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News des Tages: Corona-Impfstoff, Schweine bei Tönnies, Numerus clausus

July 08
20:28 2020

1. Impfstoff-Tester: Sonst sticht er, hier spricht er

Was einst normal war, klingt in der Coronakrise nach Paradies: Sie dürfen Ihre Maske vergessen und müssen am Marktstand nicht panisch vor anderen Kunden zurückweichen; die Kinder können die Großeltern umarmen, die Kita ruft nicht bei jeder Schnupfnase an.

Das Paradies, es ist nur einen Pieks entfernt. Wenn, und das ist ein großes Wenn, endlich jemand einen Impfstoff entwickelt, der sich in allen Tests bewährt, den die Behörden zulassen – und der sich in Massen zu einem vertretbaren Preis herstellen lässt.

Meine Kollegin Julia Köppe aus dem Wissenschaftsressort hat mit Peter Kremsner gesprochen, dem Arzt, der Menschen erstmals den experimentellen Corona-Impfstoff von Curevac verabreichte (jenes Unternehmen, das Donald Trump angeblich kaufen wollte, was die Firma aber dementiert). "Erst heute habe ich wieder jemanden gespritzt", so begann Kremsner das Telefonat.

Deutschland hat ein Luxusproblem: Da die Infektionszahlen im Moment so gering sind, wird es schwerer herauszufinden, wie gut der Impfstoff wirklich schützt. "Das Risiko, sich anzustecken, wäre so gering, dass wir Zigtausende, wenn nicht eine Million Probanden in die Studie aufnehmen müssten." Also denken Forscher jetzt darüber nach, Probanden absichtlich dem Virus auszusetzen. Vielleicht, ganz vielleicht klappt es dann schon in diesem Jahr mit der Zulassung. Das würde uns den paradiesischen Zuständen wenigstens näherbringen, die wir früher für normal hielten.

  • Lesen Sie hier das ganze Interview: Der Mann, der den Corona-Impfstoff testet

2. Der Staustall

Seit gut zwei Wochen steht im Hauptsitz von Deutschlands größtem Schlachtbetrieb für Schweine alles still. Zwei Wochen, die die gesamte Produktionskette in Deutschland durcheinanderzubringen drohen. Zwei Wochen, in denen es in den Ställen immer enger wird und die Tiere leiden.

Die Coronakrise bei Tönnies hat gravierende Folgen für Mensch und Tier, wie meine Kollegin Julia Merlot recherchiert hat. Normalerweise ist die Produktion dicht getaktet, jeder Platz in den Mastbetrieben stets besetzt. Schon bald könnte der Rückstau die Ferkelzüchter erreichen. Allein die Zahlen beeindrucken: "Fast eine Million Schweine werden jede Woche in Deutschland geschlachtet und ständig wachsen neue Ferkel nach", sagt Julia. Nun harren Hunderttausende Tiere zusammengepfercht aus. Mast für die Massen.

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Schweine, die nicht sterben dürfen

3. Numerus clausus ist kein Drama von Goethe

Die Folgen des deutschen Bildungwirrwarrs lassen sich am Küchentisch dokumentieren, an meinem zumindest. Es kommt vor, dass meine Frau und ich uns unserer Schulzeit erinnern. Einmal stellten wir fest: In West-Berlin musste ich während der Oberstufe etwa zwölf Zeilen Goethe lesen (einen Auszug aus "Iphigenie auf Tauris") – nach dem Motto: wichtiger Mann, so klingt er, müsst ihr kennen. Meine Frau mit ihrem bayerischen Abitur wurde nicht müde zu betonen, sie habe Faust komplett nicht nur lesen müssen, sondern zumindest den ersten Teil auch gern gelesen. Zum Beleg präsentiert sie die C.H.Beck-Ausgabe, in der vor lauter Bleistift die Tragödie kaum noch zu entziffern ist.

Es hat sich einiges getan in der Bildungspolitik, ich habe selbst jahrelang darüber geschrieben. Aber ich habe meine Zweifel, ob die Abiturnoten sich wirklich fair vergleichen lassen. Was kein großes Problem wäre, wenn nicht der Numerus clausus eine so große Rolle spielen würde, wie meine Kollegin Silke Fokken berichtet.

Rund 40 Prozent der Studiengänge sind zulassungsbeschränkt: Der Wert ist zwar leicht gesunken, hat sich in den vergangenen Jahren aber wenig verändert. "So richtig frei ist die Wahl von Studienfach und Studienort damit trotz Abitur nicht", sagt Silke, deren Notenschnitt einst gut genug war, um die Wunschkombination Germanistik, Politikwissenschaft und Publizistik zu studieren. "Es ist bemerkenswert, wie stark sich die NC-Quoten unterscheiden." In Berlin, meiner Heimatstadt mit den kompakten Goethe-Kenntnissen, sind zwei von drei Studiengängen zulassungsbeschränkt. Ich sage gern: Wir lesen nicht Faust, wir gucken "Rocky", da gibt's mehr Teile.

