Maskenbericht bei Lanz: Karl Lauterbach: “Es wurde Ramsch geliefert”
Politik

Hat den Maskenbericht in Auftrag gegeben: Ex-Gesundheitsminister Lauterbach.
Zu viele Masken und viel zu teuer eingekauft: Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Über die Verträge des Bundes redet Markus Lanz mit seinen Gästen. Spahns Nachfolger Lauterbach äußert sich zugeknöpft.
168 Seiten lang ist der Bericht. Benannt ist er nach Margarete Sudhof. Sie hat ihn erstellt. Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD hat sie damit beauftragt. In dem Bericht geht es um Masken. Und um mehrere Milliarden Euro. Geld, das die damalige schwarz-rote Bundesregierung für Masken ausgegeben hat, die gegen den Covid-Virus schützen sollten. Die hatte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU eingekauft. Und dabei ist offenbar einiges schiefgelaufen.

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"Ich habe den Auftrag für den Bericht gegeben, weil ich der Meinung war, dass die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf hat und ich auch, zu wissen, was damals gewesen ist", sagt Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei Markus Lanz. "Ich habe Frau Sudhof damals den Auftrag gegeben, sie soll das aufarbeiten, und zwar so, dass es jeder versteht, also in klarer Sprache." Nun ist der Bericht öffentlich. Doch verstehen kann ihn nicht jeder. Die wichtigsten Stellen sind unleserlich gemacht worden. Er habe sie nicht politisch beeinflussen wollen während ihrer Arbeit und deswegen auf Zwischenberichte verzichtet, so Lauterbach.
Warum der Bericht an vielen Stellen geschwärzt wurde, will er nicht sagen. "Ich will meine Nachfolgerin nicht kritisieren", so Lauterbach. Und auch sonst niemanden, sich einbezogen. So bleibt er viele Antworten schuldig, redet weder über Unternehmen noch über finanzielle Fehler. Die Arbeit der Berichterstatterin jedenfalls sei sehr hochwertig gewesen, sie habe in die Tiefe hinein recherchiert. Einen Schönheitsfehler gibt es aber doch: Der Betroffene, Jens Spahn, wurde für den Bericht nicht interviewt. "Das war nicht die Aufgabe des Berichts", versucht Lauterbach diese Entscheidung ziemlich hilflos zu rechtfertigen. "Die Aufgabe des Berichts war, festzustellen, was damals im Haus gemacht worden ist." Und weiter: "Die politischen Verantwortungsträger sind nicht zu behandeln wie Mitarbeiter." Warum eigentlich nicht?

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Auch die Unternehmerin Tanja Gulden kennt den Bericht nur in der jetzigen Form. Doch sie hat auf Herausgabe des Originalberichts geklagt. Das Verfahren läuft noch. Und die Journalistin Christina Berndt von der "Süddeutschen Zeitung" hat ihn auch noch nicht gesehen. Sie erklärt die Situation vom März 2020: "Jeder kann verstehen, dass in einer Krisensituation Dinge schwierig sind, dass manchmal auch Geld verbrannt wird, weil man bestimmte Wege sucht, weil es schnell gehen muss, weil man unter Druck ist, weil die Weltmarktlage ganz schwierig ist. Aber hier ist mehr als das passiert, und das wird deutlich, wenn man den Sudhof-Bericht genauer anschaut. Herr Spahn ist hier mit einer Hemdsärmeligkeit an diese Sache herangegangen, hat sich über Widerstände sowohl in seinem Ministerium als auch in anderen Ministerien, gegen Warnungen, das Open-House-Verfahren durchzuführen, so hohe Maskenpreise festzusetzen, hinweggesetzt." Insgesamt seien die Einkäufe von Masken damals schlechter gelaufen, als der Druck es erlaubt hätte, sagt die Journalistin heute.
Der Rückblick
Was ist passiert? Es ist März 2020. Ein neues Wort macht die Runde: Corona. Die Krankheit kommt aus China, möglicherweise von einem Lebensmittelmarkt. In München wird der erste Corona-Patient in einem deutschen Krankenhaus behandelt. Schnell wird klar: Die Krankheit verbreitet sich durch Speichelrückstände. Bundesgesundheitsminister Spahn bestreitet zunächst, dass Masken gegen die Krankheit schützen können. Dennoch laufen bald viele Menschen mit umgenähten Unterhemden vor dem Gesicht herum. Auch Spahn ändert nun seine Meinung. Doch Schutzmasken sind schwer zu bekommen. Also wird das Gesundheitsministerium tätig, bestellt Masken im großen Rahmen. Zu einem hohen Preis: 4,50 Euro das Stück. Mehrere Großunternehmen werden beauftragt, auch solche, die wenig Erfahrung haben. Zum Beispiel das Logistik-Unternehmen Fiege aus dem Nachbarwahlkreis von Jens Spahn. Oder ein kleines Unternehmen aus der Schweiz namens Emix. Mit dieser umstrittenen Firma hatte die Bundesregierung Verträge für die Lieferung von Masken und anderer Schutzausrüstung im Wert von knapp einer Milliarde Euro abgeschlossen. Allein deren Masken sollen knapp sechs Euro das Stück gekostet haben. Diese Deals kamen teilweise zustande, nachdem klar war, dass das Gesundheitsministerium viel zu viele Masken eingekauft hatte. Die beiden Emix-Chefs steckten sich einen dreistelligen Millionen-Betrag in ihre Taschen.

