangenen Stunden geschah
Nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte beschießen russische Streitkräfte weiterhin ukrainische Stellungen an mehreren Fronten, darunter Städte in den Regionen Charkiw, Donezk und Cherson. Die schwersten Kämpfe fänden nördlich von Bachmut statt, teilte der ukrainische Militärexperte Oleh Schdanow mit. Die ukrainischen Streitkräfte hätten in den vergangenen 24 Stunden russische Vorstöße auf die Städte Torske und Sprine zurückgeschlagen. »(Die Russen) haben beschlossen, durch Torske und Sprine zu ziehen.« Die Frontlinie verschiebe sich ständig. »Unser Kommando verlegt Verstärkungen dorthin, Männer und Artillerie, um der russischen Überlegenheit in diesen Gebieten zu begegnen.«
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem Hintergrund zunehmender Drohungen Moskaus, das Getreideabkommen zu beenden, dessen Bedeutung für die Hungerbekämpfung betont. Obwohl der Krieg die Exporte weiter behindere, habe die Ukraine seit dem Inkrafttreten des Getreideabkommens fast acht Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Seeweg ausgeführt, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner täglichen Videoansprache. »Das sind mehr als 300 Schiffe. 60 Prozent der Menge sind nach Afrika und Asien gegangen.« Er kündigte an, die Exporte weiter auszubauen.
Erst vor wenigen Tagen hatte Russland damit gedroht, den Getreidedeal zu stoppen und die ukrainischen Häfen wieder zu blockieren. Dafür gibt es zwei Begründungen. Im September schon hatte Russlands Präsident Wladimir Putin von »Abzocke« gesprochen. Die Vereinbarung werde bezüglich der Lockerung von Sanktionen gegenüber russischen Lebens- und Düngemitteln nicht eingehalten. Zuletzt führte der Kremlchef als Grund zudem die These an, dass die Ukraine vermutlich über den Seeweg den Sprengstoff für den Anschlag auf die Krim-Brücke geschmuggelt habe.
Selenskyj bat er seine Landsleute darum, Strom zu sparen. »Aufgrund des russischen Raketenterrors ist es in einigen Städten und Regionen der Ukraine notwendig, die Stromversorgung zu begrenzen, damit das gesamte System stabil funktioniert«, sagte er. Gerade in den Stoßzeiten am Abend sei es notwendig, Strom zu sparen, da es sonst zu Überlastungen komme und die Elektrizitätswerke zu Abschaltungen gezwungen seien.
Der designierte Botschafter der Ukraine in Berlin, Oleksij Makejew, lobt Deutschland für die Unterstützung der Ukraine. »Die deutsche Bevölkerung unterstützt die Ukraine so stark, dass ich sicher bin, dass wir gemeinsam mit Deutschland und allen anderen europäischen Partnern den Krieg gewinnen werden! Je schneller, desto besser. Mein Team und ich in der Botschaft in Berlin werden jeden Tag einen enormen Beitrag zum Sieg leisten«, sagt Makejew, der am Montag in Berlin erwartet wird, der »Bild«-Zeitung. Sein Vorgänger Andrij Melnyk habe einen tollen Job gemacht. Er werde immer wieder auf dessen Expertise zurückkommen.
Das sagt Moskau
Rund acht Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine will Russland trotz militärischer Rückschläge seine Kriegsziele unbeirrt weiterverfolgen. Die militärische »Operation« werde zu Ende gebracht, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Sonntag im Staatsfernsehen. Das werde zwar erschwert von der Hilfe westlicher Staaten für die Ukraine. Aber Russland habe genug Potenzial zur Fortsetzung des Einsatzes. Er sagte, die Nato sei »de facto« schon in den Konflikt involviert.
Die Bundesregierung und andere Nato–Staaten betonen hingegen immer wieder, keine Kriegspartei zu sein. Die Hilfe für die Ukraine gilt als Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts des Landes, das in die EU und die Nato strebt.
Im Südwesten Russlands wurden auf einem Truppenübungsplatz nahe der ukrainischen Grenze laut Militär bei einem Schusswaffenangriff mindestens elf Menschen getötet. Bei dem Angriff auf dem Gelände bei Belgorod, wo Rekruten für den Krieg vorbereitet wurden, schossen am Samstag nach Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums zwei Männer bei einem Schießtraining auf Soldaten. Dabei seien auch die Täter getötet worden. Mindestens 15 Menschen wurden zudem verletzt, wie die Staatsagentur Tass meldete. Moskau sprach von einem Terroranschlag.
Humanitäre Lage
Das Rote Kreuz wehrt sich gegen Kritik aus Kiew, dass es zahlreiche Kriegsgefangene noch nicht besucht hat. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) habe moralische Verpflichtungen, hatte der ukrainische Präsident Selenskyj vergangene Woche erklärt und umgehende Besuche verlangt. »Es hilft weder den Kriegsgefangenen noch ihren Familien, wenn dem IKRK die Schuld dafür gegeben wird, dass ihm der uneingeschränkte und sofortige Zugang verweigert wird«, teilte das IKRK am Sonntagabend mit. Elf Mitarbeiter, darunter ein Arzt, stünden in der von Russland besetzten Region Donezk für solche Besuche bereit, hätten aber bislang keine Erlaubnis erhalten.
