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News: Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron, Olaf Scholz, Erdbeben, Türkei, Syrien, AfD

February 09
11:06 2023

Nächster Halt Brüssel

Zum zweiten Mal seit dem Angriff auf sein Land hat sich Wolodymyr Selenskyj auf eine Auslandsreise gewagt. Auf seinem im Geheimen vorbereiteten Trip durch Westeuropa erreicht der ukrainische Präsident heute Brüssel. Selenskyj wird Gast auf dem Sondergipfel des Europäischen Rats sein und wohl eine Rede vor den EU-Abgeordneten halten.

Vor Brüssel war Selenskyj in Paris, aber zuerst besuchte er London, und das dürften viele EU-Regierungschefs als kleinen Stich empfinden. Vor allem Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die Selenskyj gestern Abend in Paris trafen. All die Hilfe für die Ukraine, die Milliarden, die Sanktionen, die Waffen, der Status als Beitrittskandidat – und dann London first? »Du und ich, wir sind zweimal zweite Wahl«, könnten Scholz und Macron einander frei nach Bernd Begemann singen . »Ich bin nicht das, was du dir aussuchst, ich bin das, was dir passiert.«

Selenskyjs Reiseplan dürfte daran liegen, dass die Ukraine längst nach einer »Flugzeugkoalition« ruft, während die Koalition der Kampfpanzer-Lieferanten noch höchst fragil ist . Aus London gibt es positive Signale: Man überlege »aktiv«, welche Kampfflugzeuge man der Ukraine »auf lange Sicht« geben könne.

Wie aktiv überlegt man in Paris, Warschau, Berlin? Kanzler Scholz kritisiert einen »Überbietungswettbewerb«, Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht von »hypothetischen Fragen«. Die sich ständig wiederholenden Phasen von Druck und Gegendruck, Waffenforderung und Waffenverweigerung, lautem Rufen und dröhnendem Schweigen machen die Debatten so ermüdend.

Tabus werden implizit aufgebaut, um dann kassiert zu werden: Keine Waffen, keine schweren Waffen, keine Panzer, okay keine Kampfpanzer, dann doch Kampfpanzer, aber ganz sicher keine Flugzeuge… Am Ende jeder Runde steht meist ein plötzlicher Durchbruch – und sogleich die nächste Forderung. Was gestern noch unbedingt gebraucht wurde an der Front, soll heute gar nicht mehr kriegsentscheidend sein.

Es gibt für diesen Krieg kein Drehbuch, hat Olaf Scholz zu Recht gesagt. Trotzdem ahnt man den nächsten Akt schon. Begemann, übernehmen Sie: »Du bist mir völlig egal. Ich werd’ dir treu sein bis ans Grab.«

  • Präsident Selenskyjs Überraschungsbesuch in London: »Gebt uns Flügel«

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die wichtigsten Entwicklungen: Starlink möchte verhindern, dass die Ukraine sein Satelliteninternet weiter für militärische Angriffszwecke verwendet. Selenskyj kommt nach Brüssel. Und: 120 Milliarden Dollar flossen bisher von Nato-Staaten.

  • »Das Problem ist die Art, wie die Ukrainer kämpfen«: Auch deutsche Panzer werden den Lauf des Kriegs nicht maßgeblich beeinflussen, sagt der US-Militärexperte Michael Kofman. Hier erläutert er, warum ein Friedensangebot Wladimir Putins die härteste aller Prüfungen wäre.

  • Kolumne – »Das ist nicht unser Krieg«: Der deutsche Pazifismus hat ein großes Problem, das mit dem russischen Überfall auf die Ukraine offensichtlich geworden ist: Er ist zweigeteilt

Staatsapparat gegen Teenagerin

Die Geschichte kennt viele Beispiele, wie einzelne Jugendliche einem unterdrückerischen Regime die Stirn bieten. Ein neues Beispiel ist die russische Studentin Olesja Kriwzowa, 19, die sich auf Flugblättern und auf Instagram gegen den Angriffskrieg ihres Landes gegen die Ukraine aussprach. Unser Autor Ivan Ruslyannikov beschreibt, wie das Moskauer Regime das Mädchen aus Archangelsk seither mit Razzien, Hausarrest, Geldbußen und Strafprozessen überzieht.

Wenn ein Machtapparat es nötig hat, wegen der Instagram-Posts eines jungen Mädchens zuzuschlagen, ist das oft ein Signal des Niedergangs und der inneren Zerrüttung.

Aber vielleicht wird alles bald gut? Vielleicht hört Putin auf die AfD? Gestern präsentierte die Bundestagsfraktion der »einzigen Friedenspartei in Deutschland« (Eigenwerbung) einen Plan zur Beendigung des völkerrechtswidrigen Angriffs auf Russ…, pardon, auf die Ukraine.

Dass Putin einschlägt, ist gar nicht so abwegig, denn der AfD-Vorschlag liest sich, als hätte der russische Botschafter ihn dem AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla beim jüngsten Propagandatermin zur Feier des Sieges der Roten Armee bei Stalingrad zugesteckt: Moskaus Truppen sollen sich zurückziehen, dafür sollen die Sanktionen enden und die Ukraine versprechen, nie EU- oder Nato-Mitglied zu werden. Über das Schicksal der Krim sollten sich Moskau und Kiew »bilateral« einigen, und in vier ukrainischen Provinzen sollte es Referenden geben, ob die Menschen vielleicht lieber zu Russland gehören wollen als zu ihrem Staat.

