Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach: Spuren von mehr als 30.000 Verdächtigen entdeckt

Missbrauchsfall Bergisch Gladbach: Polizist vor dem Haus eines Tatverdächtigen
Dagmar Meyer-Roeger/dmp press/dpa
Bei den Ermittlungen zum Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach sind die Ermittler auf Spuren von insgesamt mehr als 30.000 Verdächtigen gestoßen. Das hat NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) in Düsseldorf mitgeteilt. Es handele sich nicht um Einzeltäter, sondern um ein "vernetztes Onlinegeflecht", so Biesenbach. "Ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, welches Ausmaß Kindesmissbrauch im Netz hat", sagte der Justizminister.
Es gehe sowohl um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie als auch um konkrete Missbrauchstaten. In Foren und Messengerdiensten gingen die Kriminellen ganz unverhohlen mit ihren Missbrauchstaten um, heizten sich an und gäben sich Tipps. Ziel sei es nun, diese Täter und Unterstützer von Kindesmissbrauch aus der Anonymität des Internets herauszuzerren.
Das NRW-Justizministerium will ab dem 1. Juli mit einer eigenen Taskforce mögliche Pädophile im Netz ebenso verfolgen wie Cyberterroristen oder Hacker. Zwei Staatsanwälte sollen zu diesem Zweck mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) zusammenarbeiten.
Wenn man Kindesmissbrauch im Netz aktiv bekämpfen wolle, müsse man auch über gesetzliche Regelungen zur Speicherung von Daten sprechen, so Justizminister Biesenbach weiter.
Im Internet sinke die Hemmschwelle für Täter, sagte Oberstaatsanwalt Markus Hartmann vom ZAC. "Die in einschlägigen Foren kommunizierenden Täter empfinden Kindesmissbrauch als 'normal' und finden eine riesige Gruppe von Gleichgesinnten." Das sei das kriminalistisch Herausragende an der Situation.
Im Herbst hatte die Polizei in Bergisch Gladbach einen 43-Jährigen festgenommen, der seine Tochter bereits im Säuglingsalter missbraucht haben soll. Er filmte die Vergewaltigungen und teilte die Videos den Ermittlern zufolge mit seinen Chatpartnern. Über diesen Fall spürte die Polizei Köln ein Netzwerk von mutmaßlichen Sexualstraftätern auf, das bis nach Österreich und in die Schweiz reicht.
"Auf Belohnung und Gewöhnung ausgerichtetes System"
"Die Angeklagten haben ein auf Belohnung und Gewöhnung ausgerichtetes System etabliert", sagte die Staatsanwältin im Prozess. Die Kinder hätten regelmäßig Geld und andere Geschenke erhalten, um sie gefügig zu machen. Bei den Taten sei manchmal auch der kleine Bruder eines der Mädchen dabei gewesen.
Namentlich identifiziert sind bisher etwas mehr als 70 Tatverdächtige in ganz Deutschland. Im Mai war ein erster Täter – ein 27 Jahre alter Soldat – zu zehn Jahren Haft verurteilt und auf unbestimmte Zeit in der Psychiatrie untergebracht worden.
Im Zuge der Ermittlungen waren auch Fehler der Justiz bekannt geworden: Diese hatten dazu geführt, dass der inzwischen Verurteilte trotz einer Selbstanzeige über Monate weiter die Gelegenheit hatte, Kinder zu missbrauchen und zum Missbrauch anzubieten.
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