News: G7-Gipfel in Japan, Hiroshima, Baschar al-Assad, Bremen-Wahl, Grüne
Hiroshima als Mahnung
Symbolträchtiger könnte der Ort für die Zusammenkunft kaum sein. In Hiroshima treffen sich von heute an die Staats- und Regierungschefs der G7. Über der Stadt im japanischen Südwesten warfen die USA am 6. August 1945 die erste Atombombe ab, 70.000 Menschen starben durch die Explosion sofort, Zehntausende an den Folgen der nuklearen Verseuchung.
Ein guter, ein mahnender Ort, um in diesen Zeiten darüber zu sprechen, wie sich verhindern lässt, dass auf dieser Welt noch einmal Atomwaffen zum Einsatz kommen. Russlands Krieg gegen die Ukraine dürfte den Gipfel der Staatenlenker aus Japan, den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland bestimmen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird online oder womöglich sogar persönlich dabei sein.
Wie immer bei diesen Gelegenheiten werden die Bilder perfekt inszeniert sein. Die G7 werden Entschlossenheit demonstrieren, nach Möglichkeit eine kraftvolle Abschlusserklärung präsentieren. So soll es neue Sanktionen gegen Russland geben. Zu hören ist auch, dass man den Export von Rohdiamanten aus Russland einschränken will, der Moskau jährlich Milliarden bringt.
Und doch stellt sich die Frage, wie zeitgemäß das informelle Siebener-Gipfelformat heute noch ist, das seine Ursprünge in den Siebzigerjahren hat.
Natürlich ist es immer gut, wenn Staaten, die gemeinsame Werte teilen, sich zusammenschließen. Und Putins Angriff auf die Ukraine hat durchaus Erinnerungen an die Blockkonfrontation des Kalten Krieges geweckt. Doch die Welt ist heute eine andere, sie ist komplexer, nicht bipolar, sondern multipolar. Die Staaten des Globalen Südens etwa tun sich schwer damit, sich klar gegen Russland als Aggressor zu positionieren.
Das muss man nicht richtig finden. Aber es zeigt, dass diese Länder ihre ganz eigenen »Sorgen und berechtigten Interessen« haben, wie Olaf Scholz es jüngst ausdrückte. Diesen, ergänzte der Kanzler, müsse man »auf Augenhöhe« begegnen. Kein falscher Ansatz. Ob aber Augenhöhe herrscht, wenn die G7 sich Staaten wie Indien oder Indonesien »als Gäste« nach Hiroshima einladen?
Meine Kollegin Melanie Amann wird für Sie bei SPIEGEL.de vom Gipfel berichten.
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Ein Massenmörder wird rehabilitiert
Mehr als ein Jahrzehnt war Syriens Machthaber international weitgehend isoliert, auch im arabischen Raum. Nun aber ist Baschar al-Assad zurück auf der großen Bühne. Er darf heute beim Gipfel der Arabischen Liga in Dschidda dabei sein. Die Liga hatte Syriens Mitgliedschaft nach der blutigen Niederschlagung der Oppositionsproteste 2011 ausgesetzt, das Land vor ein paar Tagen aber wieder aufgenommen.
Für Assad ist das ein Triumph. Der Kriegsverbrecher und Massenmörder, der Giftgas gegen sein eigenes Volk eingesetzt hat und den Tod Hunderttausender Menschen für seinen Machterhalt in Kauf genommen hat, wird wieder hoffähig. Als wäre nichts geschehen.
Mancher mag das Realpolitik nennen, schließlich kontrollieren Assads Truppen und verbündete Milizen immer noch den größten Teil Syriens. Tatsächlich aber ist und bleibt es falsch, sich mit einem brutalen Diktator zu arrangieren, nur weil man sich davon Stabilität in der Nachbarschaft erhofft. Wer Assad für ein paar formale Zugeständnisse wieder den roten Teppich ausrollt, tappt in seine Falle.
Verlierer der Rehabilitierung ist nicht nur die Opposition, sondern auch der Westen. Der Versuch, das Assad-Regime durch Isolation von der Macht zu vertreiben, ist endgültig gescheitert.
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Jordaniens Außenminister über Assads Rückkehr: »Es wird keine Normalisierung geben ohne ernsthafte, greifbare Schritte«
Grüne Krise
In Bremen wird heute lossondiert. Nach ihrem Sieg bei der Bürgerschaftswahl spricht die SPD um Bürgermeister Andreas Bovenschulte am Morgen erst mit den Grünen, später dann mit den Linken über eine mögliche Fortsetzung des rot-grün-roten Regierungsbündnisses. Morgen dann wollen die Sozialdemokraten ausloten, ob sie es diesmal lieber mit der CDU versuchen – was Bovenschulte sich durchaus vorstellen kann.
Gerade für die Grünen steht in Bremen viel auf dem Spiel. Um 5,5 Prozentpunkte brach die Partei vergangenen Sonntag ein, liegt nur noch knapp vor der Linkspartei und den örtlichen Rechtspopulisten. Fliegt man jetzt nach 16 Jahren als Teil der Landesregierung auch noch aus dem Senat, wäre die Katastrophe perfekt.
Und die Krise der Bundespartei um ein Symptom reicher.
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Nach der Wahl in Bremen: Scheitern an der Brötchentaste
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Die Startfrage heute: Was gilt als älteste noch gebräuchliche Währung der Welt?
Verlierer des Tages…
… ist Gustavo Petro. Kolumbiens Präsident hatte am Mittwoch eine wundervoll klingende Nachricht getwittert. Vier vermisste Kinder, elf Monate, vier, neun und 13 Jahre alt, seien im Amazonas-Dschungel lebend gefunden worden – zwei Wochen nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs, bei dem drei erwachsene Passagiere, darunter die Mutter der Kinder, getötet worden waren. Auch wir berichteten darüber, in dem Glauben, der Staatschef persönlich werde so etwas nicht verbreiten, wenn er keine gesicherten Informationen dazu hätte.
Hatte er aber wohl nicht. Am Donnerstag löschte Petro seinen Tweet und bat um Entschuldigung. Seine Informationen hätten sich nicht bestätigt.
Tatsächlich geht die Suche nach den Kindern im Regenwald weiter, nachdem an der Absturzstelle nur die Leichen der erwachsenen Insassen gefunden worden waren. Offenbar wurden ein provisorischer Unterschlupf und andere Hinweise entdeckt, die darauf hindeuten, dass die Kinder den Absturz wirklich überlebt haben könnten.
Die Nachrichtenagentur dpa zitierte am Donnerstag die Leiterin der Familienbehörde, die im Radio erklärt habe: »Ja, sie leben, das ist die Information, die wir haben.« Demnach seien die Kinder von einem indigenen Suchtrupp gefunden worden, der sich bisher aber nicht zu den suchenden Soldaten habe durchschlagen können. Bleibt zu hoffen, dass sie recht behält – und der Präsident doch noch eine Erfolgsmeldung absetzen kann.
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Keine Bestätigung von Sicherheitskräften: Flugzeugabsturz in Kolumbien – sind die verschollenen Kinder wirklich in Sicherheit?
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Ihr Philipp Wittrock, Chef vom Dienst in Los Angeles