Kostenexplosion ab 2031?: Die Renten-Rebellion schadet Merz und ärgert die SPD
Politik
Kostenexplosion ab 2031?Die Renten-Rebellion schadet Merz und ärgert die SPD
12.11.2025, 10:59 Uhr
Volker Petersen

Union und SPD haben gerade mehrere Konfliktthemen auf dem Tisch, die auch im Koalitionsausschuss am Donnerstag Thema werden dürften. Für Streit sorgt auch die Rente. Die Jungen Abgeordneten testen die Autorität des Kanzlers.
Mit seinen nunmehr 70 Jahren hat Friedrich Merz ein Problem, das viele Altersgenossen haben: Ihm droht die Jugend zu entgleiten. Das erlebt er gerade schmerzhaft in seiner eigenen Partei und Fraktion. Die geplante Rentenreform sorgt seit Wochen für dicke Luft. Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion weigert sich beharrlich, dem Gesetzentwurf zur Rentenreform zuzustimmen. Mitte Oktober hieß es in einem Papier: "Das 'Rentenpaket' ist aus Sicht der Jungen Gruppe in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht zustimmungsfähig."
Das glich einem Zug, der kurz vor dem Bahnhof entgleist – denn besagte Gruppe umfasst 18 Abgeordnete. Lassen sie den Gesetzentwurf durchfallen, haben Union und SPD nicht genug Stimmen. Ihre Mehrheit im Bundestag umfasst nur zwölf Mandate. Das ist doppelt brisant: Zunächst einmal schwelt seitdem ein weiterer Konflikt zwischen Union und SPD, neben anderen Streitthemen wie Bürgergeld-Reform und Wehrpflicht.
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Aber auch der Zeitpunkt ist heikel. Das Kabinett hatte den Gesetzentwurf schon im August verabschiedet. Wenn eine Parlamentariergruppe diesen anschließend abgrätscht, ist das auch ein parteiinternes Foul am eigenen Kanzler – zeigt aber zugleich, wie ernst es der Jungen Gruppe um den 30-jährigen CDU-Abgeordneten Pascal Reddig mit ihrer Kritik ist.
Junge Abgeordnete schießen sich auf Haltelinie ein
Zunächst einmal ist ihnen die geplante Rentenreform zu teuer. In ihrem Papier gehen sie von Mehrkosten von 115 Milliarden Euro bis 2040 aus. Tatsächlich könnte es etwas weniger sein. Laut dem Entwurf des Rentenversicherungsberichts, aus dem Reuters zitiert, sind es nur etwa 102 Milliarden Euro. Die Junge Gruppe dürfte das nicht beruhigen.
Auch die Mütterrente treibt die Kosten, die ebenfalls Teil des strittigen Gesetzentwurfes ist. Mehrere Experten sind sich einig, dass sie nichts weiter als ein teures Wahlgeschenk der CSU ist. Auch der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, hält sie für ungerecht gegenüber der jungen Generation.
Die Kritik dürften viele junge Abgeordnete der Unionsfraktion teilen. Sie schießen sich dennoch auf den Reform-Beitrag der SPD ein, was mit der Sicherung der sogenannten Haltelinie zu tun hat. Wer verstehen will, was das ist, steht gleich knietief in der Rentenpolitik. Die Haltelinie bestimmt das Rentenniveau. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Summe, die ein Rentner bekäme, der 45 Jahre zum Durchschnittslohn gearbeitet hat. Derzeit sind das 1835 Euro.
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Eigentlich steigen die Renten mit den Löhnen, sie sind gekoppelt. Doch weil es immer mehr Rentner gibt und das Geld knapp wird, kam vor rund 20 Jahren der Nachhaltigkeitsfaktor hinzu. Der bremst den Anstieg der Renten, um zu sparen. Die Löhne steigen also schneller als die Renten. Folglich sinkt das Rentenniveau. Ein sinkendes Rentenniveau bedeutet aber eben nicht sinkende Renten – sondern in der Regel lediglich langsamer steigende Renten. Wegen der Lohnentwicklung sinken können sie übrigens gar nicht – das verhindert die sogenannte gesetzliche Rentengarantie.
Was passiert nach 2031?
Union und SPD haben sich nun darauf geeinigt, den Nachhaltigkeitsfaktor bis 2031 auszusetzen und damit das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten. Deswegen nennen sie das "Haltelinie". Renten und Löhne sollen also wieder im Gleichschritt steigen. Gäbe es die Haltelinie nicht, würde das Rentenniveau dagegen bis 2031 auf 47 Prozent sinken, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales errechnet hat – dafür würde der Nachhaltigkeitsfaktor sorgen.
Einig ist man sich, dass der Nachhaltigkeitsfaktor ab 2032 wieder greifen soll. Aber auf welchem Niveau? Genau an diesem Punkt entzündet sich der Streit. Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass das Rentenniveau ab 2032 bei 48 Prozent liegt und die Renten ab dann langsamer steigen sollen als die Löhne. Das Rentenniveau würde sinken.
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Genau das will die Junge Gruppe nicht. Sie will, dass man 2032 so tut, als habe es die Haltelinie gar nicht gegeben. Das Rentenniveau soll 2032 auf 47 Prozent sinken – weil es dort landen würde, wenn es die Haltelinie gar nicht gäbe. Das fordert die Junge Gruppe in einem Papier. Was das bedeutet, darüber macht deren Vorsitzender Reddig keine klare Aussagen.
In Interviews sagt er, die Rentenzahlungen sollten ab 2031 nicht sinken. Das verhindert ohnehin die Rentengarantie. Reddigs Punkt ist ein anderer. Aus seiner Sicht nimmt der Gesetzentwurf vorweg, was nach 2031 passiert, obwohl dazu nichts im Koalitionsvertrag steht. Darin haben Union und SPD vereinbart, eine neue Rentenkommission einzusetzen. Die soll Vorschläge für die Zeit nach 2031 erarbeiten. Reddig meint, der vorliegende Gesetzentwurf greife dieser Kommission vor. Das ist der Kern seiner Kritik, mehr nicht.
Bärbel Bas is not amused
Die SPD ist über all das natürlich nicht begeistert. Arbeitsministerin und Parteichefin Bärbel Bas sagte schon Mitte Oktober im Bundestag: "Ich sage ausdrücklich mit Blick auf die Sicherung des Rentenniveaus: Das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, im Koalitionsausschuss erneut geeint und im Kabinett beschlossen. Das muss jetzt auch gelten!"
So war es wenig überraschend, wie sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Stephan Bilger, an diesem Dienstag äußerte. Er erwartet keine Lösung des Problems in dieser Woche. Hier gebe es "eine unterschiedliche Auslegung des Koalitionsvertrags", sagte er. "Dieses Missverständnis müssen wir jetzt auflösen." Dafür "braucht es schon noch etwas mehr Zeit".
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An diesem Wochenende wird es spannend. Dann trifft sich die Junge Union zu ihrem jährlichen "Deutschlandtag". Der Jugendorganisation von CDU und CSU gehören auch einige Abgeordnete der Jungen Gruppe im Bundestag an, darunter auch Reddig. Auch JU-Chef Winkel ist Bundestagsabgeordneter. Am Samstag wird Kanzler Merz als Redner erwartet. Die Jungunionisten dürften gespannt zuhören. Bislang habe er sie in der Rentenfrage noch nicht kontaktiert, sagte Winkel kürzlich.

