News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Montag (12. September)
Die ukrainische Armee berichtet von großen Geländegewinnen. US-Ministerin warnt vor steigenden Spritpreisen. Und: Laut Umfrage ist die Mehrheit der Deutschen zu Verzicht wegen Sanktionen bereit. Das geschah in der Nacht.
Was in den vergangenen Stunden geschah
In weiten Teilen der Ostukraine ist am Sonntagabend der Strom ausgefallen. Kiew machte russische Angriffe auf Infrastruktur für die Blackouts verantwortlich. Zuvor hatte die Ukraine die Rückeroberung weiterer russisch besetzter Gebiete im Osten des Landes gemeldet. Im besetzten Atomkraftwerk Saporischschja wurde laut der Betreiberfirma der letzte Reaktor vom Stromnetz getrennt. (Mehr zu den Blackouts in der Ukraine erfahren Sie hier.)
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich angesichts des mittlerweile seit 200 Tagen andauernden Kriegs bei seinen Landsleuten für die Verteidigung der Heimat bedankt. »In diesen 200 Tagen haben wir viel erreicht, aber das Wichtigste und damit das Schwierigste liegt noch vor uns«, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag.
Er bedankte sich unter anderem bei den ukrainischen Bodentruppen, der Luftwaffe, den Seestreitkräften – und bei allen, die in diesen Tagen »die Geschichte der Unabhängigkeit, die Geschichte des Sieges, die Geschichte der Ukraine« schrieben.
Nach seinen Worten haben ukrainische Streitkräfte die strategisch wichtige Stadt Isjum im Osten des Landes zurückerobert. Die Armee habe »Hunderte unserer Städte und Dörfer befreit«, zuletzt die Städte Isjum, Balaklija und Kupjansk, sagte Selenskyj.
Die russische Armee hatte am Samstag überraschend den Abzug ihrer Truppen aus Gebieten im Osten der Ukraine angekündigt, darunter die Gebiete um Balaklija und Isjum. Nach russischer Darstellung werden die Truppen weiter südlich verlegt, um die russischen Streitkräfte in der Region Donezk zu verstärken.
Militärexperten sehen eine Rückeroberung von Isjum durch die Ukraine als einen schweren Rückschlag für die russische Armee im Osten der Ukraine.
Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen die Rückeroberung von mindestens 30 Ortschaften in der östlichen Region Charkiw gemeldet. Demnach gelang es den ukrainischen Streitkräften unter anderem, die für den Nachschub der russischen Truppen wichtige und schon zu Beginn des russischen Angriffskriegs besetzte ostukrainische Stadt Kupjansk zurückzuerobern. Auf vom ukrainischen Militär veröffentlichten Bildern waren Kisten mit von russischen Truppen zurückgelassener Munition sowie verlassene Militärfahrzeuge zu sehen.
Selenskyj selbst bezeichnet die Gegenoffensive im Großraum Charkiw als möglichen Durchbruch in dem monatelangen Krieg mit Russland. Im Winter könnten die ukrainischen Streitkräfte weitere Geländegewinne erzielen, falls Kiew mehr leistungsstarke Waffen erhalte, sagt Selenskyj. Die ukrainische Armee werde weitere Fortschritte machen. »Wir werden nicht still stehen«, sagte er in einem Interview mit dem Sender CNN, das am Freitag aufgezeichnet wurde.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Die Bereitwilligkeit in Deutschland, wegen der Sanktionen gegen Russland Verzicht zu üben, ist einer Umfrage zufolge weiterhin hoch. 53 Prozent der Deutschen geben an, verzichten zu wollen, um die Sanktionen gegen Russland zu tragen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Zeitung »Augsburger Allgemeine« hervor. Grundsätzlichen Verzicht lehnen dagegen 42 Prozent der Befragten ab. Der Rest ist unentschlossen. Trotz der Unwägbarkeiten zeigen sich laut der Umfrage vor allem die Wähler von Grünen und SPD verzichtbereit. Im Lager der Grünen sind es mehr als neun von zehn Befragten. Eher gespalten ist in dieser Frage die Anhängerschaft der Union. Unter Sympathisanten von FDP, Linke und AfD spricht sich jeweils eine Mehrheit gegen Verzicht aus.
