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News des Tages: Stellenstreichungen Airbus, Sigmar Gabriel, Wahlrechtsreform

July 02
20:40 2020

1. Schweres Airbe: Ein Flugzeugbauer hofft auf den Staat

Das Wort Kurzarbeit hat es in dieser Woche erstmals in die "New York Times" geschafft. In vielen Gegenden der Welt blickt man derzeit mit Neugier auf die deutschen Rezepte gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise.

Eine Verlängerung der Kurzarbeit auf 24 Monate wünscht sich auch Airbus-Chef Guillaume Faury – und einige andere Hilfen, wie er meiner Kollegin Dinah Deckstein und meinem Kollegen Gerald Traufetter sagte. Der Flugzeugbauer setzt auf den Staat – und die Regierungen unter Druck. Mehr Unterstützung, weniger Stellenstreichung lautet die Botschaft: In Deutschland könnte der Konzern demnach statt 5100 lediglich 3100 Stellen streichen. Immer noch viel, aber weniger schmerzhaft.

Wie sehr Faury selbst unter Druck steht, das vermittelte sich sogar beim Telefoninterview: "Sehr angespannt" wirkte er, sagt Gerald. "Besonders, als wir ihn fragten, ob der Staat nicht mit noch mehr Prozenten bei Airbus einsteigen sollte. Das bügelte er barsch ab." Keine Angst, ich mache jetzt keinen Witz, der etwas mit "in die Luft" gehen zu tun hat.

  • Lesen Sie hier das ganze Interview: "Wir sind bei den Stellenstreichungen moderat vorgegangen"

2. Brandt, Schmidt, Geld

Sigmar Gabriel hat seine Schwächen; schwache Zitate zu liefern, gehört nicht dazu. Schon 1985, damals steht sein Name das erste Mal im SPIEGEL, zitieren die Kollegen ihn mit dem knalligen Satz: "Was will die Union tun, damit aus ihrer Jugend wenigstens aufrechte Konservative werden und keine Rechtsradikalen?" Es geht um einen jungen Vertriebenenfunktionär, der aus der CDU geflogen war. Gabriel ist damals Bezirksvorsitzender der SPD-nahen Falken.

Ein Politikerleben später steht sein Name mal wieder im SPIEGEL und auch sonst überall: Gabriel verdiente zeitweise neben all seinen anderen Jobs auch 10.000 Euro pro Monat als Lobbyist bei Tönnies, wie das ARD-Magazin "Panorama" als erstes berichtet hat. Der Ex-Minister und Ex-SPD-Chef beriet also jenen Fleischfabrikanten, bei dem in der Coronakrise das Wurst-Case-Szenario eingetreten ist.

Mein Kollege Veit Medick bekam von Gabriel dazu Zitate wie diese:

  • "Ich kann an dem Beratungsverhältnis mit einem großen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen."

  • "Tönnies macht nichts Verbotenes. Wozu machen wir eine Cooling-Down-Phase, in der man als Ex-Politiker nichts machen darf, wenn man danach noch so behandelt wird, als sei man im Amt?"

  • "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag."

Und über seine Nach-Nachfolger an der SPD-Spitze, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die ihn kritisiert haben:

  • "Mich wundert das nicht. So sind sie halt. Beide gehören auch zu denen, die heute laute Kritik üben, sich damals aber keinen Deut um die Fleischindustrie gekümmert haben. Ich kann das nicht wirklich ernst nehmen."

Über meinem Schreibtisch hing früher Brandts Kniefall, jetzt ein Brandt mit Hund am Strand im Großformat; mein Telefon-Sperrbildschirm zeigt Willy beim Rauchen. Vielleicht erklärt das, warum ich mir von ehemaligen SPD-Spitzenpolitikern eigentlich andere Sätze wünsche, vor allem andere Tätigkeiten. Naiv, ich weiß, spätestens seit Schröder.

Mein Kollege Sebastian Fischer, Leiter unseres Hauptstadtbüros, sagt: "Wir haben kein Anrecht darauf, dass aus jedem prominenten Sozialdemokraten nach dem Rückzug aus der Politik ein zweiter Brandt oder Schmidt wird." Gabriel macht eben lieber Kohle, als Privatmann darf er das. Jeder Falke hat das Recht, im Schlachthof zu enden. Sieht halt nicht so schön aus, davon will man sich kein Bild aufhängen.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Gabriels Geschäfte

3. Endlich verständlich: Der Streit ums Wahlrecht

Mal Hand aufs Herz: Haben Sie verstanden, worum es im Streit um die Wahlrechtsreform geht? Schon klar, der Bundestag soll nicht noch größer werden. Aber die Details von Mandatsverteilung und Kappungsmodellen habe ich noch nicht durchdrungen. Bis heute: In diesem Gastbeitrag erklärt der Politologe Joachim Behnke die verschieden Konzepte und welche Chancen sie haben – und ob sie so fair sind, wie die Parteien behaupten, die sie vorschlagen. So viel kann ich vorab verraten: Zu den Vorschlagenden sind sie jedenfalls außerordentlich fair. Ob sie tatsächlich auch dem öffentlichen Interesse dienen, den Bundestag nicht aus allen Nähten platzen zu lassen, ohne dabei den Wählerwillen zu beschneiden, können Sie nach der erhellenden Lektüre selbst beurteilen.

  • Lesen Sie hier den Gastbeitrag: Ein Gesetz für Wahlgewinner

Meine Lieblingsgeschichte heute: Vò ist das Freiluftlabor?