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Dann stellt sich heraus: Viele dieser Masken sind fehlerhaft oder erfüllen deutsche Sicherheitsstandards nicht. Die habe das Gesundheitsministerium anfangs auch gar nicht gefordert, hat Christina Berndt recherchiert. Erst durch Anfragen von Unternehmen sei man darauf gekommen, sich darüber Gedanken zu machen. 2021 schlägt Spahn vor, diese Masken an Werkstätten für Behinderte abzugeben. Es gibt heftige Kritik. Spahn rudert zurück. Die Masken werden verbrannt.
Dann wird die Ampelkoalition gewählt. Karl Lauterbach wird Gesundheitsminister. Er will wissen, was 2020 passiert ist, fragt bei seinen Mitarbeitern nach. Die wissen nur wenig. Doch er will aufarbeiten, was damals schief gelaufen ist. Darum gibt er das in Auftrag, was jetzt als Sudhof-Bericht bekannt geworden ist. Was er dabei herausgefunden hat, muss ihn schockiert haben. "Es wurde Ramsch geliefert, es wurden hohe Beträge gezahlt", sagt er.
Der Fall Gulden
Was damals passiert ist, hat Tanja Gulden direkt mitbekommen. Ihr Zwei-Mann-Unternehmen kauft Schmuck aus China. Als Jens Spahn nach Firmen sucht, die Masken aus China einführen können, wittert Gulden ihr Geschäft. Das Unternehmen hat die nötigen Verbindungen nach China. "Wir wussten, dass es vom Bund ein Open-House-Verfahren gibt. Das war auch ausgeschrieben. Preis und Leistungsbeschreibung hat man aber erst erfahren, wenn man sich die Angebotsunterlagen bei der Generalzolldirektion als abwickelnde Behörde erfragt hat", erklärt Gulden. Da erfuhr sie, dass sie für die Masken pro Stück 4,50 Euro bekommen sollte, ein angemessener Preis für diese Zeit, sagt Gulden. Denn für den Preis musste das Unternehmen nicht nur die Masken organisieren, sie musste auch dafür sorgen, dass sie nach Deutschland kamen. Wieviel Gulden damals für die Masken in China bezahlt hat, will sie wegen des laufenden Gerichtsverfahrens gegen den Bund nicht sagen. Es sei aber mehr als ein Euro pro Stück gewesen.

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Hätte Markus Lanz den Heidelberger Timo Klingler gefragt, hätte er vielleicht eine ehrlichere Antwort bekommen. Klingler hatte einen kleinen Onlineshop und beschloss, im Januar 2020 Masken aus China einzukaufen. 60 Cent habe eine Maske gekostet, erzählte er damals mehreren Medien. Zwei Monate später machte er dann das Geschäft seines Lebens: Damals verkauften Onlinehändler von Klingler bis Amazon Masken für bis zu zwanzig Euro. Pro Stück.
Zurück zu Katja Gulden. Die wurde von der Bundesregierung letztlich mit der Lieferung von 600.000 Masken beauftragt. Nach einer Woche sollte sie den dafür vereinbarten Betrag erhalten. Doch die Bundesregierung zahlt nicht. Bis heute. 3,7 Millionen Euro netto. "Der Bund trat damals von dem Vertrag zurück mit der Begründung, wir hätten angeblich mangelhafte Masken geliefert." Das weist Gulden zurück. Sie wirft dem Bund vor, er sei vertragsbrüchig geworden, seine Vertreter hätten vor Gericht die Unwahrheit gesagt. Lauterbach äußert sich auch dazu nicht.
Klar ist: Die Verträge müssen weiter aufgearbeitet werden. Spahn muss die Möglichkeit bekommen, sich zu äußern. "Wir werden uns am Ende dieser Krise viel zu verzeihen haben", hatte Jens Spahn während der Corona-Pandemie gesagt. Viele Menschen in Deutschland sind dazu bereit. Aber sie wollen wissen, was sie verzeihen sollen. "Das kann nur ein Untersuchungsausschuss klären", sagt die Journalistin Christina Berndt während der Sendung. Doch den lehnt die schwarz-rote Koalition ab. Auch Jens Spahn.
Quelle: ntv.de