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News: SPD-Geburtstag, Lars Klingbeil, Claudia Roth, Prinz Edward

May 23
08:56 2023

Die allzu großen Versprechen der SPD

Am 23. Mai 1863 gründete Ferdinand Lassalle im Leipziger Pantheon mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) die erste überregionale deutsche Arbeiterpartei. Sie war eine Vorläuferin der SPD, weswegen heute in einem Jubiläumsfestakt der 160. Geburtstag der Partei gefeiert wird. Bundeskanzler Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil werden Reden halten.

In Geburtstagsreden lobt man das Geburtstagskind, und wenn das Geburtstagskind die eigene Partei ist, besteht die Kunst darin, es mit dem Selbstlob nicht zu übertreiben.

Die SPD-Spitze wird auch nicht vergessen haben, wie schlecht es noch vor gar nicht langer Zeit um die Partei bestellt war, beziehungsweise wie viel Glück sie gehabt hat, jetzt eine Regierung anführen zu dürfen. Sie hat im Bundestagswahlkampf 2021 von den Schwächen der konkurrierenden Parteien profitiert.

Und es scheint so, als sei sich die Parteispitze dessen sehr bewusst. Und als komme es ihr deswegen auch gelegen, dass der lange so populäre Vizekanzler Robert Habeck und seine grüne Partei im Moment viel Kritik abbekommen. Die Grünen sind zwar zurzeit Partner der SPD, aber offensichtlich sieht die SPD in den Grünen auch die größte Konkurrenz.

Als SPD-Co-Chef Lars Klingbeil vorgestern in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« auf den Streit um das Heizungsgesetz angesprochen wurde, bekräftigte er zwar, dass das Gesetz vor der Sommerpause verabschiedet werden solle, sagte aber auch: »Das ist das große Versprechen, was wir als SPD abgeben, dass wir dafür sorgen werden: Dieses Gesetz wird so gemacht, dass niemand zurückgelassen wird, dass alle mitgenommen werden auf diesem Weg«. Der Seitenhieb gegen die Grünen war deutlich herauszuhören: Seine Partei sei es, so legte Klingbeil nahe, die – anders als die Grünen – auf die Sorgen und Nöte der Leute höre.

So richtig es ist, auf Sorgen zu hören und jetzt beim Heizungsgesetz entsprechend nachzubessern, so unrealistisch ist es, in der Klimapolitik »alle mitzunehmen«. Das klarzustellen, gehört zu einer aufrichtigen Politik dazu. Oder andersherum: Wie Klingbeil so zu tun, als ginge das doch, ist unlauter.

Der Festakt heute steht unter dem Motto »Seit 160 Jahren Ideen für morgen«. Das ist doch mal ein Anspruch für die SPD: Beim Klimaschutz geht es auch um Ideen, die im Moment – leider – überhaupt nicht populär sein können, die in 160 Jahren aber die richtigen gewesen sein werden.

  • Liegt in der Krise der Grünen sogar eine Chance?

Warum Buhrufe für Claudia Roth auch das Kanzleramt interessieren sollten

Da gerade von Ferdinand Lassalle die Rede war: Im vergangenen Herbst kam ich auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau an seinem Grab vorbei. Der Friedhof ist ein eindrucksvolles Abbild des Bürgerstolzes der Breslauer Jüdinnen und Juden. Auf vielen Inschriften ist festgehalten, was sie für ihre Stadt, ihr Land, für die Wissenschaften und Künste getan haben. Ein Grabstein dort hat die Form einer Pickelhaube und zeigt, dass der hier Begrabene für Deutschland in den Ersten Weltkrieg gezogen ist. Die letzten Grabsteine stammen von 1942, da hatten schon die Deportationen in die Konzentrationslager begonnen.

Es ist kaum zu ertragen, dass sich der Antisemitismus in Deutschland auch jetzt noch Wege sucht. Heute zum Beispiel beginnt in der norddeutschen Stadt Plön ein Prozess wegen Volksverhetzung gegen den Wissenschaftler und Autor Sucharit Bhakdi. Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein legt ihm zur Last, sich 2021 in einem Interview, das im Internet veröffentlicht wurde, verächtlich über die Impfpolitik in Israel und auch über in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden geäußert zu haben.

Das Gericht wird nun darüber befinden, was in diesem konkreten Fall genau vorgefallen und wie es einzuschätzen ist. Dass sich aber in Teilen der deutschen Impfgegnerszene antisemitisches Gedankengut verbreitet hat, das ist eine Tatsache.

Es ist die Aufgabe der Gerichte, Verfehlungen dieser Art zu ahnden. Aufgabe der Politik ist es, angesichts der grauenvollen Geschichte dieses Landes, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, dem Antisemitismus den Nährboden zu entziehen und außerdem sensibel darauf zu reagieren, wenn Repräsentanten deutscher Jüdinnen und Juden deutlichen Frust oder sogar Unmut artikulieren.

Am Freitag ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth beim jüdischen Musikwettbewerb Jewrovision in Frankfurt am Main während ihres Grußworts ausgebuht worden. Der Zentralrat hat sich mit der Protestaktion solidarisiert. Es habe sich, so heißt es in einer Stellungnahme des Zentralrats, ein »lange aufgestauter Frust deutlich entladen«.