Der deutsche Industrieverband BDI hat die Bundesregierung aufgefordert, nicht an den Auswirkungen der Energiekrise herumzudoktern, sondern sich auf deren Ursache zu konzentrieren: die hohen Gas- und Strompreise. »Wir können mit allen Steuergeldern es nicht schaffen, diese Kostenlawine hinten auszugleichen, wenn die Kosten schon entstanden sind. Wir müssen alles dafür tun, dass Energie wieder billiger wird«, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Sonntag im ZDF-»heute journal«.
Die Energiepreise seien noch mit zu vielen Steuern und Abgaben belegt. »Netzkosten von den Energiepreisen wegnehmen – auch das hilft den Unternehmen«, erklärte er. Zudem müsse das Stromangebot erhöht werden. Dazu müssten alle verfügbaren Stromproduktionsstätten genutzt werden, sagte er, ohne allerdings direkt mehr Atomkraftnutzung zu verlangen.
»Es ist allerhöchste Not in der deutschen Wirtschaft.« Es treffe große Unternehmen wie kleine, energieintensive ebenso wie weniger energieintensive. Zwar hätten die Unternehmen Reserven. Aber selbst Firmen mit wenig Energieverbrauch in einem Volumen von beispielsweise zwei Prozent ihrer Kosten könnten eine Veracht- oder Verneunfachung nicht auffangen.
US-Finanzministerin Janet Yellen warnt die amerikanische Bevölkerung vor steigenden Benzinpreisen im Winter. Dazu könnte es kommen, wenn die Europäische Union ihre Käufe von russischem Öl massiv reduziere, sagte Yellen am Sonntag dem Sender CNN. Es gebe ein Risiko, dass die Preise stiegen. Jedoch arbeite der Westen an einer Preisobergrenze für Öl, um das Problem zu lösen. Die sieben führenden Industrienationen wollen eine Preisobergrenze für russisches Öl einführen. Russland erzielt gegenwärtig hohe Gewinne aus dem Export von Rohstoffen wie Öl. Dem will der Westen entgegentreten. Die Gruppe westlicher Demokratien – bestehend aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, den USA, Kanada und Japan – wollen Dienstleistungen und Finanzierungen rund um russische Öllieferungen nur noch erlauben, wenn ein bestimmtes Preisniveau für das Öl nicht überschritten wird.
Indonesiens Präsident Joko Widodo zieht einem Zeitungsbericht zufolge angesichts der steigenden Energiekosten den Kauf von russischem Öl in Betracht. »Wir prüfen alle Optionen. Wenn es ein Land gibt, das einen besseren Preis bietet, dann natürlich«, sagte Widodo der »Financial Times« auf die Frage, ob Indonesien Öl aus Russland beziehen würde.
Die Botschafterin der USA in Deutschland, Amy Gutmann, hat die Bundesregierung aufgefordert, den Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland noch stärker zu unterstützen. Sie begrüße und bewundere sehr, was die Deutschen für die Ukraine täten, sagte Gutmann am Sonntagabend in der ZDF-Sendung »Berlin direkt«. »Dennoch: Meine Erwartungen sind noch höher an Deutschland.« (Mehr dazu erfahren Sie hier.)
Was heute passiert
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Russische Bürgerinnen und Bürger profitieren nicht mehr von einer erleichterten Visa-Vergabe für Reisen nach Deutschland und in andere Staaten des Schengen-Raums. Das zwischen der EU und Russland geschlossene Abkommen zur Erleichterung der Visa-Vergabe ist nach einem Beschluss der EU-Staaten von vergangener Woche für russische Staatsbürger nun komplett ausgesetzt.