  • Lesen Sie hier den Überblick: Wo Studienanfänger ein gutes Abi brauchen – und wo nicht

Meine Lieblingsleserpost heute: Die Knallbandfrage

Gestern habe ich in diesem Newsletter in einem Nebensatz gefragt, wie diese "roten Knallbänder" heißen, die ich als Kind für meinen Plastikcolt kaufte. Und Sie haben es danach in meinem Posteingang krachen lassen: Unzählige Mails haben mich erreicht; in einigen wurde mir geraten, mich an Google zu wenden. Aber kein Algorithmus übertrifft Sie, die "Lage"-Leserinnen und -Leser – allein die Vielfalt der Bezeichnungen hat mich beeindruckt. Eine Auswahl:

  • Käpsle (Schwaben)

  • Pulverblättle (Augsburg und im Badischen)

  • Knallbänder (Bonn)

  • Chäpsli (Schweiz)

  • Flintchen (Mönchengladbach)

  • Zündplätteln (Sachsen)

  • Fleenchen oder Flänchen (Hof)

Die geläufigsten Namen scheinen aber Zünd- oder Schießplättchen zu sein, in manchen Gegenden auch -blättchen. Ein Leser schreibt: "Die Frage 'Haste noch Plättchen?' war in meiner lippischen Heimat täglich zu hören, wenn es wieder einmal in den Einsatz gegen die 'Graue-Haus-Bande' ging." Die ganz offizielle Bezeichnung lautet Amorcesband, vom französischen Wort "amorcer" für "scharf machen", wie eine Leserin schrieb.

Danke Ihnen für jede Zuschrift, auch wenn ich noch nicht allen geantwortet habe.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Die CDU traut sich vielleicht was: Eine verbindliche 50-Prozent-Quote bis 2025, die Homosexuellenorganisation soll aufgewertet werden – die Christdemokraten wollen moderner werden. Aber werden die Beschlüsse überhaupt eine Mehrheit auf dem Parteitag bekommen?

  • Die Kanzlerin wirbt um Zusammenhalt in Europa: In den kommenden Monaten kann Deutschland mit der EU-Ratspräsidentschaft eigene Schwerpunkte setzen. Angela Merkel verurteilte in einer Rede in Brüssel "Fakten leugnenden Populismus".

  • Weizsäcker-Mörder verurteilt: Was trieb den Mann, der den Arzt Fritz von Weizsäcker tötete? Unsere Reporterin hat den Prozess begleitet, jetzt fiel das Urteil.

  • Deutschland hat drittstärksten Reisepass der Welt: Japans Pass erlaubt weltweit die visafreie Einreise in die meisten Länder der Welt, Deutschlands Pass in fast ebenso viele – theoretisch. Denn die Corona-Beschränkungen sind in dem Ranking nicht berücksichtigt.

  • BGH nimmt Vermieter und Mieter in die Pflicht: Vermieter wälzen das Streichen gern auf Mieter ab. Doch wenn sie dies unwirksam tun, kann der Mieter einen Anspruch haben – laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs selbst dann, wenn die Wohnung anfangs unrenoviert war.

  • Nord- und Ostsee sind deutlich wärmer geworden: Bis zu zwei Grad sind die Temperaturen von Nord- und Ostsee gestiegen. Der Effekt macht sich sogar in tiefen Wasserschichten bemerkbar. Einige Regionen sind besonders betroffen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Ein revolutionärer Plan für Paris: Die französische Hauptstadt ist für viele ihrer Bewohner eine Zumutung. Nun soll sie ich radikal ändern.

  • Da oben muss es besser sein als hier unten: Der Hobbypilot Dimitri Neonakis malt regelmäßig Kunstwerke in den Himmel. Warum tut er das?

  • Leidenschaft und Beulenpest: Ein Klassiker der erotischen Literatur entstand, als die Pest in Florenz wütete. Giovanni Boccaccios "Decamerone" feiert das Leben und die Frauen.

Was heute nicht ganz so wichtig ist

  • Star-Sinn: Billie Eilish, 18, vierfache Grammy-Gewinnerin und Sängerin des neuen Bondsongs "No Time to Die", hat erfahren müssen, wie unangenehm es ist, wenn Eltern öffentlich über die Kindheit des erwachsenen Nachwuchses sprechen. Man kennt das von Familienfeiern, bei ihr war es eine Show auf Apple Music. Ihre Mutter tat kund, wie sehr die Tochter einen anderen Popstar anhimmelte: "Ich möchte nur sagen, dass wir überlegt haben, dich zur Therapie zu bringen, weil du wegen Justin Bieber so große Schmerzen hattest."

  • Läuft bei ihm: Der achtfache Olympiasieger und elffache Weltmeister Usain Bolt, 33, hat sich Zeit gelassen bei der Namensgebung seiner Tochter, die im Mai zur Welt kam. Oder besser gesagt: mit der Bekanntgabe des Namens. Potzblitz: Olympia Lightning heißt die Kleine.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: "Inkrafttreten soll dies im Mai 2021."

Cartoon des Tages: "Wir Männer wollen endlich auch mal wieder ran"

Und heute Abend?

Möchte ich Sie um drei Minuten Ihrer Zeit bitten: In dieser Umfrage können Sie uns Anregungen und Kritik zur "Lage am Abend" geben. Wirklich, nur drei Minuten, anonym. Danke!

In diesem Sinne: erst Abendessen, dann Lage preisen.

Herzliche Grüße
Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die "Lage am Abend" bestellen.

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