Der Frust rührt auch daher, dass die Grünenpolitikerin Claudia Roth auf den Antisemitismus-Eklat der Documenta fifteen im vergangenen Sommer viel zu spät und nicht entschieden genug reagiert hat. Nun hatte sie fast ein Jahr lang Zeit, die Wogen zu glätten. Das ist ihr offensichtlich nicht gelungen.

Und wenn das so ist, geht das die ganze Regierung etwas an.

  • Claudia Roth ausgebuht: Laute Angst

Deutsche Zurückhaltung bei den Kampfjets

Als die Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern in Deutschland Anfang des Jahres beendet war, lautete die große Frage, ob nun eine Diskussion über Kampfjets für Kiew anstehe.

Am Wochenendehat US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel in Hiroshima angekündigt, die in den USA gebauten Jets vom Typ F-16 an die Ukraine zu liefern, als Teil einer »Kampfjet-Koalition« mehrerer Verbündeten. Zunächst sollen ukrainische Piloten ausgebildet und später entschieden werden, wann und wie viele Flugzeuge geliefert werden und wer sie zur Verfügung stellt.

Deutschland aber wird sich in der Koalition zurückhalten, so hat ein Team aus unserem Hauptstadtbüro herausgefunden. »Eine aktivere Rolle hält die Bundesregierung für kaum machbar, da man weder über eigene F-16-Jets noch über Ausbilder oder technisches Know-how für diese Kampfflugzeuge verfügt«, schreiben meine Kolleginnen und Kollegen:

  • Debatte über F-16-Kampfjets: Deutsches Ausweichmanöver

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Orbán spielt Putins Spiel: Ungarns Regierung blockiert weiterhin die nächsten 500 Millionen Euro EU-Militärhilfe für die Ukraine – und auch das elfte Sanktionspaket gegen Russland. Die Begründung aus Budapest ist fadenscheinig.

  • Warum Moskaus Erfolg in Bachmut von kurzer Dauer sein könnte: Bachmut ist offenbar so gut wie ganz in russischer Hand. Zwar lässt die ukrainische Gegenoffensive noch auf sich warten, rund um die Stadt wird aber weiter gekämpft. Die Militäranalyse in Grafiken.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Wer wählt den/die Präsidenten/in der Europäischen Kommission?

Verlierer des Tages…

…ist der britische Prinz Edward, Herzog von Edinburgh.

Der Bruder von König Charles könnte zwar auch ein Gewinner sein, weil er seit gestern in Berlin zu Besuch ist. Und es überhaupt seit Jahren schafft, das britische Königshaus geräuschlos zu repräsentieren, aber gerade hier liegt auch sein Problem. In einer Ära der Aufmerksamkeitsökonomie punktet nur derjenige, der für Aufregung sorgt. Besonders viel Aufregung erzielt man, wenn man negative Schlagzeilen provoziert. Dies also ist ein Widerspruch unserer Zeit: Wer im Sinne der Institution, die er oder sie repräsentiert, richtig handelt, läuft Gefahr, es im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie genau falsch zu machen.

  • Prinz Harry und Herzogin Meghan fliehen vor Paparazzi: Taxifahrer berichtet

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • »Letzte Generation« wehrt sich gegen Kanzler-Kritik: Olaf Scholz hatte die Klimaaktivisten der »Letzten Generation« in scharfen Worten kritisiert – unter anderem als »völlig bekloppt«. Nun kommt die Antwort. Und die ist nicht weniger deutlich.

  • Weitere Anhänger von Heinrich XIII. Prinz Reuß festgenommen: Erneute Razzia im »Reichsbürger«-Milieu: Nach SPIEGEL-Informationen hat die Bundesanwaltschaft am Montagabend drei weitere Mitglieder einer mutmaßlichen Terrorgruppe festnehmen lassen.

  • Zschäpe sagt, sie hätte NSU-Morde verhindern können: Der Vorsitzende sieht eine »neue Qualität«: Erstaunlich ausführlich spricht Beate Zschäpe vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss über ihre Mitschuld an der Mordserie. Und bleibt doch meist vage.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Digitale Ratten, denkende Roboter und dieses Leuchten in den Augen: Können Maschinen lernen und denken, sogar besser als ein Mensch? Künstliche Intelligenz schickt sich an, Arbeit und Alltag umzuwälzen. Bereits 1956 trafen sich KI-Pioniere am Dartmouth College – ihre Ideen schrieben Geschichte .

  • »Mein Cool ist nicht mehr das Cool von heute«: Peter Fox, einer der größten deutschen Popstars, kommt nach 14 Jahren überraschend mit einem neuen Album zurück. Hier erzählt er, warum ihn manchmal eher die Politik reizt als die Musikkarriere .

  • Was Sie am Bau selbst machen können – und was Sie besser den Profis überlassen: Wer beim Hausbau oder bei der Sanierung mit anpackt, kann schon bei der Finanzierung viel Geld sparen. Doch nicht alle Arbeiten eignen sich für die Eigenleistung .

  • Hipper Trend oder doch nur trübe Plörre? Naturwein polarisiert, weil er den Punk im Establishment gibt. Doch was kann das andersartige Getränk wirklich? Drei Beispiele aus Südafrika, Frankreich und von der Mosel .

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion

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