Löwin in Berlin und Brandenburg? Safari in Kleinmachnow
Zunächst die Fakten: In Brandenburg und im südlichen Berlin sucht die Polizei seit fast 24 Stunden nach einem Tier. Es könnte sich dabei, so die Ermittler, um eine Löwin handeln. Im Einsatz sind: Hubschrauber, Drohnen, Wärmebildkameras, mehr als hundert Beamte. Anwohner der Region wurden per Warnapp alarmiert. Was zu tun sei: Die Wohnung nicht verlassen, Haustiere nicht ins Freie lassen, auf Durchsagen achten, die Suchaktion in den Medien verfolgen.
Dort finden sich im Laufe des Tages diverse Tipps für den Fall der Fälle, die Begegnung mit Panthera leo in freier Kleinmachnower Wildbahn: Bloß nicht weglaufen, warnt Biologe Florian Eiserlo . Bei der »BZ« ruft ein Tierarzt Autofahrer zur Vorsicht auf: »Der Löwe kennt keine roten Ampeln.« Und falls jemand auf ganz dumme Gedanken kommen sollte, mahnt ein Wildtierexperte im »Tagesspiegel« : »Das Letzte, was man machen sollte, ist ein Selfie mit Löwe«.
Nur die Löwin, die findet zunächst niemand. Am Nachmittag soll das Tier im Berliner Ortsteil Zehlendorf gesichtet worden sein, doch diese Spur im Bereich des Waldfriedhofs verläuft im Nichts. So bleibt die wichtigste Frage vorerst ungeklärt: Handelt es sich bei dem Tier wirklich um eine Löwin?
Begonnen hat die ganze Aufregung in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag: Zeugen filmten das Tier in der Gemeinde Kleinmachnow und alarmierten die Polizei. Die hält das Video für authentisch, zudem sollen Beamte das Tier gegen 3 Uhr nachts vom Streifenwagen aus gesehen haben – es konnte jedoch entkommen.
Schon um 0:58 Uhr ging die erste Warnmeldung raus. Und etwa eine Stunde später klingelte bei Michel Rogall zum ersten Mal das Handy, so erzählt es der Zirkusdirektor. Beim zweiten Mal sei er rangegangen. Am anderen Ende der Leitung war die Polizei, die habe sich entschuldigt und ihn dann gefragt, ob ihm ein Löwe entlaufen sei.
Rogall muss immer noch lachen, wenn er davon erzählt. Laut ihm führt kein Zirkus, der gerade in der Region um Berlin unterwegs ist, Löwen. Auch eine illegale Haltung durch Privatpersonen hält er für äußerst unwahrscheinlich. »Glauben Sie mir: nicht in dieser Region«, sagt Rogall und bezieht sich dabei auf »Insiderwissen«.
Ganz ausschließen lässt es sich aber nicht. Laut dem Landesumweltamt sind in Brandenburg 23 Löwen angemeldet, in drei Zirkusunternehmen, zwei Zoos und einmal in privater Haltung. Das gehört zu den interessanten Nebenerkenntnissen der großen Suchaktion.
Zirkusdirektor Rogall gibt sich dennoch zu »1000 Prozent« überzeugt: »Das ist kein Löwe.« Zweimal seien Polizisten zum Zirkus gekommen und hätten ihn gebeten sich das Tiervideo aus der Nacht anzusehen. Der Rücken zu rund, die Schwanzhaare zu lang, die Ohren zu groß – »ich habe noch nie einen Löwen mit solchen Segelohren gesehen«, sagt Rogall. Nach eigenen Angaben hat er Erfahrung mit Raubkatzen: Früher hielt der Zirkus Rogall selbst Löwen und Teile seiner Familie tun es Rogall zufolge noch heute.
»Hier stimmt etwas ganz und gar nicht«
Ebenso wenig hält er von der Theorie, dass die Löwin ein Wildschwein oder ähnliches gerissen hätte: »Löwen, die in Gefangenschaft aufwachsen, wissen nicht, wie man jagt.« Auch sehe man keinen Kadaver auf dem Video. »Hier stimmt etwas ganz und gar nicht«, sagt Rogall. Seine Theorie: Es könnte sich um einen kaukasischen Schäferhund handeln. Aber Rogall baut vor, falls er sich irren sollte: »Wenn es ein Löwe ist, dann ruft mich an, ich fange ihn gerne ein.«
Vermutlich werden die Einsatzkräfte nicht auf seine Unterstützung angewiesen sein. Tierärzte und Jäger sind ebenfalls im Einsatz, wie die Behörden mitteilten. Zudem haben Fotografen in Stahnsdorf den Survivor entdeckt, einen Panzerwagen, den üblicherweise Spezialeinsatzkommandos nutzen.
»Bis heute Morgen hätte ich niemals gedacht, dass wir in Brandenburg mal nach einem Löwen suchen würden«, sagt Polizeisprecher Daniel Keip. Erstmal sei es wichtig das Tier zu erwischen: »Es handelt sich um eine konkrete Gefahr«. Der Plan sei dennoch, die Löwin lebendig einzufangen. »Alles andere kommt nur infrage, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht.«
Wenn ein Tier in freier Wildbahn gefangen werden sollte, werde Tele-Injektion mit einem Narkosegewehr eingesetzt, sagte May Hokan von der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) in Berlin. Das könnten am besten etwa Zootierärzte, die mit solchen Situationen auch unter Stress gut umgehen könnten.
Die Tierärztin schilderte mögliche Probleme: »Wenn man so einen Löwen trifft, fällt der nicht direkt um und schläft ein. Es gibt eine Stressphase, er hat diesen Pfeil im Hintern, wird erst mal losrennen und Radau machen.« Dies dauere einige Minuten, auch abhängig von der Art des Narkosemittels. »Wir haben dann eine schwierige Phase, bevor das Tier einschläft und man sich dem Tier nähern kann.«
Theoretisch denkbar wäre auch ein Abschuss. »Je nachdem wie die Situation wahrscheinlich von Tierarzt und Polizei eingeschätzt wird, wird das Tier in solchen Situationen auch erschossen. Dabei muss natürlich die Sicherheit gegeben sein, dass da keine Menschen in der Nähe sind. Das ist auch nicht so einfach«, sagte May.
Am späten Abend ist das gesuchte Tier möglicherweise erneut im Grenzgebiet zwischen Berlin und Brandenburg gesichtet worden. Die Berliner Polizei sei mit einem Großaufgebot in dem Bereich unterwegs, sagte eine Polizeisprecherin. Auch die Brandenburger Polizei setzte ihre Suche im Bereich rund um Kleinmachnow fort.

