News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Donnerstag (27. April)
Der ukrainische Präsident hat mit Chinas Staatschef Xi telefoniert und ein positives Fazit gezogen. Die Ukraine soll rechtzeitig alle Waffen für ihre Offensive bekommen. Und: Wagner-Chef Prigoschin wittert Verrat. Die jüngsten Entwicklungen.
Das sagt Kiew
Wolodymyr Selenskyj hat sein Telefonat mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping als »langes und ziemlich vernünftiges Gespräch« bezeichnet. »Nun besteht die Möglichkeit, unseren ukrainisch-chinesischen Beziehungen neue Impulse zu verleihen«, sagte der Präsident der Ukraine in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch. »Es besteht die Möglichkeit, Chinas politischen Einfluss zu nutzen, um die Prinzipien und Regeln, auf denen Frieden basieren sollte, wieder zu stärken.«
China sei – ebenso wie die Ukraine und die Mehrheit der Weltgemeinschaft – an der Stärke souveräner Nationen, deren territorialer Integrität sowie der Vermeidung atomarer Katastrophen interessiert, fügte Selenskyj hinzu. »Wir haben vereinbart, unsere Kommunikation fortzusetzen.«
Xi und Selenskyj hatten am Mittwoch zum ersten Mal seit Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine miteinander telefoniert. Mit Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Xi hingegen seitdem mehrfach gesprochen. Kritiker werfen China vor, in dem Konflikt nicht neutral zu sein – auch, weil es die russische Invasion bis heute nicht verurteilt hat.
Internationale Reaktionen
Die EU hat das erste Telefonat seit Beginn des Ukrainekriegs Xi und Selenskyj begrüßt. »Es ist ein wichtiger, lang überfälliger Schritt von China«, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Mittwoch. Chinas Führung müsse »ihren Einfluss nutzen, um Russland zur Beendigung des Angriffskriegs zu bringen«.
Auch die Bundesregierung wertete das Gespräch zwischen Xi und Selenskyj als gutes Signal. China habe als ständiges Mitglied des Uno-Sicherheitsrats eine »besondere Verantwortung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine«, sagte ein Regierungssprecher.
»Wir denken, das ist eine gute Sache«, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA. Die Regierung in Washington habe schon seit geraumer Zeit gesagt, dass es wichtig für Xi und die chinesische Regierung wäre, sich die ukrainische Perspektive auf den russischen Angriffskrieg anzuhören. Ob das zu einer bedeutsamen Entwicklung hin zu Frieden führen könne, sei aber noch unklar.
Das sagt die Nato
Die ukrainische Armee werde rechtzeitig alle Waffen bekommen, die es für die erwartete Offensive brauche, erklärt der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, US-General Christopher Cavoli. Es seien bereits über 98 Prozent der zugesagten Kampf-Fahrzeuge in die Ukraine geliefert worden. »Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir ihnen das benötigte Material geliefert haben und dass wir auch weiter Nachschub zur Unterstützung ihrer Einsätze stellen werden«, sagt er im US-Kongress.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die Mitgliedstaaten des Verteidigungsbündnisses zu mehr Tempo beim Ausbau der Produktionskapazitäten für Waffen und Munition auf. Es gehe darum, weitreichender und rascher zu handeln, sagte der Norweger am Mittwoch zum Auftakt einer zweitägigen Konferenz nationaler Rüstungsdirektoren in Brüssel.
Es müssten die vom Bündnis benötigten militärischen Fähigkeiten beschafft werden – gemeinsam und mit der Industrie. In einer Nato-Pressemitteilung hieß es, dies werde die Abschreckung und Verteidigung des Bündnisses verbessern und die weitere Unterstützung der Ukraine ermöglichen.
Prigoschin sieht Verrat
Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat erneut schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Moskau erhoben. Innerhalb Russlands sei ein Verrat im Gange, erklärte er in einer auf seinem Telegram-Kanal verbreiteten Ansprache. Das Verteidigungsministerium liefere nicht genügend Munition für den Kampf um Bachmut. Weil die Unterstützung fehle, seien die Verluste bei seinen Söldnern um ein Vielfaches höher. Er fragte, warum Entlastungsangriffe auf Slowjansk und Kramatorsk ausblieben, um die Söldner in dem nahe gelegenen Bachmut zu entlasten.
Die Wagner-Gruppe trägt nach eigenen Angaben die Hauptlast der seit Monaten anhaltenden Kämpfe um Bachmut im Donbass. Dort werden nach Angaben des Wagner-Chefs gut ausgebildete feindliche Einheiten eingesetzt. Prigoschin erklärte, es sei fest mit einer Gegenoffensive der Ukrainer zu rechnen. Diese werde irgendwann nach dem 2. Mai beginnen, wenn sich das Wetter gebessert habe und der Boden nicht mehr schlammig sei.
Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte berichtete auf Facebook, dass Russland ukrainische Stellungen an der Front in Bachmut beschieße. Es sei den russischen Truppen jedoch nicht gelungen, zwei angegriffene Dörfer einzunehmen. Mindestens ein Dutzend Ortschaften seien unter russischen Beschuss geraten.
Ein Sprecher der ukrainischen Streitkräfte im Osten berichtete am Mittwoch im nationalen Fernsehen von 324 russischen Angriffen binnen 24 Stunden mit Artillerie und Mehrfachraketenwerfern. »Die Russen zerstören Gebäude in Bachmut, um unsere Soldaten daran zu hindern, sie als Befestigungen zu nutzen«, sagte er. Es war nicht möglich, die Angaben von ukrainischer und russischer Seite unabhängig zu überprüfen.
Der Militäranalyst Denis Popowitsch erklärte gegenüber dem ukrainischen Radio »NV«, dass sich bislang keine Wende in der umkämpften Stadt abzeichne. »Wenn Bakhmut fällt, könnte Russland frei werdende Ressourcen woanders hinschicken.« Für die Ukraine biete Bachmut die Chance, russische Truppen zu schlagen und diese daran zu hindern, an anderen Stellen der Front eingesetzt zu werden.