Auch im Volk der Drosten-Hörer haben Bilder in der Coronakrise eine größere Wirkung entfaltet als Studienergebnisse. Militärlaster fahren die Toten aus Bergamo weg, weil die Bestatter nicht nachkommen – als das in den Abendnachrichten zu sehen war, schwante den Deutschen: Das kann übel ausgehen.

Jeder Drosten-Hörer weiß auch, dass ein Corona-Test keine besonders angenehme Angelegenheit ist. Das Teststäbchen muss weit hinein in den Rachen – oder noch besser in die Nase. Wie unangenehm es tatsächlich ist, lässt sich erahnen beim Anblick der Bilder des Fotografen Matteo de Mayda.

Augen zu und durch die Nase rein: Im Kampf gegen die Pandemie testen Mediziner im Frühjahr fast alle 3300 Bewohner der Gemeinde Vò. Das Dorf sei zum Freilichtlabor geworden, so de Mayda. Seine beeindruckenden Aufnahmen finden Sie hier. Und meine Kolleginnen Heike Le Ker und Nina Weber aus unserem Gesundheitsteam erklären, was die Massentests in Venetien offenbaren: Knapp die Hälfte der Infizierten zeigen keine Symptome, können das Virus aber trotzdem weitergeben. "Die Forschung profitiert enorm von den Ergebnissen aus Vò", sagt Nina. Drosten-Hörer wissen das natürlich schon, diese Bilder kennen aber selbst sie nicht.

  • Hier finden Sie die Fotos und Hintergründe: Ein Dorf als Freilichtlabor

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Bundestag beschließt Grundrente – 1,3 Millionen Menschen profitieren: Das wohl größte sozialpolitische Projekt der Großen Koalition ist besiegelt. Doch die Auszahlung ab Januar könnte sich verzögern. Auch eine Rekordverschuldung genehmigten die Abgeordneten.

  • Verfassungsschutzchef in Sachsen abgesetzt: Er weigerte sich, Daten zu AfD-Rechtsaußen zu löschen – nun versetzte ihn der Innenminister. Außerhalb des Freistaats löst der Vorgang Befremden aus.

  • US-Arbeitslosigkeit geht trotz Coronakrise deutlich zurück: Auf dem Jobmarkt in den USA geht es trotz voranschreitender Pandemie bergauf. Der Preis, den die Trump-Regierung dafür zahlt, dürfte hoch sein.

  • Am Amazonas wüten so viele Feuer wie seit 13 Jahren nicht mehr: Im brasilianischen Regenwald loderten allein im Juni mehr als 2200 Brände. Und viele sind menschengemacht.

  • Britisches Gericht verweigert Herausgabe von Goldreserven an Maduro: Venezolanisches Gold im Wert von rund 890 Millionen Euro lagert in London. Jetzt entschied der dortige High Court: Es muss nicht an die Regierung von Nicolás Maduro ausgehändigt werden.

  • Polizei nimmt offenbar Epstein-Vertraute fest: Ihrem früheren Partner wurde vorgeworfen, Dutzende Minderjährige missbraucht zu haben. Nun haben Ermittler Berichten zufolge Ghislaine Maxwell festgesetzt.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • "In Krisen zeigen die Menschen immer die schlechtere Version von sich selbst": Der Starkünstler Olafur Eliasson glaubt, dass das Klimathema die Rettung für das Projekt Europa sein könnte.

  • Thunberga greta ist für den Menschen völlig harmlos: Peter Jäger aus Frankfurt gilt als Koryphäe der Arachnologie. Vor allem aber ist er dafür bekannt, neue Arten nach Prominenten zu benennen.

  • Als Otto der Große überraschende Hilfe von oben bekam: Beim Sieg König Ottos gegen die Ungarn im Jahr 955 waren laut Chronisten göttliche Mächte im Spiel. Doch was passierte tatsächlich?

Was heute nicht ganz so wichtig ist

Personalien:

  • Krone wenn und aber: Meghan Markle, 38, Schauspielerin, hat erneut ihren Unmut kundgetan über die Gepflogenheiten sowohl der britischen Presse als auch des britischen Königshauses. Die Berichte über sie hätten "immensen, emotionalen Stress verursacht", es sei ihr "verboten" worden, "sich zu verteidigen". Sie wird sich häufig gedacht haben: Harry, hol schon mal den Wagen.

  • Ein Fall von Franklinstein? Die Schauspielerin Jennifer Hudson, 38, fühlt sich beseelt von Aretha Franklin, die sie im Film "Respect" verkörpert. "Ich habe das Gefühl, dass sie in mir ist." Vielleicht Zeit, a Little Prayer zu sprechen.

  • Weser, noch: Florian Kohfeldt, 37, Werder-Trainer, galt als Überflieger unter den Bundesliga-Übungsleitern. Heute kämpft Bremen in der Relegation gegen den Abstieg. Zeit, aus Fehlern zu lernen, hatte er nicht. Die Kollegen im Sportressort nennen ihn: Leermeister.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: Aufgrund dieser neuen Vorschläge hat die Union nun die Abstimmung über den Gesetzentwurf der drei Oppositionsfraktionen FPD, Linke und Grüne … verhindert.

Und heute Abend?

Vielleicht Stuckrad-Barre lesen – und zwar noch mal sein Debüt, das bei Erscheinen vor 22 Jahren "unter dem Rubrum 'Popliteratur' abgelegt" wurde, wie mein Kollege Hauke Goos in seiner Sprachkolumne schreibt." Das garantierte Lesbarkeit und Oberfläche. Dabei stehen in 'Soloalbum' kleine, sehr große Sätze."

In diesem Sinne: erst gemeinsam Abendessen, dann "Soloalbum".

Oliver Trenkamp

Hier können Sie die "Lage am Abend" bestellen.

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