News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Dienstag (23. Mai)
Rund um die russische Stadt Belgorod gab es bis in die Nacht Angriffe – die genauen Umstände sind unklar. Die Wagner-Söldner wollen angeblich Waffen aus Afrika schmuggeln. Und: BND-Analyse zu Putin. Die jüngsten Entwicklungen.
Was in den vergangenen Stunden geschah
Die Lage in der ukrainisch-russischen Grenzregion bleibt sehr unübersichtlich. Bis in die Nacht hinein gab es in den sozialen Netzwerken Berichte über Angriffe auf russischem Boden im Gebiet Belgorod. Unter anderem sollen Gebäude des Innenministeriums und des Geheimdienstes attackiert worden sein. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Zu sehen waren Rauchwolken über Gebäuden sowie Aufnahmen von mutmaßlichen Todesopfern. Russland bezichtigt eine »ukrainische Sabotageeinheit« des Grenzübertritts und der Angriffe. Kiew weist dies zurück.
Nach Darstellung der Ukraine hätten vielmehr die ausschließlich aus russischen Staatsbürgern bestehenden Einheiten »Russisches Freiwilligenkorps« und »Legion Freiheit Russlands« »eine Operation zur Befreiung des Gebiets Belgorod vom sogenannten Putin-Regime begonnen«.
Die russische Region Belgorod grenzt an die Ukraine, ihre gleichnamige Hauptstadt liegt nur wenige Kilometer entfernt von der ukrainischen Stadt Charkiw.
Die »Legion Freiheit Russlands« selbst erklärte, man hab das Grenzdorf Kozinka eingenommen und Einheiten in den nächsten Ort Grayvoron geschickt. Aufnahmen eines getöteten mutmaßlich russischen Soldaten und eroberter Armeefahrzeuge sollen diese Behauptung untermauern. Ein anderes Video soll einen Armeehubschrauber über dem Ort Kozinka zeigen. Auch hier ist eine Bestätigung der Angaben nicht möglich. Die ukrainische Regierung bestreitet jede Zusammenarbeit mit den antirussischen Milizen.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, ruft die Bundesregierung auf, die Aufnahme seines Landes in die Nato voranzutreiben. Die Ukraine erwarte vom Nato-Gipfel, der am 11. und 12. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius stattfindet, »klare Signale zur euroatlantischen Integration und zum zukünftigen Nato-Beitritt meines Landes«, sagt Makeiev den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Nur eine Mitgliedschaft in der Atlantischen Allianz könne Sicherheitsgarantien liefern. Dabei erwarte die Ukraine »eine führende Rolle von unseren Verbündeten in Deutschland, wie sie es bereits bei der Bildung der Panzer-Koalition und der Luftabwehr gespielt haben«. Makeiev lobt die beim G7-Gipfel in Hiroshima geschmiedete Koalition zur Lieferung von Kampfjets, ohne allerdings auf eine Beteiligung Deutschlands zu pochen.
Humanitäre Lage
Die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt, dass in den ukrainischen Schwarzmeerhafen Piwdennji (Juschny) seit dem 2. Mai keine Schiffe mehr eingelaufen sind. »Wir sind besorgt über diese Einschränkung und fordern erneut die vollständige Wiederaufnahme des Betriebs«, sagt Uno-Sprecher Stéphane Dujarric. Er machte keine Angaben dazu, wer verantwortlich sein könnte. Unter der Schwarzmeer-Vereinbarung wurden zunächst mehr als 30 Millionen Tonnen Lebensmittel wurden aus den ukrainischen Häfen exportiert. Dujarric zufolge war der Piwdennji für mehr als ein Drittel davon verantwortlich.
Internationale Reaktionen
Die russische Söldnergruppe Wagner soll nach Angaben des US-Außenministeriums versucht haben, über Mali Waffen zu schmuggeln, die in der Ukraine eingesetzt werden sollen. »Es gibt Hinweise darauf, dass Wagner versucht hat, militärische Systeme von ausländischen Anbietern zu kaufen und diese Waffen als Drittpartei durch Mali zu leiten«, erklärt Ministeriumssprecher Matthew Miller. »Wir haben noch keine Anzeichen dafür gesehen, dass diese Käufe abgeschlossen oder ausgeführt wurden, aber wir beobachten die Situation genau.«
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, sieht auch 15 Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine keine Anzeichen für eine Schwächung von Präsident Wladimir Putin. Man sehe keine erkennbaren Risse im System Putin, sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes am Montag vor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin. Trotz vereinzelter Kritik – etwa, was Munitionslieferungen angehe – gebe es auch keine Anzeichen, dass das System ins Wanken gerate oder implodiere.
»Russland ist nach wie vor in der Lage, einen Krieg auf der langen Distanz gesehen zu führen« – mit immer wieder neu rekrutierten Soldaten, sagte Kahl. Dies gelte auch für die Bereiche Rüstung und Munition. Insofern sei von Schwäche oder davon, dass die Aktivitäten zusammenbrechen könnten, nicht zu reden.
Zwar gebe es Verwundbarkeiten und auch Überraschungen – etwa, was die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte betreffe. Wenn aber der Westen die Ukraine nicht sehr organisiert unterstütze und Widerstand organisiere, könne sich Putins Strategie durchsetzen, auf die lange Zeitschiene und die Masse zu setzen.
Auf die Frage, wann genau der BND gewusst habe, dass Russland sein Nachbarland angreifen werde, sagte Kahl: »Ungefähr 14 Tage vor Kriegsbeginn haben wir auch Phänomene festgestellt, die nicht anders interpretierbar waren.« Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte am 24. Februar vergangenen Jahres begonnen.
Kahl wies Kritik zurück, die Geheimdienste in den USA und Großbritannien hätten viel früher mit einem Angriff gerechnet als der BND.
Waffenlieferungen an die Ukraine
Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter hat sich für die Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine ausgesprochen. »Die Partner der Ukraine müssen jetzt ›all-in‹ gehen und der Ukraine alles liefern, was die Ukraine im Gefecht der verbundenen Waffen einsetzen kann und völkerrechtlich zulässig ist«, sagte Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Taurus-Lenkwaffen mit bis zu 500 Kilometern Reichweite könnten ein »sehr hilfreicher Beitrag aus Deutschland« sein.
Der CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss sagte, die Marschflugkörper brächten der Ukraine im inzwischen 15 Monate dauernden Krieg massiven Mehrwert und ermöglichten »Schläge gegen die militärische Infrastruktur der Russen weit hinter der Frontlinie«. Für die Bundeswehr seien vor zehn Jahren rund 600 Taurus beschafft worden. Davon seien heute noch »um die 150« einsatzbereit. Es sei wesentlich sinnvoller, diese Waffen in der Ukraine einzusetzen als sie in Deutschland zu lagern. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert seit dem 24. Februar vergangenen Jahres.
Was heute passiert
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Die Verteidigungsminister der Europäischen Union beraten in Brüssel über weitere Unterstützung für die Ukraine (ab 11.00 Uhr). Dabei geht es um die Zusage der Europäer, der Ukraine eine Million Artilleriegeschosse zu liefern. Die Regierung in Kiew braucht die Munition dringend zur Verteidigung gegen Russland. Diplomaten zufolge sind die Lieferpläne allerdings ins Stocken geraten. Weiteres Thema ist eine neue EU-Eingreiftruppe, für die ab dem Jahr 2025 rund 5000 Soldaten im Gespräch sind. Die Bundesregierung will dabei eine zentrale Rolle übernehmen. Die Verteidigungsminister treffen zudem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu einem Arbeitsessen.