Diese müsse von den beteiligten Staaten kommen. Sie seien nach den Genfer Konventionen verpflichtet, dem IKRK Zugang zu gewähren. Das IKRK verlange seit fast acht Monaten vergeblich, sämtliche Orte, an denen Kriegsgefangene interniert seien – darunter das Gefangenenlager Oleniwka – ungehindert und regelmäßig besuchen zu können.
Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben nach Uno-Angaben vier Millionen Kinder in Osteuropa und Zentralasien in die Armut getrieben. »Kinder tragen die größte Last der wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekrieg«, erklärte die Uno-Kinderhilfsorganisation Unicef am Montag. Durch den Konflikt und die dadurch angeheizte Inflation sei die Zahl armer Kinder in Osteuropa und Zentralasien innerhalb eines Jahres um 19 Prozent gestiegen.
Unicef stützt sich bei dem Bericht auf Daten aus 22 Ländern. Demnach sind die Auswirkungen des Krieges auf Kinder in Russland und der Ukraine besonders stark. Auf Russland entfallen drei Viertel des Zuwachses an in Armut lebenden Kindern, dort stieg die Zahl armer Kinder durch die Kriegsfolgen um 2,8 Millionen. In der Ukraine stieg die Zahl armer Kinder wegen des Krieges laut Unicef um eine halbe Million. An dritter Stelle liegt Rumänien, wo die Zahl von in Armut lebenden Kindern um 110.000 stieg.
Internationale Reaktionen
In der Ex-Sowjetrepublik Belarus steigen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine die eigenen militärischen Aktivitäten. »Jetzt haben wir alle Waffen vom Verteidigungsministerium erhalten, die wir bekommen sollten, und haben sie in den Waffenkammern gelagert«, teilte der Chef des belarussischen Zivilschutzes, Wadim Sinjawski, im Staatsfernsehen mit. Es seien zugleich Einheiten gebildet worden, die zusammen mit dem Militär »zur Verteidigung des Vaterlands« herangezogen werden könnten, versicherte Sinjawski.
Der ranghohe Beamte sprach zugleich von rund 5000 unterirdischen Anlagen, die in Belarus als Bombenschutzkeller verwendet werden könnten. Der belarussische Grenzschutz teilte derweil mit, seine Einheiten an der Grenze »wegen der verstärkten Aufklärungstätigkeit der Ukraine« verstärkt zu haben.
Zuvor hatte Russland am Sonntag die ersten von insgesamt 9000 Soldaten für eine gemeinsame Truppe nach Belarus entsandt. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte am vergangenen Montag die Aufstellung einer gemeinsamen regionalen Truppe mit Russland bekanntgegeben. Sie solle angesichts der steigenden Spannungen die belarussische Grenze schützen.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister, begrüßt die geplante europäische Trainingsmission für ukrainische Soldaten in Mitgliedsländern der Europäischen Union. Die EU-Unterstützungsmission sei »angesichts des anhaltenden Krieges neben der Lieferung von militärischem Material ein sehr wichtiger Schritt, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine substanziell zu stärken«, sagte der CDU-Politiker der »Welt« (Montag) vor einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg.
Mit Blick auf Waffenlieferungen brachte der Ausschusschef einen neuen Vorschlag ins Spiel: »Zur weiteren Unterstützung ist ein Vorschlag des Europäischen Parlaments, dass sich die Ukraine vorübergehend moderne Waffen vom Westen ausleiht. Die EU könnte Gelder zur Verfügung stellen, aus denen die Mietkosten bezahlt werden.«
Wirtschaftliche Konsequenzen
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Berlin vor dem Hintergrund der deutschen Gaspreisbremse zu europäischer »Solidarität« aufgerufen. Nationale Alleingänge führten zu »Verzerrungen auf dem europäischen Kontinent«, sagte er der französischen Tageszeitung »Les Echos«.
»Unser Europa befindet sich, wie in der Coronakrise, in einem Augenblick der Wahrheit (…). Wir müssen mit Einheit und Solidarität handeln«, sagte der französische Staatschef. Notwendig sei eine europäische statt einer nationalen Strategie.
»Es gibt eine europäische Solidarität gegenüber Deutschland, und es ist normal, dass es auch eine Solidarität Deutschlands gegenüber Europa gibt«, betonte Macron. Er habe jedoch Vertrauen »in die Stärke des deutsch-französischen Paares und in unsere Fähigkeit, gemeinsam eine ehrgeizige Strategie zu tragen«.
Was heute passiert
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Die Außenminister der Europäischen Union geben den Startschuss für eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine (Ratsbeginn 10 Uhr). Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre Kollegen wollen in Luxemburg die Pläne zur Ausbildung von rund 15.000 ukrainischen Soldaten in der EU besiegeln. Die neue Mission EUMAM Ukraine ist vorerst auf zwei Jahre angelegt. Deutschland will dem Vernehmen nach rund 5000 Soldaten ausbilden.