Mit bloßen Händen gegen den Tod: Myanmar sucht verzweifelt nach Erdbeben-Überlebenden
Panorama
Das Erdbeben zerstört in Myanmar Häuser und begräbt Menschen unter sich. Für das Ausmaß der Katastrophe aber ist der seit Jahren tobende Bürgerkrieg verantwortlich: Er hat die Infrastruktur zerrüttet, die in solchen Fällen Hilfe organisieren sollte, die Lasten verteilen könnte.
Auf der Straße in Mandalay liegt der eingestürzte Glockenturm eines Klosters. Die Zeiger stehen auf 12.55 Uhr, wenige Minuten zuvor war Myanmar am Freitag von einem heftigen Erdbeben der Stärke 7,7 erschüttert worden. Mandalay ist mit 1,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes und liegt nur wenige Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt. Hier haben die Erdstöße besonders schwere Schäden angerichtet. Rettungskräfte suchen pausenlos nach Verschütteten.
Mit am schlimmsten traf es den Wohnblock "Sky Villa Condominium". Von den zwölf Stockwerken stehen nur noch sechs. Die brüchigen, blassgrünen Mauern der oberen Stockwerke lasten auf den eingestürzten unteren Etagen. In den Trümmern ist der Körper einer Frau zu sehen – ein Arm und ihr Haar hängen herunter.

Panorama 29.03.25 Nach Erdbeben in Südostasien ntv-Reporter: "Situation in Bangkok ist surreal"
Die Einsatzkräfte bewegen Trümmerteile mit bloßen Händen, um zu den Verschütteten zu gelangen. 30 Stunden nach dem Erdbeben gelingt es den Rettungskräften, eine Frau lebend aus den Trümmern zu bergen. Die 30-Jährige wird von ihrem überglücklichen Ehemann in den Arm genommen und ins Krankenhaus gebracht. Laut dem Roten Kreuz werden noch mehr als 90 Menschen unter den Schuttbergen des Wohnblocks vermutet.
Menschen horchen nach den Rufen Überlebender
Zwischen Trümmern liegen Gegenstände verstreut: ein Spielzeug aus Plastik, Teile von Möbeln und ein Bild der New Yorker Skyline. Unter Bäumen in der Nähe campieren frühere Bewohner mit dem, was sie aus ihren Wohnungen retten konnten.
Überall in Mandalay sind Menschen in Flip-Flops und mit minimaler Schutzausrüstung zu sehen, wie sie mit den Händen nach Verschütteten graben. Sie alle hoffen, auf ihrer Suche die Rufe von Überlebenden zu hören. "Es gibt viele Opfer in Wohnanlagen", sagt einer der Helfer. "Vergangene Nacht wurden mehr als hundert herausgezogen."
Die Suche erschweren neben der mangelnden Ausrüstung auch die Stromausfälle. Ohne Licht kommen die Helfer nachts kaum voran. Viele von ihnen sind bereits mehr als 24 Stunden im Einsatz – und erschöpft. "Wir sind hier seit letzter Nacht, wir haben keinen Schlaf bekommen", sagt einer von ihnen. Sie bräuchten mehr Hilfe. Es gebe genügend Einsatzkräfte, aber nicht genügend Fahrzeuge: "Wir transportieren die Leichen mit leichten Lieferwagen. Etwa 10 bis 20 Leichen in einem leichten Lieferwagen."
Beben trifft auf von Bürgerkrieg geschwächtes Land
Das südostasiatische Myanmar liegt auf der geologischen Sagaing-Verwerfung, schwere Erdbeben sind hier häufig. Das aktuelle allerdings war besonders tödlich: Laut der Militärregierung starben mindestens 1644 Menschen, über 3400 wurden verletzt – die Zahlen steigen weiter.
Die hohe Opferzahl in Mandalay hat laut dem Geologen Ian Watkinson auch mit dem Bau-Boom der letzten Jahre zu tun. Ilan Kelman vom University College London zitiert das zentrale Schlagwort des Katastrophenschutzes dazu: "Nicht Erdbeben töten Menschen, sondern einstürzende Gebäude".
Das Beben trifft Myanmar ungleich härter als das ebenfalls betroffene Thailand, weil Myanmar seit Jahren unter einem Bürgerkrieg zwischen der Militärregierung und diversen Rebellengruppen leidet. Der Konflikt hat das Gesundheitssystem und das Katastrophenmanagement des Landes stark geschwächt.

Panorama 28.03.25 Heftige Erdstöße Erdbeben in Südostasien hinterlässt Tod und Verwüstung
Militärjunta-Chef Min Aung Hlaing bat in einem ungewöhnlichen Schritt "jedes Land, jede Organisation" um Unterstürzung. In der Vergangenheit hatten Militärregierungen in Myanmar das selbst bei schweren Naturkatastrophen vermieden.
"Wir brauchen Hilfe", bestätigt der 68-jährige Thar Aye, der in Mandalay lebt. "Uns fehlt es an allem." Aye ist angesichts der Zerstörung völlig niedergeschlagen. "Ich bin so traurig, wenn ich diese tragische Lage sehe", sagt er. "Ich habe so etwas noch nie erlebt."
Quelle: ntv.de, Von Joe Stenson und Sebastien Berger, AFP