Wieso sollte Putin verhandeln, wenn sein erklärtes Ziel doch die Vernichtung der Ukraine sei, fragte ein »GEZ-Pöbler« (Copyright AfD-Fraktion). »Ich kann nicht in den Kopf von Herrn Putin blicken«, antwortete der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. »Es ist die Sache von Verhandlungen, auszuprobieren, was will er denn wirklich.«

Ja, was will er wirklich, der Putin? Fragen wir ihn doch endlich mal! Man könnte solche Auftritte als hirnverbrannt und propagandistisch abtun, sie schlicht ignorieren. Wäre da nicht die Kommentarspalte zu dem YouTube-Video der Pressekonferenz, die nur so wimmelt von blauen Herzchen, Lob und Dank der AfD-Anhänger. Ignorieren ist keine Lösung. Aber was dann?

  • Kritik am Angriffskrieg: Wie der russische Staat eine Studentin verfolgt

Sag mir, wann der Boden bebt

Noch immer ist ungewiss, wie viele Menschen das furchtbare Erdbeben in der Türkei und Syrien das Leben gekostet hat. Wer den Opfern in der Erdbebenregion mit Spenden helfen möchte, sollte das Interview von Sabrina Knoll mit Burkhard Wilke lesen, dem Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, das Hilfsorganisationen auf eine sorgsame und effiziente Verwendung von Spenden hin prüft.

Viele Leserinnen und Leser dürften sich fragen, warum eigentlich niemand das Beben vorhersagen konnte – in einer Region, die seit Jahrzehnten als Erdbebenzone bekannt ist. Jörg Römer aus unserem Wissenschaftsressort erläutert heute, warum sich der Zeitpunkt eines Bebens nicht prognostizieren lässt. Es lassen sich nur Wahrscheinlichkeiten ermitteln – und Warnungen aussprechen, sobald es losgeht. Das Problem: »Die Menschen haben nur eine Chance, die Informationen zu nutzen, wenn sie weit genug vom Erdbebenzentrum entfernt sind.« Wer im Epizentrum sitzt, hat kaum eine Chance.

Letztlich bleibt den Bewohnern solcher Gefahrengebiete nur übrig, ihre Häuser und Infrastruktur so gut es geht abzusichern, was wohl weder in Syrien, noch in der Türkei geschah. Türkische Oppositionspolitiker der betroffenen Region klagten sogar noch kurz vor dem Beben, dass man zu wenig auf Katastrophen vorbereitet sei. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan könnte deshalb bei den Wahlen im Mai noch ein politisches Nachbeben drohen .

  • Im Schlaf überrascht: Warum vorher niemand weiß, wann die Erde bebt

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Verliererin des Tages…

…ist Andrea Tandler, Maskenhändlerin und Coronaprofiteurin, die vorerst in Untersuchungshaft bleiben muss. Das Landgericht München wies ihre Haftbeschwerde ab, wie meine Kollegen Jürgen Dahlkamp und Sven Röbel berichten. Mit Provisionen für Maskendeals hatte Tandler gemeinsam mit ihrem Partner Darius N. 48,3 Millionen Euro an Staatsgeldern kassiert. Sie lesen richtig: 48,3 Millionen Euro, und das allein an Provisionen.

»Tandler und ihr Partner Darius N. gelten als Inbegriff der Krisengewinnler«, schreiben die Kollegen, »die zu Beginn der Pandemie im großen Stil an der Notlage des Staates verdienen wollten, mit zum Teil unanständig hohen Preisen für Schutzmaterial.« Nordrhein-Westfalen orderte Masken zum Stückpreis von 9,90 Euro, Bayern für 8,90 Euro.

Das allein wäre noch kein Fall für die Justiz. Aber die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass bis zu 15 Millionen Euro an Steuern hinterzogen wurden, und sie sehen eine Fluchtgefahr von Tandler ins Ausland.

Gier ist gefährlich: Hätten die Masken-Marketender ihren Reibach ordentlich versteuert, könnten sie die restlichen Millionen aus Steuergeldern heute wohl unbeschwert genießen.

  • Haftbeschwerde verworfen: Maskenmillionärin Tandler muss weiter sitzen

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Boris Johnson kassierte 2,8 Millionen Euro – für Reden, die er noch gar nicht gehalten hat: Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson macht nach seinem Ausscheiden aus der Downing Street weiter Kasse. So erhielt er für künftige Auftritte einen Vorschuss in Millionenhöhe.

  • Chinas Ballon laut US-Außenminister Teil eines Überwachungsprogramms: Der mutmaßliche Spionageballon über den USA war kein Einzelfall – sondern nach Angaben des US-Außenministers in ein großes System zur Überwachung eingebunden. Auch von der Nato kommen mahnende Worte.

  • »Er sollte nicht im Kongress sitzen«: George Santos hat seinen Lebenslauf mindestens frisiert, wahrscheinlich sogar glatt gelogen. Trotzdem vertritt er die Republikaner im Kongress. Das sorgt in den eigenen Reihen für Wut – auch bei Mitt Romney.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Wie erkennen Eltern, ob ihr Kind hochbegabt ist? Der Hochbegabtenverein Mensa hat einen Vierjährigen aufgenommen – zum Erstaunen der Zürcher Professorin Elsbeth Stern. Hier erklärt sie, ab wann Intelligenz messbar ist und wie Eltern schlaue Kinder richtig fördern .

  • »Skifahren verlernt man nicht«: Ist man irgendwann zu alt für die Piste? Quatsch, sagt der 78-jährige Skilehrer Hans-Peter Wucherer – und erklärt, warum Wintersport für alle geeignet ist. Plus: eine Übersicht, wo Senioren günstig an Skipässe kommen .

  • Im Schwitzkasten: Die deutsche Soziologie blickt auf einen Gerichtsprozess: Angeklagt ist ein Kommunalpolitiker der AfD, im Zeugenstand seine Lebensgefährtin. Es ist die AfD-Erklärerin Cornelia Koppetsch.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion

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